Die gute alte, gern auch selbsternannte Kultur-Hochburg Deutschland ist längst baufällig. Im Schatten mittlerweile rissiger Banken-Bunker, – weit überragt von den Sendemasten der Jux-Industrie und eingeschalt vom Granit plump effizienz- und technokratie-gesteuerter Bildungsbetreiber – finden in ihren Kellergewölben namens Bayreuth, Donaueschingen, Jazzfest Berlin und so weiter immer noch prunkige Rituale in kleinem Kreis statt. Doch die erinnern in ihrer Abgeschiedenheit und ihrem Taumel zwischen exhibitionistischer Eventsehnsucht und elitärem Alleinstellungsgehabe eher an den hysterischen venezianischen Pest-Carnival denn an ein Volksfest der Zivilgesellschaft. Modisches amerikanisch-italienisches Kreativ-Wirtschafts-Verständnis regiert hierzulande inzwischen.
Den alten Kunstprotagonisten fallen nur noch die primitivsten Maßstäbe ein. So bricht über jede kleine Etatzusage, über jede noch so wackelige Etaterhöhung kritikloser Jubel aus.
Neunzehn Millionen Euro mehr soll unser geschätzter Kultur-Staatsminister im nächsten Jahr bekommen. Eitel Freude unter den mutmaßlichen Nutznießern, die das Fell des Bären schon mal vor dem Fang verteilen: Die im Vergleich zu anderen „Investitionen“ wahrhaft popeligen 19 Mille werden schon durch die zu erwartende Teuerungsrate mehr als aufgezehrt – und ihre Zuteilung bleibt höchst ungewiss: Denn darüber entscheidet der „neue“ Bundestag im diesjährigen deutschen Winter.
Hundert Millionen aus dem Konjunkturpaket? Eine riskante Rechenakrobatik des deutschen Kunst-Staatsministers: Euro-Asche für die Bauwirtschaft in Sachen Althaus-Restaurierung. Ebenso Unberechenbares gilt für Annette Schavans zwölf oder vierzehn auf fünf Jahre gestreckte Bildungs- und Forschungs-Milliärdchen – ein Klacks im Vergleich zur gesamtgesellschaftlich abzuführenden Bankenrettungssumme. Das Volk bleibt besser blöd. 25 Prozent Mehrwertsteuer? Oder kosmetische „Absenkung“ derselben auf 18 Prozent bei Angleichung der sozial-kulturell reduzierten? Was solls. Volksvertreter-Auskünfte erst nach der Wahl.
Wie emotional-materialistische, systemrelevante Musikwirtschaft – beispielhaft fürs Große und Ganze – heutzutage Cash-Flow steuert, lernen wir mal wieder vom Übersee-Übervater. Unsere spröde Kanzlerin schmust mit dem Super-Charming-Obama-Boy im Washingtoner Rosengarten und niemand guckt hin, weil die Super-Barbie-Puppe der internationalen Kreativ-Wirtschaft namens Michael Jackson angeblich grade ihr Leben ausgehaucht hat. Was für ein Coup. Zehn Jackson-Alben unter den Top-Amazon-Ten am vermeintlichen Todestag.
Da ist doch mehr Musik drin als in den geplanten fünfzig Jackson-Universal-Sanierungs-Konzerten mit ungewissem Ausgang. Dass Michael jetzt auf einer vorgelagerten hawaianischen Insel – nach einer weiteren Schönheitsoperation – unerkannt seine verdiente Ruhe findet, ist von den Reingewinn-Konstrukteuren doch längst schlau einkalkuliert. Der erste nächste Auftritt auch: Bei der Popkomm 2010 in Köln. Die Auferstehungs-Rede hält der Staatsminister für Kultur im Bundeskanzlerinnenamt. The Show must go on.