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Eisschnecke, jugendlich. Foto: Hufner
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Kurz-Schluss – Wie ich einmal vergebens versuchte, das Erscheinungsbild unserer Politiker zu verschönern

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[Vorab aus der der Politik&Kultur 2/2014]: Das interne Hauptproblem unserer feinen Republik ist wohl bekannt: Politikverdrossenheit, Nichtwähler-Wachstum, Abwanderung der Stimmberechtigten an linke oder rechte Ränder. Unmittelbar nach der Bundestagswahl – die Koalitionsverhandlungen waren ja nur noch ein reiner Show-Kampf – bildeten marketingaffine Vertreterinnen und Vertreter der GroKo die Arbeitsgruppe »Sympathiegewinn samt Glaubwürdigkeitszuwachs«. Als alten Fuchs im Fach Täuschen und Blenden – Abverkauf des Unverkäuflichen, hatte man mich – wohl dank des Zuspruches meines langjährigen Protektors Wolfgang Schäuble zusammen mit Karl-Theodor zu Guttenberg in dieses hochvertrauliche Gremium als Berater geladen.

Zu höchster Geheimhaltung verpflichtet, zog man auf meinen Rat noch die Personality-Politur-Profis von »Image-Plus« aus Grunzbrunn im Hunsrück hinzu. Sie hatten sich seinerzeit dank der gelungenen Kampagne für Kanzlerkandidat Rudolf Scharping qualifiziert: Uns allen sind doch noch die charmanten Pool-Bilder samt Blondie und Küsschen höchst anrührend in Erinnerung.

An Ursachenforschung für den Bürger-Unmut gab es – weil rückwärtsgewandt – verständlicherweise keinerlei Interesse. Vielmehr begab man sich sofort auf die Suche nach dem Positiven, nach Vorbildern, nach Leuchttürmen. Und da hieß es für mich schon mal, das Schlimmste zu verhindern. Ausgerechnet Andrea Nahles (SPD), ansonsten so kulturnah wie ein Benzinkanister, wollte die Musikbranche im Stil von »DSDS«, »Young Voices« oder »European-Song-Contest« zum BRD-Marketing-Leitbild erheben. Im Rahmen aufwendiger kosmetischer Korrekturen sei sie gar bereit, sich zum Double der Ikone des klanglichen Gelsenkirchener Neobarocks namens Helene Fischer umoperieren zu lassen.

Es war Norbert Lammert (CDU), der ihr, nach einem Tritt von mir unterm Tisch wieder erwacht, grob den Wortschwall abschnitt. Allerdings fabrizierte er mit seinem Vorschlag, Wolfgang Rihm zum moralischen deutschen Idol aufzubauen, aber auch eine Bauchlandung, obwohl Peter Altmaier sich spontan als geeignete Co-Identifikationsfigur anbot. Als Karl-Theodor zu Guttenberg dann noch den parlamentarischen Dieter Bohlen geben wollte, fegte Angela Merkel (ich hatte ihr eine SMS geschickt) in überraschender Entschlossenheit das komplette Musikthema vom Tisch, erntete aber mit ihrem Hinweis auf die Erfolge der deutschen Kernphysik dank Werner Heisenberg und Kurt Diebner auch kaum Beifall.

Von mir gründlich gebrieft, erfolgte endlich der Auftritt des frischgebackenen »Image-Plus«-Geschäftsführers Christian Wulff. »Es gibt nur eine gesellschaftlich anerkannte Volksbewegung« – so Wulff mit seiner sonoren, alle Aufmerksamkeit fokussierenden Stimme – »und das ist der Sport. Bester Beweis: Von Putin lernen, heißt Siegen lernen«. Man könne sich den übelsten kryptodiktatorischen Regierungsstil leisten – aber: Kaum gelingt es, Olympische Spiele ins Land zu holen, schon stiegen die Sympathie-Werte. Alles freue sich auf den fairen Wettkampf der Athleten und die damit verbundenen kollateralen Einnahmen. Das zeige sich auch bei der Vergabe der Fußball-WM an Katar, zeitlich leider noch etwas entfernt liegend. Die mausgrauen alltäglichen Widerwärtigkeiten von Innen- und Außenpolitik träten im Bewusstsein der Bevölkerung angesichts des heroischen Ringens um Medaillen und Titel völlig in den Hintergrund. Nun gelte es, den bekannten Mangel an gesellschaftlichem Glamour, an heroischer Präsenz unserer Volksvertreter durch ein Maximum an Identifikation mit Sportlern, fast egal welcher Nationalität zu kompensieren. Nur begrenzt hilfreich seien verbale Testimonials. Fotos oder You-Tube-Filmchen, die man ja auch bearbeiten könne, brächten viel mehr  Nähe zum Volk.

Im Konferenzraum des Kanzleramtes hätte man eine Wimper zu Boden fallen hören. Jetzt kam, wie abgesprochen – mein pragmatischer Auftritt: Ich konnte mitteilen, dass die Rollen schon so gut wie verteilt seien. Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier eigneten sich bestens als Anschieber des um vierzig Zentimeter verbreiterten Bobs »Bahamas 2«. Es strahlen auf: die Tugenden Hilfsbereitschaft und Kraft zur Inklusion, verbunden mit unerwarteter Bescheidenheit. Thomas de Maiziére sei der geborene Ski-Flieger. Sein körperliches Risiko könne er ja durch den Einsatz einer ihm nachempfundenen Drohne senken. Ursula von der Leyen ist klar erkennbar schon fürs Eis geboren. Ihre verbalen Pirouetten brächten prima Haltungsnoten. Und die Kanzlerin – mit ihren Vorkenntnissen im Schießen während der Jugend-Pionierzeit und dank ihrer beweglichen, dynamischen Hüften – gäbe die ideale Biathletin. Also: Auf nach Sotschi.

Da klingelte das Mobiltelefon des immer noch geschäftsführenden Innenministers Hans-Peter Friedrich. »Wer ist da? BKA? Ziercke persönlich?«

Und dann folgte ein Wortschwall, der meine bis dato gut dotierte Karriere als Polit-Imageberater erst mal grausam stoppte …

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