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Kurz-Schluss: Wie ich einmal versuchte, deutsche Kultur in die Wertschöpfungskette zu hieven

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Da schafft man als hochprofessioneller Nachrichten-Manipulateur und Desinformations-Meister die besten Voraussetzungen für eine Euro-Rettung (siehe puk 5/11) – und was ist der Dank? Die Versetzung in den gesellschaftlich betrachtet bedeutungslosesten Ekelwinkel der Republik, ins deutsche Kulturleben. Auch noch mit der Maßgabe aus der Chefetage, diesen Augiasstall, diesen Tummelplatz eitler Nichtsnutze und ökonomisch irrelevanter Opportunisten und schier psychotischer Individualisten aufzuräumen und in eine rentable Wertschöpfungskette einzugliedern. Bin ich Herkules?

Die erste Bestandsaufnahme: Ein Horrortrip. Totale Marketing- mpotenz. Mit uncoolen Claims wie „Ohne Musik keine Bildung“ (kann man auch umdrehen – und nie war sie so wertvoll wie heute) oder „Kultur gut stärken“ (wo ist die nächste Mucki-Bude?) versucht eine wählerstimmenmäßig gar nicht so unbedeutende Randgruppe krampfhaft auf sich aufmerksam zu machen. Das nennt sich dann die Vertretung der Kreativen! Nein, so nicht. Kein Wunder, dass sich die wirklichen Künstler dieser effektlosen Funktionärshuberei entziehen. Denkt man an echt erfolgreiche PR-Initiativen („Geiz ist geil“ von Charlotte Roche, „Ich bin doch nicht blöd“, Günther Grass – oder den genialen Schöfferhofer- Weizen-Bauchnabel-Film von Wim Wenders) dann weiß man, wo man das brauchbare Kulturschöpfungs-Humankapital zu suchen hat.

Dazu ist allerdings eine solide materielle Basis nötig – denn Genies sind eben nun mal nicht blöd. Für einen Spitzen-Netzwerker wie mich das geringste Problem: Ich rufe meinen alten Mitkämpfer im Geiste Milton Friedmans – den tollen alten Spekulations-Akrobaten Josef Ackermann an und ködere ihn mit folgendem Projekt: In einem längst fälligen 3-D-Remake von „ET“ (Regie: Chuck Norris, Assistenz und deutsche Bearbeitung: Volker Schlöndorff ) ist der bezaubernde und herzerwärmende Außerirdische ein Avatar des Noch-Deutsche-Bank-Chefs. Zum Happy-End geht’s aber dann nicht ab in ein Raumschiff (auch diese Variante hätte sich der scheidende Josef unter glucksendem Gelächter vorstellen können). ielmehr endet das Ganze in einem Himalayagroßen strahlenden Gral des Kapitals, in dem sich der rührend übermenschliche Breitmaul-Alien nach einem Kuss von Lady Gaga in – (Sie haben es erraten, verraten es aber bitte nicht weiter) Josef Ackermann verwandelt. Was für ein Denkmal, was für ein Sympathietool.

Schwupps, zwanzig Milliarden für die wirkliche Kultur, die fiskalisch über ohnehin nötige Griechenland-Abschreibungen verrechnet werden – und deshalb nicht sonderlich bilanzrelevant sind. Eine erste Tranche investiere ich sofort in die Heilung des gestörten Verhältnisses zwischen Finanzinstituten und Politik – natürlich im Dienste der Kultur. Gewissermaßen als „Schuhlöffel“-Protagonisten gucke ich mir listig den leicht mautbeschädigten Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) aus. Während eines Bundeswehrfluges zu seiner Jagdhütte am tansanischen Lake Manyara überzeuge ich den begeisterten Klavierspieler fast schwerelos im Rahmen einer geschickten Umweg-Finanzierung zu maximalem kulturellem Engagement: Ich brauche nur kurz anzudeuten, dass so manche deutsche Politiker-Karriere dank soliden Autobahn-Ausbaues schier kometenhaften Aufschwung genommen hat – schon hab ich Ramsauer an meiner Seite.
Gegen unauffällige Zahlung von acht Milliarden, die eine imageramponierende Einführung der PKW-Maut kurzfristig überflüssig machen, setzt er sich an den Flügel und spielt zusammen mit dem Orchester der Deutschen Oper Berlin sedierende Klassik ein. Titel der CD: „Adagio im Auto“. Dabei handelt es sich – so die musikalisch-moralische PR-Strategie – um eine Verkehrssicherheitsaktion mit „künstlerischen Mitteln“: Die CD enthält ausschließlich langsame Mittelsätze aus Mozarts Klavierkonzerten und folgt damit Untersuchungen, die ruhige, klassische Musik mit einer entspannteren Fahrweise und somit einer verbesserten Sicherheit im Straßenverkehr in Zusammenhang stellen. Taff was? Und der Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI e.V. zusammen mit seinen Projektpartnern KRAVAG, BGL und SVG sitzt hiermit auch schon in unserem flott Fahrt aufnehmenden Kulturverwertungs-Dampfer.

Um die Bildenden Künstler nützlich einzubinden, hab ich Ramsauer noch einen für deren Verhältnisse bestens dotierten Verschönerungs- und Neugestaltungs-Wettbewerb in Sachen Mautbrücken abgeschwatzt. Diese phantasielosen Industriebauteile können wirklich ein wenig Farbe vertragen. Der Contest wird regional – also flächendeckend – ausgeschrieben und wirkt prima düngend nach dem Gießkannen-Prinzip, schafft erstmal dem Brummi-Fahrer ein warmes, kulturhaltiges Bauchgefühl. Im Gegenzug soll ich für die endgültige Privatisierung der Rundfunkanstalten des Öffentlichen Rechtes sorgen. Da liegt ein enormes Sparpotenzial. Dank einer Generalamnestie für all ihre Mitarbeiter habe ich die frischgebackene Intendantin des Mitteldeutschen Rundfunks, Karola Wille, schon überzeugt. Wenn all das keine Herkules-Leistung ist…

Aus: politik und kultur 6/2011

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