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Mit Mozartkugel-Mutterwitz serviert: zum Jubiläumskonzert der Edition Zeitgenössische Musik in Bonn

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„Eine Basisdiskothek zeitgenössischen Komponierens.“ Ein treffendes Wort für eine Erfindung, womit Deutscher Musikrat und Label Schott-WERGO 1986 an die Öffentlichkeit gegangen sind: Jahr für Jahr benennt ein prominent besetzter Projektbeirat vier Jungkomponistinnen und -komponisten („jung“ meint: nicht älter als 40), um ihrem Schaffen einen Platz am (Katzen)Tisch des Musikmarkts zu sichern: „Edition zeitgenössische Musik“ (EZM) heißt diese schöne Künstlerförderungs-Idee, deren jüngste Realisierung – Porträt-CD Gordon Kampe – als Nummer 79 firmiert.

Dass sich Ausgangslage und Geschäftsklima für junge Komponistinnen und Komponisten in fünfundzwanzig Jahren nicht wesentlich geändert, wenn nicht sogar verschärft haben – dafür ist ein jüngerer Vermarktungskunstgriff, gewissermaßen die promotion zur promotion, der beste Indikator. Seit 2005 hat man sogenannte „Klingt gut“-Konzerte (der Name nach einem Werktitel von Carola Bauckholt) aus der Taufe gehoben: Ein Moderator, bekannt aus Film, Funk, Fernsehen stiftet die verbindenden Worte zwischen den Programmbestandteilen. „Wir bieten damit entspannte, gerne auch unterhaltsame Annäherungen an die zeitgenössische Musik – wenn man so will für jedermann“.

Geht es nach EZM-Projektleiter Olaf Wegener soll der angenommenen tieferen Bedeutung der zeitgenössischen Musik mit Scherz und Ironie vorgearbeitet werden. Zum 25-Jahr-Jubiläum hatte man sich (TV, das geheime Leitmedium des Musikrats?) etwas ganz Spezielles ausgedacht. Bühne frei für – so die Bewerbung des Veranstalters – ein „echtes Urgestein der Fernsehunterhaltung“! Besagtes Gestein hörte heuer auf den Namen Feuerstein, Herbert. „Witzig“, „locker“ sollte es mit ihm und der gewohnt kompetenten Ausführungshilfe der musikFabrik zugehen im Forum der Bundeskunsthalle.

Indes machte der Auftritt des sympathischen Musikfreundes zwei Dinge deutlich: Mit seiner Bühnenpräsenz und seinem Salzburger Mozartkugel-Mutterwitz hat Feuerstein erstens tatsächlich alles beisammen, was man braucht, um ein schwieriges, tendenziell unverkäufliches Produkt am Markt zu platzieren, um es einem bestenfalls neugierigem Publikum schmackhaft zu machen. Zweitens wurde ebenso schnell klar: Auch Feuerstein kocht wie sämtliche seiner Kollegen, angefangen bei Konrad Beikircher beim Eröffnungs-Klingt-Gut-Konzert 2005, mit Moderations-Vermittlungs-Wasser. Trotz schöner Lacherfolge hatte (auch) Feuerstein seine liebe Not, jenseits der immer leicht abrufbaren Witzecke, die Substanz einer Musik (Odeh-Tamini, Poppe, Rihm, Schneller) in Worte zu fassen, die von Klassizität einstweilen nur träumen kann.

Ein altes Problem. Eins, das bleiben wird. Nur gut, dass auch die Anstrengungen anhalten, einer Kunstform zu einer angemessenen Öffentlichkeit zu verhelfen, die allein auf sich gestellt, vor dieser Aufgabe kapitulieren müsste. Komponisten, Komponistinnen, die es in den Kreis der Geförderten geschafft haben, berichten jedenfalls übereinstimmend von den Vorteilen, in einer solchen „Basisdiskothek“ vertreten zu sein. Das Gehört-gesehen-gesendet-werden will dann nämlich schon leichter angehen. Zumal besagte Visitenkarten auf Tonträger in den meisten Fällen ohnehin als Koproduktionen mit Anstalten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zur Welt kommen. Im Fall der jüngsten Porträt-CD Gordon Kampe hat sich mit radio bremen, SWR und Deutschlandfunk sogar ein kompetentes, der aktuellen Kunst zugewandtes Trio zusammengetan, um dieser jüngsten Ausgabe der Basisdiskothek zeitgenössischen Komponierens auf die Füße zu helfen. Soweit, so gut. Doch der wichtigste Satz dieser Edition, kleingedruckt steht er unter der Liste der bald 80 Tonsetzer, kann leicht überlesen werden: „to be continued“, „wird fortgesetzt“. Ist doch was.

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