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Blick ins Schmuckkästchen Kammermusiksaal „Piano Nobile“: Foto: T. Hoppe
Blick ins Schmuckkästchen Kammermusiksaal „Piano Nobile“: Foto: T. Hoppe
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Neue Perspektiven für Berliner Kammermusikfreunde

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Porträt des neuen Kammermusiksaals „Piano Nobile“ in Berlin Karlshorst
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„Das Dahlem des Ostens“ wird Karlshorst gerne mal genannt. Mit diesem Beinamen, der auf ein Westberliner Villenviertel Bezug nimmt, verweist man auf die schönen Altbauhäuser in dem Stadtteil, in dem viele wohlhabende und kunstaffine Menschen leben. Es gibt auch einige Kulturinstitutionen in Karlshorst, etwa das Kulturhaus mit dem beliebten Jazztreff. Was allerdings fehlte, war ein schöner Kammermusiksaal mit guter Akustik.

Seit Herbst letzten Jahres ist diese Lücke geschlossen, denn im September 2021 eröffnete Thomas Hoppe im Herzen des Kiezes „Piano Nobile“: eine denkmalgeschützte Konzertstätte für Solisten und kleinere Ensembles, zugelassen für bis zu 90 Gäste. Das 1901 erbaute Haus, in dem sich der Saal befindet, hat eine besondere Geschichte. Zunächst diente es einem Verein von Zementfabrikanten als Labor. Hier wurde geforscht und geworben zugleich. Anhand der komplett aus Beton gestalteten Fassade des Musterhauses wollte man zeigen, was sich daraus alles fertigen lässt. Später, zu DDR-Zeiten, wurden in dem repräsentativen Gebäude verschiedene politische Gremien und Botschaften untergebracht, so befand sich dort von 1972 bis 1984 die algerische Botschaft. 1994 zog das Bundesarchiv mit Archiv-Beständen der Parteien und Massenorganisationen der DDR in die Dönhoffstraße ein, und seit 2002 ist das Haus in Privatbesitz. Der Saalgründer Thomas Hoppe ist ein gefragter Kammermusik-Pianist und Professor an der Folkwang-Universität Essen. Er studierte beim Serkin-Schüler Lee Luvisi an der Juilliard School, tritt weltweit mit dem Atos-Trio auf und war lange Jahre Studiopianist für Dorothy DeLay und Itzhak Perlman. Seit 20 Jahren lebt er mit seiner Familie in Berlin und war schon seit längerer Zeit auf der Suche nach einem Raum, der sich nicht nur zum Üben und Proben eignet, sondern auch zum Konzertieren. Die Sache gestaltete sich schwierig: Der eine Saal hatte keine gute Akustik, der andere kein schönes Ambiente, immer fehlte es an etwas.

Über ein Immobilienportal im Internet stieß er schließlich auf das Haus in der Dönhoffstraße 39. „Ich habe sogleich ein Projektpapier geschrieben und mich für den Raum beworben“, erzählt Hoppe. „Der Besitzer war von der Idee begeistert, so habe ich ihn bekommen.“ Dann musste ein Flügel organisiert werden, Lampen und Vorhänge wurden angeschafft, Stühle gekauft. „Wir hatten überhaupt keine Erfahrung mit all diesen Sachen“, fährt Hoppe fort, „denn ich bin Musiker und meine Frau Hausfrau und Mutter. Somit ist es ein echtes Abenteuer, aber wir lernen jeden Tag dazu. Und es macht unheimlich Spaß.“

Viele Musiker, die regelmäßig in großen Sälen auftreten, haben das Problem, dass sie keinen geeigneten Raum finden, wo sie ein neues Konzertprogramm schon mal im kleineren Rahmen testen können. „Ein Profipianist in Berlin hatte bisher nur zwei Möglichkeiten“, erklärt Hoppe. „Entweder spielte er bei meinem geschätzten Kollegen Christoph Schreiber im Pianosalon Christophori, oder er gab bei netten Menschen ein Hauskonzert auf einem problematischen Flügel in einem Raum mit schlechter Akustik.“ Für solche Vorkonzerte sei der Piano-Nobile-Saal ideal. Zwar bekommen die Musiker dafür keine Gage, allerdings haben sie auch keine Unkosten; denn Thomas Hoppe erhebt keine Miete, die in manchen anderen Sälen locker mal 800 bis 1.000 Euro betragen kann. Bei der Werbung für die Veranstaltungen mischen alle mit: „Für die Konzerte machen sowohl die Musiker als auch wir Veranstalter Werbung“, erklärt Hoppe, „wir hoffen, dass dadurch so viele zahlende Gäste kommen, dass wir von den Eintrittsgeldern wenigstens einen Teil der Miete bezahlen können.“

Aufgrund seiner internationalen Künstlerkontakte gelingt es ihm, erstklassige und renommierte Interpreten in den schönen Saal mit den holzgetäfelten Wänden und den roten Vorhängen zu holen. So gestaltete er etwa das Eröffnungskonzert mit der Star-Bratschistin Tabea Zimmermann. Und im Januar dieses Jahres gab der ehemalige Konzertmeister der Wiener Philharmoniker Fedor Rudin einen grandiosen Duoabend mit dem Pianisten Boris Kusnezow. Doch Hoppe möchte nicht nur prominente Musiker im Saal auftreten lassen, auch Studenten und Nachwuchskünstler sollen dort spielen, um Auftrittserfahrung zu sammeln. Und Piano Nobile ist auch nicht nur der Klassik vorbehalten, Jazzkonzerte finden dort ebenfalls statt.

Überhaupt denken Thomas Hoppe und seine Frau, die bei der Organisation der Veranstaltungen ebenso mithilft wie die Kinder, nicht elitär. Wer zu ihnen ins Konzert kommt, der hat eher das Gefühl, bei guten Freunden zu sein, als an einem öffentlichen Veranstaltungsort. Schnell ist man per du miteinander, und in der Pause oder nach dem Konzert begibt man sich in den Nebenraum mit der Bar und bekommt ein gutes Glas Wein, das sogar im Eintrittspreis mit inbegriffen ist. Oft ergeben sich dort auch Gespräche mit den Musikern, die im Barzimmer mangels Garderobe ihre Instrumentenkästen stehen haben.

Im Augenblick sind die Konzerte allerdings nur in seltenen Fällen wirklich ausgelastet. Erstens hat sich die Exis­tenz des Saales noch nicht in den musikinteressierten Berliner Milieus herumgesprochen, zweitens trauten sich aufgrund der Corona-Situation viele Leute nicht, die Veranstaltungen zu besuchen. Thomas Hoppe ist jedoch guten Mutes, dass sich die Situation bessert: „Ich bin mir sicher, dass wir bis Ende nächsten Jahres das Ding zum Laufen kriegen“, sagt er voller Optimismus. Wir wünschen es ihm.

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