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Ekstase-Athleten: das „Spanisch Harlem Orchestra“. Foto: Promo
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Non-Stop-Party: „Spanish Harlem Orchestra“ und Roy Ayers beim Münchner Jazz Sommer

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Ein lateinamerikanisches Tanzfest im Festsaal und eine House-Party im Nightclub: Nachdem der Jazzsommer im Bayerischen Hof mit enttäuschenden Konzerten von David Sanborn und Ronnie Baker Brooks im Mittelteil etwas zweitklassig vor sich hingedümpelt war, fand er zum Abschluss wieder die Weltklasse, die zum Auftakt Larry Coryell mit seinem Gitarre-meets-Orgel-Jazz vorgelegt hatte.

Oscar Hernández und das von ihm geleitete „Spanish Harlem Orchestra“ präsentierten sich als eine wahrhaft fantastische Latin-Band, die den Sound der New Yorker Salsa so perfekt und original wie niemand sonst wiederbelebt: Drei Sänger, eine fünfköpfige Rhythmusgruppe und ein Bläsersatz, die beim Spiel so ineinander verschmelzen, als geböte der Bandleader vom Klavier aus nicht über 13 Musiker, sondern über ein Wesen mit dem Körperbau eines Athleten, das sich im Clave-Rhythmus der Ekstase hingibt.

Neben den blitzartigen Einsätzen der Bläser - zwei solistisch glänzende Trompeter, zwei Posaunisten und zur Grundierung die fülligen Riffs aus dem Baritonsax von Mitch Frohman – sind es vor allem die Rhythmusgruppe und die drei Sänger, die das „Spanish Harlem Orchestra“ zur vielleicht besten afro-kubanischen Tanz-Band machen. Wann immer die rhythmische Intensität ihren Höhepunkt scheinbar erreicht hat, setzten die Perkussionisten Luisito Quintero, George Delgado und Jorge Gonzalez noch einen weiteren drauf – mit einem akrobatischen Break, einem Solo oder einem Rhythmuswechsel, der sich durch die restliche Band wie eine einzige Bewegung zog.

Ganz gleich ob Tanzprofi oder Zuhörer, der mit den Beinen nur schüchtern etwas über den Boden schlurft – das „Spanish Harlem Orchestra“ zwingt zur Bewegung, weil es selbst ständig in Bewegung bleibt. Das gilt auch für die drei Sänger, die wie Pfauen vor der Band hin und her tänzelten: In der Mitte Ray De La Paz, flankiert von Marco Bermudez und dem fülligen, dabei aber motorisch wie stimmlich agilsten der drei, Willie Torres. Ständig wechseln die Rollen in diesem Flechtwerk aus Stimmen: Mal ist der eine Leadsänger, dann plötzlich der andere, während die beiden anderen den Lead-Sänger mit Frage-und-Antwort-Patterns umgarnen. Bei alldem bleibt auch noch Zeit für den Kontakt zum Publikum: Wer besonders gut und hingebungsvoll tanzte und auch noch Frau war, bekam von Ray De La Paz einen leidenschaftlichen Luftkuss zugeworfen.

Abgetanzt wurde auch bei Roy Ayers im Nightclub, auch wenn es ein wenig dauerte bis einem der Auftritt des Vibraphonisten und Soul-Crooners mit der ulkigen Mütze – halb Kopfkissen halb Ethno-Turban - so richtig in die Beine fuhr. Schuld daran war ein in die Länge gezogenes „Night in Tunisia“, bei dem sich unnötigerweise gleich zum Konzertauftakt die gesamte Band in überlangen Soli vorstellte – ein dramaturgischer Fehler, der sich mit einem weiteren Instrumental nach der Pause leider wiederholte. Einen solchen Leistungsnachweis in Sachen Jazzkompetenz hat Roy Ayers ohnehin nicht nötig: Sein Jazzfunk und Disco-Clubklassiker wie „Runnin’ Away“ oder „Can’t You See Me“ verraten mit jedem abgedrehten Break, dass der Erfinder des Acid Jazz sein Handwerk im Be Bop, Hard Bop und modalen Jazz der 1960e- Jahre gelernt hat.

Insgesamt war die Acid Jazz-Legende bei ihrem dritten Auftritt im „Bayerischen Hof“ nämlich in gutgelaunter Bestform, was auch der neuen Besetzung zu verdanken war: Das Fehlen von Tony Smith fiel angenehm auf, weil sich seine Rock-Gitarren-Soli bei den letzten Konzerten nie in den Roy Ayers-Gesamtsound eingefügt hatten. Auch rhythmisch fehlte es an Nichts, weil für die zirkulierende, loop-artig pulsierende Musik von Ayers gleißend blendende, über den Dancefloor rollende Keyboardsounds wesentlich wichtiger sind als endlose, völlig unjazzige Gitarrensoli.

Hauptsolist war neben Roy Ayers dessen Banddrillmeister Raeford Gaskins, bei dem der Begriff des Multiinstrumentalisten eine ganz neue Bedeutung bekommt: In der linken Hand das Saxophon, während die rechte in die Keyboards greift – kein Problem für Gaskins, der ein Alt- und Sopransaxophon so soulful wie einst Hank Crawford bei Ray Charles bläst und als Sänger genauso den Soul-Shouter wie den sanften Crooner geben kann.

Überhaupt klangen die Vocals bei Roy Ayers live noch nie so dicht wie an diesem Abend, weil neben Roy Ayers und Gaskins auch John Pressley die minimalistischen Texte von Songs wie „Searchin’“ oder „Everybody Loves The Sunshine“ ins Mikro hauchte. Am Ende war es Pressley als rappender Party-MC, der den packenden Abend mit einem Zungenbrecher treffend zusammen fasste: „There ain’t no party like a Roy Ayers party, `cause a Roy Ayers party don’t stop.“

Die nächsten Roy Ayers-Konzerte:
16. 7. 2009, Köln (Altes Pfandhaus)
17. 7. 2009, Berlin (Lido)

 

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