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Der Bratscher Klaus-Peter Werani im BR-Studio anlässlich der 148. Ausgabe des Musikmagazins „taktlos“. Foto: Martin Hufner
Der Bratscher Klaus-Peter Werani im BR-Studio anlässlich der 148. Ausgabe des Musikmagazins „taktlos“. Foto: Martin Hufner
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Stadtprofile für Viola solo: Klaus-Peter Werani eröffnete mit „viola leipzig münchen“ die neue Münchner Reihe „mittwochs plus“

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Mit „viola leipzig münchen“ eröffnete der vielseitige Bratscher Klaus-Peter Werani – Mitglied des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks – die Veranstaltungsreihe mittwochs plus, die sich einem ungewöhnlichen Thema mit zeitgenössischer Musik und Literatur nähert. Thematisiert werden künstlerische Porträts von Leipzig und München, von zwei Städten also, die sich in jüngster Zeit vor geradezu konträren Hintergründen entwickelt haben.

Kunstbahnsteig-Leiter und unermüdlicher Veranstalter Karl Wallowsky hatte dieses Thema der Kontroversen fürs MUG im Einstein (München) ersonnen. Mit Werken der Komponisten Friedrich Schenker, Dimitri Terzakis und Claus-Steffen Mahnkopf stellte Werani Leipzig der Münchner Musik von Samy Moussa und Tom Sora gegenüber.

Aus Münchner Sicht galt es hier wohl, viel Unwissen über Leipzig auszuräumen. Vor allem, was die DDR-Zeit betrifft. Werani – selbst auch Musikwissenschaftler – tat es mit kurzen Einführungen. In Sachen zeitgenössische Musik hatte die Stadt offenbar weit mehr zu bieten, als in die Öffentlichkeit gedrungen war.

Der Posaunist und Komponist Friedrich Schenker (*1942) hatte dort zusammen mit dem Oboisten Burkhard Glaetzner und weiteren Musikern aus dem Rundfunk-Sinfonieorchester und dem Gewandhausorchester Leipzig die Gruppe Neue Musik Hanns Eisler gegründet. Das Repertoire hielt sich mitnichten an den Eisernen Vorhang. Große Komponisten und junge Nachwuchstalente wurden gespielt, bedeutende Werke kamen zur Uraufführung, so etwa von Wolfgang Rihm oder Iannis Xenakis.

Schenkers „Portrait E.K.“, eine Hommage an den großen Musikwissenschaftler der DDR, Eberhardt Klemm, dessen Dissertation aufgrund seiner politischen Haltung abgewiesen wurde, von Werani in zwei Versionen ausgeführt, ließ den Geist der Leipziger Avantgarde an der Wende von 1989 spüren. Eine mutige, vielfältige Spieltechniken nutzende, kraftvolle Komposition, die in der freien Art, sich im weiten Tonraum zu bewegen, den Posaunisten verriet.

Dass Claus-Steffen Mahnkopf (*1962) laut Werani nichts von der alten und neuen Szene für Neue Musik in Leipzig weiß, wies hier damit auf ein grundsätzliche Problem hin: Das häufige Nischendasein der zeitgenössischen Musik, die abseits des beachteten Konzertbetriebs um ihre Existenzberechtigung kämpfen muss. Als Komponist, Musikwissenschaftler, Pianist, Philosoph und Soziologe bewegt sich Mahnkopf aber ohnehin häufig auch im theoretischen Fach, das offenbar fernab der lebendigen Musikszene stattfindet. In Fortsetzung der Gedanken von Adorno schrieb er beispielsweise eine „Kritische Theorie der Musik“. Seine hochkomplexe Notation verrät in seinen Kompositionen einen systemisch denkenden Tonkünstler, dessen „MEMOR SUM“ – ebenfalls von 1989 – auf klares Anspielen der Töne gänzlich verzichtet. Werani zog seine Tonspuren konsequent durch die leisesten Bereiche. Keine Erinnerung an Jubeltöne war hier zu vernehmen, vielmehr ein verhaltenes, banges Klagen, beherrscht von improvisatorischer Inspiration.

In gewisser Weise ist dies auch die Atmosphäre von „Solo für Tanja“ (2003) von Dmitri Terzakis (*1938). Doch die rührt bei dem emeritierten Kompositionsprofessor aus Athen aus dessen heimatlicher Folklore. Die byzantinische Herkunft machte sich orientalisierend bemerkbar. Lyrisch mäandernde Melodielinien, tänzerische Rhythmen, melancholische Gesänge und schließlich ein rasantes Perpetuum mobile kennzeichneten die kraftvolle Komposition.

Auch die beiden „Münchner“ Komponisten stammen nicht aus München, wenn sie auch dort ihre musikalische Heimat gefunden haben. Der Kanadier Samy Moussa, der momentan in Paris Station macht, hatte „Grids and Curve“ ursprünglich 2008 mit Klavierbegleitung geschrieben. Als „Grids and Curve II“ von 2011 begnügt sich das Werk mit der Bratschenstimme alleine, die von geräuschhafter Spielart bestimmt ist. Die unterschwellige Spannung, die aus dem Wechsel zwischen zartem und brachialem Duktus hervorging, verlieh dem Werk etwas mystisches, zumal es von Klaus-Peter Werani tiefgründig interpretiert wurde.

Die Uraufführung stammte vom Rumänen Tom Sora (*1956), der zusammen mit Werani nur wenige Tage vor dem Konzert an die Entwicklung dieses neuen Werkes für Viola solo herangegangen war. Die Zeit reichte für eine Keimzelle eines künftigen Stückes, für einen Nukleus, in dem ein mikrotonales Jauchzen jeweils entschieden beantwortet wird.

Eine gelungene Auftaktveranstaltung, die weit mehr Beachtung und ein größeres Podium verdient hätte.

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