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Volker Müller, Toningenieur im Studio für Elektronische Musik des WDR 1971–2001. Szenenfoto aus dem youtube-Trailer
Volker Müller, Toningenieur im Studio für Elektronische Musik des WDR 1971–2001. Szenenfoto aus dem youtube-Trailer
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Und jetzt bitte mit Drehbuch: der Kölner Dokumentarfilm „TonBandMaschine“ zur elektronischen Musik in Deutschland

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Köln, Filmforum NRW, im April. So was sieht man auch nicht alle Tage. Zwei-, dreihundert meist jugendliche Besucher stürmen den Vorführraum. Sicher, der Eintritt ist frei. Nur, was treibt jugendliche, via Internet und Facebook sozialisierte Menschen zu einem kunstmusikalischem Thema, das schon im Titel seine Herkunft aus dem letzten Jahrhundert zu erkennen gibt: „Tonbandmaschine – Elektronische Musik in Deutschland“?

Was folgt, gibt nicht unbedingt eine Antwort darauf. Trotz oder gerade wegen der ausladend einhundertzehn Minuten, die sich dieses „HD-Video“ für sein Thema Zeit nimmt. Womit nahezu Spielfilmlänge erreicht wäre. Nur, dass sich der rechte Spannungsbogen nicht einstellen will, der solches Aussitzen rechtfertigen würde. Die Bilder, die Einstellungen limitiert. Erst denkt man noch an bewusste Reduktion der Mittel – dieses sympathische Vermeiden hektischer Schnitte und Blenden, dieses eigentümliche Verharren auf den Gesichtern der vier Zeitzeugen, was irgendwie entfernt erinnert an die künstlerisch-statuarische Strenge eines Claude Lanzmann, eines Jean-Marie Straub. Eine Assoziation, die sich dann aber ebenso rasch verflüchtigt wie das Handwerklich-Technische des Themas das Künstlerische überdeckt, es nicht zu sich kommen lässt.

Was der Film erzählt, ist nämlich nicht (wie in der Ankündigung zu lesen) die „Geschichte der elektronischen Musik in Deutschland“, sondern eine Material-Vorstufe dazu. Mit Volker Müller, Folkmar Hein und André Richard kommen jene Tonmeister zu Wort, die seit den 60er Jahren im Kölner WDR Studio für Elektronische Musik, im Elektronischen Studio der TU Berlin sowie im Experimentalstudio des SWR in Freiburg gearbeitet, d.h. Komponisten bei ihren Produktionen assistiert haben. Ludger Brümmer vom Institut für Musik und Akustik des ZKM Karlsruhe steht hier bereits für die Überwindung dieses (technikhistorisch gesehen) antiquierten, auf verschiedene Personen aufgeteilten Modells von künstlerischer Konzeption einerseits, technischer Umsetzung andererseits.

„Tonbandmaschine“ erzählt die Geschichte einer Meister-Periode aus der Perspektive des Famulus. Von dort, von der Technik, mithin vom Schwanz wird das Pferd aufgezäunt. Was an Musik aus der wahrhaft ruhmreichen Werkgeschichte der elektronischen Musik zugespielt wird – stets vor einer pädagogisch-zeigefingerhebenden bilderlosen Leinwand – kommt über den Status der Illustration nicht hinaus. Was das jeweilige im Interview erwähnte Werk ausmacht, worin und inwiefern der Beitrag des Studios dazu besteht – all dies bleibt wie die Perspektive der Komponisten weitgehend außen vor. Doch erst dies würde ins Zentrum einer Geschichte der elektronischen Musik führen, die übrigens ja nicht nur „in Deutschland“ ihren Platz gehabt hat. Warum also diese nationale Engführung? Und warum das brave Dokumentieren noch der borniertesten Handwerker-Anekdoten? Wegen dem Lacherfolg im Publikum?

Sicher, Gags müssen sein, doch sollte die Geschichte der elektronischen Musik in erster Linie als Kunst-, nicht als Bastelgeschichte erzählt werden. Noch am ehesten ahnt man, welche Dimension dieses faszinierende Thema birgt, wenn der kompetenteste Akteur unter allen, wenn André Richard zu Protokoll gibt, wie er mit Luigi Nono zusammengearbeitet hat. Doch dann, als es endlich spannend zu werden verspricht, besinnt sich der Film auf sein Schema. Schnitt, nächstes Interview. Immer wieder einer dieser vier sympathischen Herren vor ihrem (bis auf Brümmer) ehemaligen Arbeitsplatz. Unbeirrt hält die Kamera drauf, spart sich ansonsten jeden Exkurs, was den manchmal doch sehr ausschweifenden Erzählfaden immerhin bebildert hätte.

Was auf die Frage führt, wo hier eigentlich die Regie geblieben ist? – Unbeantwortet wie die Frage bleibt, beleuchtet sie ein strukturelles Problem dieser Produktion als einer wohl mehr oder minder kollektiv angelegten Studentenarbeit, einer Kooperation aus „Studio für Elektronische Musik der Hochschule für Musik und Tanz Köln“ und „Kunsthochschule für Medien Köln“. Trotz der namentlich erwähnten künstlerischen Leiter Michael Beil und Elmar Fasshauer wird doch vor allem klar, dass hier im Ganzen zu viele Köche mitgerührt haben, was umgekehrt das starke Fan-Aufkommen zur Premiere erklären mag. – Schnitt. Folgender Vorschlag zur Güte: Material sichten, Drehbuch umschreiben, neuen Anlauf machen. Denn, soviel ist ja auch klar: Abgefrühstückt ist dieses Thema noch lange nicht.

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