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Weitgefächerte Konzeption: das Internationale Festival elektroakustischer Musik in Rom

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Vom 7. bis 17. Oktober erlebte das Internationale Festival elektroakustischer Musik (EMUfest) im Konzertsaal des Conservatorio di Musica S. Cecilia Rom und in Räumen der Università Tor Vergata seine 5. Auflage. Einem öffentlichen Call for Pieces folgend, reichten Komponisten und Medienkünstler aus der ganzen Welt über 300 Werke ein. In insgesamt 21 Konzerten gelangten über 100 Werke zur Aufführung.

Das EMUfest hat sich binnen kurzer Zeit zum größten Festival elektroakustischer Musik entwickelt. Es ist weniger die Anzahl der aufgeführten Werke, sondern mehr die weitgefächerte Konzeption, die das Festival so interessant macht. Der künstlerische Direktor Giorgio Nottoli programmierte Werke aus den zentralen Kategorien Akusmatik, Live-Elektronik, audiovisuelle Werke und Installationen.

Das Festival erinnerte an die Pioniere der Neuen Musik, so an John Cage, Dinu Ghezzo und feierte den 80. Geburtstag von Mario Bertoncini. Die Cartridge music (1960) von Cage erlebte eine spannende Aufführung durch F. Scalas, G. Silvi und L. Zaccone, wobei die verschiedensten Klangobjekte erst durch die elektrische Verstärkung (Kontaktmikros) hörbar oder stark verfremdet wurden.

Im Festival integriert ist der Kompositionswettbewerb Franco Evangelisti,
für Solo & Elektronik, ausgeschrieben und ausgetragen in Zusammenarbeit mit dem Ensemble Nuova Consonanza. Dieses Jahr war der Wettbewerb für Violine/ Viola ausgeschrieben. Preisträger 2012 ist der griechische Komponist Panayotis Kokoras für „Shatter Cone“ für Violine & Live-Elektronik.

Jedes Festival hat seine Höhepunkte, dazu zählten dieses Jahr zwei Werke für Klavier und Zuspiel: „Traiettoria ...... deviata. Dialoghi da Traiettoria“ (1982/84) von Marco Stroppa und „Piano nets“ (1991/92) von Denis Smalley. Basiert das erstgenannte Werk auf einer Research neuer pianistischer Ausdrucksmöglichkeiten (3 Pedale, Resonanz) und typisch figurativen Klaviertechniken, so sind es bei Smalley Akkordstrukturen, die ein Netzwerk bilden. So unterschiedlich die Konzeptionen dieser Werke sind, so eindringlich ist der Einsatz der Elektronik: Synthetisierte Attacken oder kolorierte Resonanzen (auch rückläufig) schaffen neue Klangfarben im Dialog zum Piano. Der Pianist Francesco Prode begeisterte das Publikum durch seine elektrisierende Spielweise.

Jean-Claude Rissets Komposition „Diptère“ (2002) für Altsaxophon und Live-Elektronik überzeugte durch die enge Verknüpfung in Struktur (rhythmische Pattern und Arpeggien) und Klangsynthese zwischen Instrument und elektronischem Partner – hervorragend gespielt von Enzo Filippetti.

Von großer Eindringlichkeit war die Komposition „Traiettoria tesa“ (2012) von Giorgio Nottoli, worin vielfältige Spielweisen der Flöte durch „real time processing“ (so der Komponist) koloriert und mehrkanalig im Raum wiedergegeben wurden, die Grenzen der Wahrnehmung auslotend, was dem Flötisten Gianni Trovalusci eindrucksvoll gelang.

Die akusmatische Komposition „Liberare la Terra dalla Immobilità Fissata“ (2011) von Francesco Galante basiert auf vielfältigen Ausdrucksformen der menschlichen Stimme. Es ist ein Werk mit starker Ausstrahlungskraft im Hinblick auf Gestaltung, Klangsynthese und der Raumwirkung.

Sound Environment und Shakuhachi-Klänge, die in Shinjuku Station Tokio mit entsprechenden Bildmaterialien vor Ort aufgenommen wurden, bilden das Ausgangsmaterial der audiovisuellen Komposition „A Tale of Wind“ der japanischen Komponistin Hiromi Ishii, die beide Medien mit Hilfe digitaler Bild/Klangsynthese in ein dramatisches Geschehen verwandelte.

In die Reihe ausgewählter Komponisten und Mediakünstler fügt sich eine Anzahl deutscher bzw. in Deutschland lebender Komponisten, deren Werke zur Aufführung gelangten und die hier genannt werden sollen: Andre Bartetzki, Bernd Schumann, Jan Jacob Hofmann, Clemens von Reusner und Claudia Robles Angel.

Das EMUfest bliebe unvollständig würde man nicht auf die Vielfalt der begleitenden Veranstaltungen hinweisen, darunter das EMUMeeting 2012 zur Zukunft der Elektroakustischen Musik, „Musik und Architektur“, eine Zusammenarbeit zwischen der Fakultät Architektur der wissenschaftlichen Universität und dem Conservatorio S.Cecilia, der Schwerpunkt elektroakustische Musik in Lateinamerika, Masterclasses über Raumklang und Visual Music, der Vortrag „Musik & Physik“ von Giuseppe Di Giugno und das Roundtable mit den Komponisten A. Carvallo, F. Galante, D. Smalley und M. Stroppa

Ein solches Festival hinterlässt Nachdenken über die Situation im eigenen Land. Warum gibt es bis heute kein vergleichbares Festival elektroakustischer Musik im Hinblick auf Konzeption und organisatorische Durchführung (öffentliche Ausschreibung)? Die etablierten Festivals (Donaueschingen/ Witten) werden von Rundfunkredakteuren (SWF/ WDR) bestimmt und hinterfragt werden muss in und wie weit diese der Entwicklung der Musik des 21. Jahrhunderts gerecht werden. Deutsche Komponisten elektroakustischer Musik müssen weiter auf den nächsten öffentlichen Call for Pieces warten und der kommt mit Sicherheit aus: Lissabon (Musica Viva), San Francisco (EM), Peking (MusicAcoustica), Valencia (EM) und im Jahre 2013 aus Rom.

 

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