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11.10.: literatur aktuell +++ literatur

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Störung der Walser-Lesung hat rechtliches Nachspiel +++ 11. Literaturherbst in Göttingen - Festakt für Günter Grass +++ Reich-Ranicki schreibt offenen Brief an Grass +++ Akadmie der Künste öffnet ihr Günter-Grass-Archiv +++ Buchmesse öffnet am Wochenende ihre Pforten für Privatbesucher


Störung der Walser-Lesung hat rechtliches Nachspiel
Leipzig (ddp-lsc). Die Tumulte bei Martin Walsers öffentlicher Lesung aus seinem Buch «Tod eines Kritikers» am vergangenen Sonntag in Leipzig werden ein juristisches Nachspiel haben. Gegen die 15 zumeist jugendlichen Störer werde Strafanzeige erstattet, wie der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) am Donnerstag in Leipzig mitteilte. Der Sender hatte diese erste öffentliche «Kritiker»-Lesung Walsers im Rahmen seiner Hörfunksendung «Lese-Café» organisiert. Der konkrete Straftatbestand stehe jedoch noch nicht fest. «Das muss die Staatsanwaltschaft jetzt prüfen», sagte MDR-Sprecherin Birthe Gogarten auf ddp-Anfrage. In Betracht könnte nach eingehender Prüfung eine Anzeige wegen Beleidigung oder Hausfriedensbruch kommen.
Am Sonntag hatten etwa 15 Besucher die live ausgestrahlte Veranstaltung in der Leipziger «Pfeffermühle» lautstark gestört. Sie versuchten, den Schriftsteller am Lesen zu hindern. Walser wurde laut MDR als «Antisemit», die Lesung als «Gespräch unter Mörderbanden» beschimpft. Das Angebot Walsers, mit ihnen über sein Werk zu sprechen, lehnten die Störer laut MDR ab. Erst nach Eingreifen des Ordnungsdienstes habe das »MDR Lese-Café« mit 20-minütiger Verspätung fortgesetzt werden können. Der Autor reagierte den Angaben des Senders zufolge geschockt.
Der Roman »Tod eines Kritikers« hatte im Frühjahr hohe Wellen in den deutschen Feuilletons geschlagen, nachdem der Herausgeber der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«, Frank Schirrmacher, einen Vorabdruck des Buches mit der Begründung ablehnte, der Inhalt weise antisemitische Züge auf. Walser selbst hatte den Vorwurf des Antisemitismus stets zurückgewiesen. Er entschloss sich, auf Lesungen in Deutschland zu verzichten. Einzige Ausnahme sollte das »MDR-Lese-Cafe" sein.

11. Literaturherbst in Göttingen - Festakt für Günter Grass
Göttingen (ddp-nrd). Mit einer Lesung des amerikanischen Schriftstellers James Salter startet am Freitag der 11. Göttinger Literaturherbst. Vom 11. bis zum 20. Oktober lesen 20 Autoren im Deutschen Theater und im Alten Rathaus aus ihren Werken. Einen Schwerpunkt des über die Grenzen der Universitätsstadt hinaus bekannten Literaturfestivals bildet die amerikanische Literatur mit Lesungen von Jonathan Franzen , James Salter und Irvin D. Yalom.
Darüber hinaus werden bekannte deutsche Autoren ihre Werke vorstellen. Am 13. Oktober um 19.00 Uhr liest Schauspieler Rolf Zacher im Deutschen Theater aus seiner jüngst veröffentlichten Autobiografie «Endstation Freiheit». «Spiegel»-Chefredakteur Stefan Aust stellt am 14. Oktober um 21.00 Uhr im Alten Rathaus sein neues Buch «Der Lockvogel» vor. Das Buch behandelt den Mord an dem Studenten Ulrich Schmücker, der 1974 zwischen die Fronten von Verfassungsschutz und Terrorszene geraten war.
Am 19. Oktober um 21.00 Uhr liest der Historiker und Hitler-Biograf Joachim Fest im Alten Rathaus aus seinem Buch «Der Untergang», in dem er die letzten Tage des Dritten Reichs erzählt. Eine Autobiografie stellt der Schauspieler André Eisermann («Kaspar Hauser», «Schlafes Bruder») vor. Er tritt am 20. Oktober um 19.00 Uhr im Deutschen Theater auf.
Höhepunkt des Göttinger Literaturherbstes ist der Festakt zum 75. Geburtstag von Günter Grass. Am 18. Oktober ab 18.00 im Deutschen Theater ehren zahlreiche Prominente den Literaturnobelpreisträger. Als Gäste werden unter anderen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Bundespräsident Johannes Rau erwartet.
Günter-Grass-Biograf Michael Jürgs will dem Literaturnobelpreisträger zum 75. Geburtstag am 16. Oktober ein besonderes Geschenk überreichen. «Eigentlich würde ich ihm gern ein uraltes, längst vergessenes Gedicht von ihm selbst schenken. Aber er vergisst ja nichts», sagte Jürgs in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur ddp auf der Frankfurter Buchmesse. Nun werde es wohl ein Original-Werbetext für die Berliner Meierei Bolle werden - «verfasst von Grass im Jahre 1954», verrät Jürgs.
Für den Biografen ist der Literaturnobelpreisträger die «größte Herausforderung». Es habe schließlich Gründe, dass sich «bislang niemand an eine umfassende Biografie gewagt hat», sagte Jürgs. «An Grass wird man automatisch gemessen.» Jürgs\' Buch ist pünktlich zum Grass-Geburtstag unter dem Titel «Bürger Grass» bei Bertelsmann erschienen.

Reich-Ranicki schreibt offenen Brief an Grass
Berlin (ddp). Mit einem offenen Brief geht Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki auf das Versöhnungsangebot von Nobelpreisträger Günter Grass ein. In der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (Freitagausgabe) schreibt Reich-Ranicki, er nehme das Angebot von Grass gerne an. Zugleich merkt der Kritiker an, dass er die von Grass gestellten Bedingungen an eine Versöhnung nicht einfach erfüllen könne. Mit Blick auf den Verriss seines 1995 erschienenen Romans «Ein weites Feld» hatte der Autor in einem Gespräch mit dem ARD-Vorsitzenden Fritz Pleitgen eine Entschuldigung gefordert. «Das muss er zurücknehmen, darauf bestehe ich», hatte Grass gesagt.
Reich-Ranicki kündigte in dem Brief an, seine im «Spiegel» veröffentlichte Kritik nicht zurücknehmen zu wollen. Eine «Kränkung» der Person Grass bedauere er jedoch. Gleichzeitig stellte der Literaturkritiker fest, für das dazugehörige Titelbild des Nachrichtenmagazins keine Verantwortung zu haben. Das Bild, auf dem Reich-Ranicki den Roman von Grass zerreißt, sei von der Redaktion und nicht von ihm ausgewählt worden. Er sehe auch nicht ein, deswegen einen Prozess gegen den «Spiegel» zu führen. Er habe bisher noch nie einen Prozess geführt.
Reich-Ranicki wies auch Grass\' Vorwurf zurück, er habe den Roman «Die Rättin» getötet. Damit überschätze der Schriftsteller ihn und seinen Einfluss als Kritiker «wieder einmal». Reich-Ranicki fragte: «Halten Sie es denn für ganz ausgeschlossen, dass der Misserfolg Ihrer \'Rättin\' einen anderen Grund hatte?» Zum Schluss schreibt der Kritiker: «Wie auch immer: Eine Aussöhnung zwischen uns beiden ist Ihrer Ansicht nach möglich. Diese Verlautbarung hat meine Laune deutlich gebessert. Es grüßt Sie in alter Herzlichkeit, Ihr Marcel Reich-Ranicki».
Reich-Ranicki hatte bereits am Donnerstag erklärt, die Friedensverhandlungen mit Grass seien eröffnet. Grass wollte am Freitagnachmittag auf der Frankfurter Buchmesse seine neue Anthology «In einem reichen Land» vorstellen, die er gemeinsam mit Daniela Dahn und Johano Strasser herausgegeben hat.

Akadmie der Künste öffnet ihr Günter-Grass-Archiv
Berlin (ddp-bln). Die Akademie der Künste Berlin-Brandenburg präsentiert erstmals öffentlich ihr Günter-Grass-Archiv. Anlässlich des 75. Geburtstages von Grass am 16. Oktober zeigt die Akademie ab Montag die Ausstellung «Fundsachen für Grass-Leser» im Hanseatenweg in Berlin-Tiergarten. Aus 70 000 Blatt Manuskripten und mehr als 100 000 Briefen, die sich im Grass-Archiv befinden, hat Kuratorin Karin Kiwus rund 400 Fundsachen ausgewählt, sagte am Freitag der Direktor der Stiftung Archiv, Wolfgang Trautwein. Sie zeigen die literarische Entwicklung des Literaturnobelpreisträgers sowie anhand von Werkbeispielen die Zusammenhänge der Entstehung und Wirkung seiner Arbeiten. Ein Komplex der Ausstellung beschäftigt sich auch mit dem politischen Engagement von Grass als Wahlkämpfer für die SPD in den 60er Jahren.
Ausstellungsarchitekt Lorenz Dombois hat die 16 Abschnitte der Schau in schneckenartigen Windungen angelegt. Dombois habe damit ein zentrales Motiv von Grass aufgegriffen, unter anderem «Aus dem Tagebuch einer Schnecke», sagt Trautwein. Werktagebücher, detaillierte Arbeitspläne für einzelne Titel sowie handschriftliche Textfassungen geben Einblick in den Schreibprozess von Grass. Zu verfolgen seien Verwandlungen eines Textes, so die Komödie «Das Kartenhaus», die ein Ballett werden sollte, aus dem dann das Hörspiel «Die polnische Post oder ein Kartenhaus» entstand. Im Roman «Die Blechtrommel» (1959) findet sich der Text als ein Kapitel mit der Überschrift «Die polnische Post» wieder. Handschriftliche Manuskripte machten diesen Wandlungsprozess anschaulich, sagte Trautwein.
Die Ausstellung greift auch die stets enge Verbindung von Schreiben und Zeichnen bei Grass auf. Zu sehen sind illustrierte Textfassungen sowie frühe Arbeiten, mit denen er seine literarischen Motive oft vorab erprobte, darunter zwei großformatige Zeichnungen zur ersten publizierten Prosaarbeit «Meine grüne Wiese» (1955). An einer Längswand in der Halle hängen als Leihgabe aus dem Privatbesitz von Grass 100 Aquarelle zum Zyklus «Mein Jahrhundert» - ein Blick aus eigener Perspektive auf Leben und Werk mit einem zeitgeschichtlichen Bezug. Grass war Mitte der 50er Jahre auch durch Ausstellungen von Plastiken und Grafiken bekannt geworden. Er hatte an der Düsseldorfer Kunstakademie und an der Hochschule für Bildende Künste Berlin Grafik und Bildhauerei studiert.
Die Akademie der Künste hatte 1991 das Grass-Archiv erworben und es Anfang dieses Jahres mit Briefen, Tagebüchern, Redekonzepten sowie Manuskripten aus den vergangenen zehn Jahren ergänzt. Das Grass-Haus in Lübeck konzentriert sich nach Angaben von Trautwein auf Grafik und stark bildbezogene Manuskripte. «Fundsachen für Grass-Leser» wird am Sonntag um 20.00 Uhr eröffnet. Es lesen unter anderen Peter Härtling, VolkerSchlöndorff und Christa Wolf. Günter Grass liest am 29. Oktober aus seiner Novelle «Im Krebsgang».
Die Ausstellung hat von Montag bis 20. November täglich von 11.00 bis 20.00 Uhr geöffnet, montags von 14.00 Uhr. Der Eintritt kostet sechs Euro, ermäßigt vier Euro, am ersten Sonntag im Monat ist der Eintritt frei. Eine Archivschachtel mit reproduzierten Beständen aus dem Grass-Archiv, darunter Umschlagentwürfe, frühe Gedichte mit Zeichnungen, Arbeitspläne sowie Romananfänge, kostet 28 Euro.

Buchmesse öffnet am Wochenende ihre Pforten für Privatbesucher
Frankfurt/Main (ddp-swe). Für Leseratten ist der Besuch der 54. Buchmesse Frankfurt am Wochenende Pflicht: Der weltgrößte Branchentreff öffnet seine Pforten am Samstag und Sonntag auch für Privatbesucher. Bei rund 2000 Veranstaltungen im Rahmen der Buchmesse kommen Comicfans ebenso auf ihre Kosten wie die Freunde elektronischer Medien. Schwerpunktthema ist unter dem Motto «Bridges for a World Divided» die Globalisierung. Als Gastland präsentiert Litauen seine Kultur.
Der Zukunftskongress «Frankfurt Futura Mundi» soll am Samstag Globalisierungskritiker aus aller Welt in die Mainmetropole locken. Zu der Veranstaltung werden prominente Gäste wie die kanadische Autorin Naomi Klein und der israelische Schriftsteller Amos Oz erwartet. Mit der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an den nigerianischen Schriftsteller Chinua Achebe in der Frankfurter Paulskirche erreicht die Messe am Sonntag ihren Höhepunkt. Eine Buchmesse-Tageskarte ist für 7,50 Euro erhältlich.
(Im Internet: www.buchmesse.de)