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Frankfurter Buchmesse verzeichnet 2,6 Prozent mehr Besucher +++ Friedenspreis für nigerianischen Autor Chinua Achebe +++ In Lübeck wird das«Günter-Grass-Haus» +++ Ostverlage auf der Suche nach Nischen
Frankfurter Buchmesse verzeichnet 2,6 Prozent mehr Besucher
Frankfurt/Main (ddp-swe). Die Frankfurter Buchmesse hat in diesem Jahr 265 000 Besucher und damit 2,6 Prozent mehr Gäste angelockt. Die Aussteller registrierten «mehrheitlich» eine «gute bis sehr gute Geschäftstätigkeit», wie der Börsenverein des Deutschen Buchhandels zum Abschluss am Montag in Frankfurt mitteilte. Unter den 6375 Ausstellern aus 110 Ländern waren demnach mehr internationale Verlage vertreten. Das unterstreiche die Bedeutung der Literaturschau als «weltweit wichtigster Handelsplatz für Rechte und Lizenzen», unterstrich der Börsenverein.
Gestärkt gehen nach Einschätzung des Vereins vor allem kleine und mittlere Verlage aus der Messe hervor. Großer Andrang habe unter anderem bei Lesungen und Signierstunden geherrscht. Das Comic-Zentrum habe vor allem Kindern und Jugendlichen die Welt der Bücher nahe gebracht.
Der Börsenverein bekräftigte außerdem seinen Willen, über 2003 hinaus das Gastländer-Programm fortzusetzen. Das diesjährige Gastland Litauen habe «mit kleinem Budget und intelligenter Planung» einen gelungenen Auftritt realisiert. Die Buchmesse 2003 findet vom 8. Bis 13. Oktober kommenden Jahres statt. Gastland wird dann Russland sein.
Friedenspreis für nigerianischen Autor Chinua Achebe
Frankfurt/Main (ddp-swe). Der nigerianische Schriftsteller Chinua Achebe ist am Sonntag in Frankfurt am Main mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden. Die Preisverleihung stand ganz im Zeichen des Appells zur Intensivierung des interkulturellen Dialogs. Mit dem 71-jährigen Autor werde ein großer Lehrer und Humanist, ein «Mittler zwischen den Kulturen» geehrt, sagte der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Dieter Schormann. An der Preisverleihung in der Paulskirche nahmen auch der scheidende Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin (SPD), der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU), die Präsidentin des Goethe Instituts Inter Nationes, Jutta Limbach, und Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker teil.
Achebe, der in den USA lebt, wurde als «eine der kräftigsten und zugleich subtilsten Stimmen Afrikas in der Literatur des 20. Jahrhunderts» geehrt. Der Preis würdige «einen unnachgiebigen Lehrer und Moralisten und vor allem einen großen Erzähler», begründete der Börsenverein des Deutschen Buchhandels seine Entscheidung. Der Friedenspreis ist mit 15 000 Euro dotiert.
«Achebes Romane wurzeln in den kulturellen Traditionen seiner Heimat, aber sie öffnen sich eben auch der Welt», sagte Schormann. Sie seien «geradezu eine Pflichtlektüre für eine Gesellschaft, die noch auf dem Weg dazu ist, endlich zu begreifen, wie multikulturell sie eigentlich ist».
Achebe sei schon vor mehr als 20 Jahren als ein «Klassiker zu Lebzeiten» beurteilt worden, sagte der Präsident des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und Präsident der Universität Würzburg, Theodor Berchem, in seiner Laudatio. Achebes Bücher wurden in über 50 Sprachen übersetzt. Zwei seiner Romane - «Okonkwo oder das Alte stürzt» und «Der Pfeil Gottes» - zählen nach Wertung einer internationalen Jury zu den 100 besten afrikanischen Büchern des 20. Jahrhunderts. «Rückbesinnung und Neubewertung der Geschichte des afrikanisch-europäischen Kulturkontaktes sind Leitbegriffe in seinem Werk», betonte Berchem. In Achebes bislang letzten Roman «Termitenhügel in der Savanne» (1987) stehe die Verantwortung der Afrikaner für ihre gegenwärtige Situation im Vordergrund. Achebes Überzeugung sei, man müsse andere akzeptieren und Erfahrungen von ihnen übernehmen, denn nur das bewahre vor der «tödlichen Sünde» von Selbstgerechtigkeit und Extremismus.
Mit der Auszeichnung als Friedensstifter sei er - «im Angesicht derer, die einen Unruhestifter in mir sehen» - in seinen höchsten Hoffnungen und Zielen gestärkt worden, sagte Achebe. Sein Werk sei unter anderem «das Ergebnis neugierigen Lesens», sagte Achebe. So sei er afrikanischen Menschen in der europäischen Literatur - etwa von Joseph Conrad - in der Darstellung begegnet: als Wilde, als unmögliche Figuren, kaum als Menschen erkennbar. Deshalb habe er beschlossen, selbst zu schreiben: «Figuren zu gestalten, die so waren, wie die Menschen, die ich kannte». Achebe fügte hinzu: «Es schien mir einfach eine Sache der Gerechtigkeit, dass ich versuchte, ihnen in meinen Erzählungen eine Heimat zu geben». In seinen Werken seien die Afrikaner nicht an den Rand des Geschehens verbannt, sondern vielmehr Triebkräfte der Entwicklung. Im vergangenen Jahr war der deutsche Philosoph und Soziologe Jürgen Habermas mit dem Friedenspreis ausgezeichnet worden.
Cornelia Krüger
In Lübeck wird das«Günter-Grass-Haus»
Lübeck (ddp). Mit der Eröffnung des Günter-Grass-Hauses in Lübeck am 20. Oktober hat die Hansestadt ein ehrgeiziges Ziel erreicht: Die Besucher der unter Denkmalschutz stehenden Altstadt können sich auf einem einzigen Spaziergang über ein Jahrhundert deutscher Literaturgeschichte informieren. Nur wenige Fußminuten voneinander entfernt befinden sich nun zwei Museen über die beiden Lübecker Literaturnobelpreisträger Thomas Mann und Günter Grass. Während im «Buddenbrookhaus» Leben und Werk von Thomas Mann geehrt wird, stehen quasi nebenan die Arbeiten des Literaten, Malers und Bildhauers Grass im Mittelpunkt.
Das «Günter-Grass-Haus» umfasst ein denkmalgeschütztes Haus in der Glockengießerstraße 21 und eine eigens wieder errichtete Remise. Auf 220 Quadratmetern Fläche beleuchtet die Eröffnungsausstellung «Paarungen» das literarische und künstlerische Lebenswerk von Günter Grass, der am Mittwoch seinen 75. Geburtstag feiert. Als feste Ausstellung werden Originalmanuskripte des Schriftstellers ebenso zu sehen sein wie Bilder und Skulpturen im angrenzenden Skulpturengarten. Dort steht dann unter anderem der berühmte «Butt im Griff». Künftig will das Grass-Haus künstlerisch Mehrfachbegabten Raum bieten sich darzustellen. Der Autor und die Kulturstiftung der Hansestadt wollen einen grenzüberschreitenden Dialog zwischen den Künsten fördern.
Mit dem «Günter-Grass-Haus» verbindet den Literaturnobelpreisträger eine gemeinsame Geschichte. Ein Teil des Hauses ist sein Eigentum. Seit 1995 ist dort das Sekretariat des Schriftstellers untergebracht. Das denkmalgeschützte Gebäude wurde 1320 erstmals erwähnt und hat inzwischen viele Menschen und Berufe beherbergt. So gibt es Aufzeichnungen, die belegen, dass in dem Haus einst eine Schlachterei und später auch eine Gerberei untergebracht war. Dann aber wechselte das Bild. Das Haus wurde zum Bildhaueratelier und diente einem Stuckateur als Arbeitsstätte. Auch eine Buchdruckerei arbeitete dort.
Die neue literarisch-künstlerische Bildungsstätte wurde mit Mitteln der Bundesregierung, des Europäischen Fonds unterstützt. Neben den eigentlichen Ausstellungsräumen beherbergt das «Günter-Grass-Haus» eine Forschungsbibliothek, ein Archiv sowie einen Buch- und Kunstladen.
Ostverlage auf der Suche nach Nischen
Frankfurt/Leipzig (ddp-lsc). Die Buchverlage in Mitteldeutschland leiden unter der wirtschaftlichen Rezession. Umsatzrückgänge gehören in diesem Jahr zur Normalität. Eine allgegenwärtige Konsumzurückhaltung trifft die Branche ganz besonders. Vor allem die in Ostdeutschland dominierenden kleinen Unternehmen seien in ihrer Existenz deutlich bedroht, schätzt die Geschäftsführerin des Verbandes der Verlage und Buchhandlungen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, Regine Lemke, ein. Nur wenige der 241 «Büchermacher» aus der gesamten Region fanden deshalb auch den Weg zur diesjährigen Frankfurter Buchmesse. Ausgaben für Messestände geben die knapp bemessenen Budgets nicht her.
Deutlich schlägt sich die Sparsamkeit der öffentlichen Hand in der negativen Umsatzentwicklung nieder. Bibliotheken kauften weit weniger Literatur als in der Vergangenheit. Es werde immer schwerer, Neuerscheinungen gut in den Buchhandlungen zu platzieren. Rund 80 000 Titel erscheinen jährlich in Deutschland. Vor 1989 verkaufte sich Literatur zwischen Fichtelberg und Kap Arkona fast wie von selbst. Rund 6000 Titel kamen auf den Markt und teilweise nur unter die Ladentische. In der DDR gab es knapp 75 Verlage.
Viele der Nachwendegründungen haben den tatsächlichen Sprung zur Wirtschaftlichkeit nicht bewältigt. Zum einen hätten sie Schwierigkeiten in den Buchhandlungen und damit auch vom Leser wahrgenommen zu werden. Nur wem es bisher gelungen sei, seinen unverwechselbaren Schwerpunkt zu finden, der könne einigermaßen rentabel arbeiten, sagt Lemke. Deshalb konzentrieren sich die Verlage oft auf regionale Erzeugnisse, bei denen sich mit überschaubaren Absatzmärkten und Ortskenntnis ihren eigenen Weg gehen können.
Von seiner Bekanntheit aus DDR-Zeiten profitiert der BuchVerlag für die Frau aus Leipzig. Er konnte gegen den allgemeinen Trend leichte Umsatzzuwächse in diesem Jahr verbuchen. Mit seiner Mini-Buch-Reihe und zahlreichen regionalen Kochbüchern gelingt es ihm, die Leser zu binden. Allein das «Kochen - 1680 Rezepte» ist seit 1979 ein Dauerbrenner und brachte es bisher auf 1,3 Millionen verkaufte Exemplare.
Der Schkeuditzer Buchverlag hat sich auf die schwierige Situation eingestellt. Konsequent setzt das 1998 gegründete Unternehmen auf Autoren, die sich den Traum vom veröffentlichten Buch auf eigene Kosten erfüllen wollen. Für einen Festpreis je Seite kann praktisch jeder das Dienstleistungsangebot nutzen, sagt Geschäftsführer Herbert Stascheit. Bislang kamen auf diese weise bereits 28 Bücher auf den Markt, Mindestauflage 300 Stück. Selbst Eberhard Panitz nutze die Möglichkeit und ließ sein Buch «Frauengeschichten aus der DDR» in Schkeuditz verlegen.
Mit einem Erfolgstitel bot der Mitteldeutschen Verlag Halle dem Abwärtstrend Paroli. Von den Erinnerungen an Regine Hildebrandt «Erzählt mir doch nich, dasset nich jeht!» gingen bisher knapp 90 000 Exemplare in sieben Auflagen über die Ladentische, sagt Verlagschefin Veronika Schneider.
Eine besondere Nische hat der Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften (VDG) aus Kromsdorf bei Weimar erobert. Vor zehn Jahren gegründet, konzentriert sich Verlegerin Bettina Preiß vorwiegend auf wissenschaftliche Titel in geringen Auflagen. Jeder wird von Anfang an konsequent durch eine CD-Rom ergänzt und jeder der bislang erschienen rund 300 Titel könne bei Bedarf sofort nachgedruckt werden. Große Bestände belasteten somit nicht das Lager und die Finanzkraft. Das Verfahren habe sich bewährt und ermögliche ein wirtschaftliches Arbeiten, sagt Preiß. Künftig sollen alle bislang erschienen Titel über eine Datenbank direkt im Internet abrufbar sein. Die Nutzer müssten für dieses Angebot eine geringe Gebühr zahlen.
Klaus-Peter Voigt