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22.7.: bayreuther festspiele aktuell

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Der neue «Tannhäuser» - Philippe Arlaud inszeniert den Auftakt der Festspiele +++ Der Franzose Arlaud kam auf Umwegen zum Theater +++ Wiederaufnahmen in Bayreuth - Davis dirigiert «Lohengrin» +++ Rezension: Neues Buch schildert den Alltag in der Villa Wahnfried


Der neue «Tannhäuser» - Philippe Arlaud inszeniert den Auftakt der Festspiele
FEA (ddp). Nach 17 Jahren werden die Bayreuther Festspiele wieder mit einer Neuinszenierung des «Tannhäuser» eröffnet. Die Regie für Richard Wagners große romantische Oper hat der Franzose Philippe Arlaud übernommen, der zugleich für die Gestaltung der Bühne verantwortlich ist. Mit besonderer Spannung wird der Auftritt des Dirigenten Christian Thielemann erwartet, der mit dem «Tannhäuser» zum ersten Mal eine Neuproduktion auf dem Grünen Hügel dirigieren wird.
Vor 30 Jahren sorgte der «Tannhäuser» in Bayreuth für einen regelrechten Skandal. In der gesellschaftskritischen Deutung des Regisseurs Götz Friedrich war der Titelheld ein unangepasster Outsider, und im Venusberg tanzten riesige Skelette. Das Premierenpublikum reagierte mit orkanartigen Protesten, und Franz Josef Strauß verließ bei Friedrichs Erscheinen demonstrativ den Staatsempfang im Bayreuther Schloss. Doch gerade dieser «Tannhäuser» wurde später fast so etwas wie eine Kult-Inszenierung und war zudem das erste Bühnenwerk, das das Fernsehen 1979 auf dem Festspielhügel aufgezeichnet hat. Damit bildete Friedrichs Arbeit den Auftakt für zahlreiche Bayreuth-Verfilmungen in den 80er Jahren.
Dagegen war Wolfgang Wagners «Tannhäuser» von 1985 harmlos und konventionell. Während sich Friedrich und Dirigent Colin Davis 1972 für eine Mischung aus der Pariser und der Dresdner Fassung der Oper entschieden, bevorzugten der Festspielchef und sein Dirigent Giuseppe Sinopoli die vom Komponisten überarbeitete Dresdner Fassung.
Thielemann und Arlaud greifen nun auf die Dresdner Urfassung zurück. In verschiedenen Interviews begründete der Dirigent die Entscheidung damit, dass diese weitaus runder und aus einem Guss sei. Die gewählte Version wird jedoch eine längere Hirtenmelodie beinhalten. Thielemann kündigte den bisher «komplettesten Tannhäuser» der Bayreuther Aufführungsgeschichte an.
Die Hauptrollen wurden vor allem mit Hügel- beziehungsweise Rollen-Neulingen besetzt. Den Tannhäuser wird der 46-jährige Glenn Winslade singen. Der in London lebende Australier begann seine Karriere als Mozart-Sänger, um dann im Laufe der 90er Jahre immer mehr im Fach des Heldentenors heimisch zu werden. Die Münchnerin Barbara Schneider-Hofstetter übernimmt die Partie der Venus, mit der sie bereits in Regensburg erfolgreich war. Ricarda Merbeth, die neue Elisabeth, ist in Bayreuth keine Unbekannte. Die Sopranistin aus Chemnitz sang in Jürgen Flimms «Ring des Nibelungen» gleich drei Rollen: die Freia, die Helmwige sowie die Gutrune. Eine regelrechte Hügel-Beförderung zum Landgrafen Hermann darf der Südkoreaner Kwangchul Youn für sich verzeichnen, denn bisher hörte man ihn nur in der kleinen Rolle des Nachtwächters in den «Meistersingern». Der neue Wolfram, Roman Trekel, war bereits als Heerrufer im «Lohengrin» zu hören, und Ex-David Endrik Wottrich übernimmt die Rolle des Walther von der Vogelweide.
Der «Tannhäuser» wurde 1845 in Dresden uraufgeführt - mit mäßigem Erfolg. Dabei konnte Wagner die damaligen Stars Joseph Tichatschek und Wilhelmine Schröder-Devrient für die Titelpartie und die Venus gewinnen. Der Komponist nahm eine Reihe von Korrekturen vor, und es entstand die später am meisten gespielte Dresdner Fassung. Für das französische Publikum überarbeitete Wagner das Werk 1861 noch einmal - fügte etwa ein Bacchanal ein - und es entstand die Pariser Fassung. Bei der Aufführung kam es zum Eklat, das Werk wurde nach der dritten Aufführung abgesetzt. Auch wenn der «Tannhäuser» Wagners großen Misserfolg in Paris markierte, so bildete gerade dieses Werk den Beginn einer anhaltenden Wagner-Begeisterung in Frankreich.
Christa Sigg

Der Franzose Arlaud kam auf Umwegen zum Theater
Bayreuth (ddp). Der Theatermann Philippe Arlaud ist ein echtes Multitalent. Denn der 51-jährige Franzose aus Paris arbeitet gleich in drei Bereichen: als Regisseur, Bühnenbildner und Lichtdesigner.
Erst auf Umwegen kam er als Student zum Theater. Arlaud war zunächst für Medizin eingeschrieben. Die Beziehung zu einer Schauspielerin führte ihn schließlich ins Theatermilieu. Wenig später hängte er die Medizin an den Nagel, um Regie, Bühnenbild und Kunstgeschichte an der École Supérieure d\'Art dramatique des Straßburger Nationaltheaters zu studieren. Bald leitete Arlaud dort schon eine eigene Abteilung und war von 1977 bis 1981 Mitglied des künstlerischen Bereichs. Schon zu dieser Zeit bildete das Licht ein zentrales Thema seiner Arbeit. Beeinflusst wurde er in dieser Hinsicht auch von dem Amerikaner Robert Wilson, bei dem er assistiert hatte. Wilson steht für eine Bühnenregie, die von farbigem Licht und zeitlupenhaften Bewegungen der Protagonisten dominiert wird.
Seit 1982 führt Arlaud selbst Regie und gestaltet Bühnenbilder fürs Theater wie für die Oper. Er arbeitete unter anderem an der Opéra de Paris, an der Wiener Staatsoper, der Scala in Mailand und am Grand Théâtre in Genf. Als Schauspielregisseur war er unter anderem an der Comédie Française und an den Schauspielhäusern in Wien und Hamburg tätig.
Eine umfangreiche Zusammenarbeit ergab sich 1992 mit dem Intendanten und Regisseur des Wiener Schauspielhauses Hans Gratzer. Arlaud zog im selben Jahr nach Wien, wo er seither auch lebt. Der Arbeit für Opernproduktionen kommt in den 90er Jahren immer mehr Gewicht zu. Mit Brittens «The Turn of the Screw» an der Kammeroper Wien erlebte er 1995 einen wichtigen Erfolg. Ein Jahr später erhielt er eine der höchsten künstlerischen Auszeichnungen Österreichs, die Kainz-Medaille der Stadt Wien.
Bei den Bregenzer Festspielen brachte er 1998 die Uraufführung der Oper «Nacht» von Georg Friedrich Haas auf die Bühne. Im gleichen Jahr inszenierte er eine erfolgreiche «Frau ohne Schatten» (Strauss) an der Deutschen Oper Berlin, wo er bereits mit dem Dirigenten Christian Thielemann zusammenarbeitete.
Doch Arlaud geht dazwischen immer wieder «fremd». Bei André Hellers Show «Yume», die 1997 durch Deutschland tourte, sorgte er für Bühne und Licht. Und im kommenden Herbst wird er in Wien bei Rainhard Fendrichs Musical «Wake up!», einer humorvollen Betrachtung der Show- und Popbranche, die Regie übernehmen.
Auch im Wagner-Fach ist Arlaud kein Unbekannter: In Straßburg hat er «Tristan und Isolde» sowie den «Fliegenden Holländer» inszeniert und in Bonn den «Lohengrin». In dieser Saison arbeitet er erstmals in Bayreuth und zeichnet für Regie und Bühne bei der «Tannhäuser»-Premiere am 25. Juli verantwortlich. Christian Thielemann wird bei dieser Inszenierung am Pult stehen.

Wiederaufnahmen in Bayreuth - Davis dirigiert «Lohengrin»
Bayreuth (ddp). Bei den 91. Richard-Wagner-Festspielen in Bayreuth stehen Wiederaufnahmen der Werke «Lohengrin», «Der Ring des Nibelungen» und «Die Meistersinger von Nürnberg» auf dem Programm.
Der «Lohengrin» in der Inszenierung des Briten Keith Warner von 1999 wird in diesem Jahr von dem Briten Andrew Davis dirigiert. Der Chef des Orchesters der Chicago Lyric Opera ist auch dem Fernsehpublikum ein Begriff, denn neben regelmäßigen Auftritten bei der populären «Night of the Proms» leitete er das Sinfonieorchester der BBC auch bei der Feier zum 50. Thronjubiläum der Queen. Als Elsa feiert auch Petra-Maria Schnitzer am Freitag ihr Hügel-Debüt. Die Sopranistin aus Wien singt regelmäßig an der Bayerischen Staatsoper in München. Peter Seiffert wird alternierend mit Robert Dean Smith wieder die Titelpartie übernehmen. Schnitzer und Seiffert sind übrigens auch im richtigen Leben ein Paar.
Am kommenden Samstag geht Jürgen Flimms Inszenierung des «Ring des Nibelungen» ins dritte Jahr. Dirigent Adam Fischer, der 2001 für den überraschend verstorbenen Giuseppe Sinopoli eingesprungen war, steht in der «Ring»-Tetralogie auch in diesem Jahr wieder am Pult. Mit Spannung wird das Hügel-Debüt von Evelyn Herlitzius in der Rolle der Brünnhilde erwartet. Die Sopranistin aus Osnabrück war von Sinopoli in Dresden entdeckt worden, wo sie unter anderem die Elisabeth im «Tannhäuser» gab. Zum ersten Mal auf dem Hügel singt auch Olaf Bär. Der Bariton aus Dresden zählt zu den überragenden Liedinterpreten seiner Generation. Im «Ring» wird er den Donner im «Rheingold» und den Gunter in der «Götterdämmerung» übernehmen. Die Wahl-Münchnerin Mihoko Fujimura ist die neue Fricka an der Seite von Alan Titus (Wotan). Den neuen Alberich, Hartmut Welker, kennt das Bayreuth-Publikum bereits als Klingsor aus dem «Parsifal».
Neben Göttervater Titus sind auch Graham Clark (Loge, Mime), Robert Dean Smith (Siegmund), Violeta Urmana (Sieglinde), Philip Kang (Fafner und Hunding), John Tomlinson (Hagen) sowie die beiden Besetzungen des Siegfried, Christian Franz («Siegfried») und Wolfgang Schmidt («Götterdämmerung), wieder mit von der Partie. Regisseur Jürgen Flimm, der in Salzburg zudem als Schauspielchef fungiert, hatte bereits im letzten Jahr weitere Änderungen angekündigt. Diese betreffen unter anderem die Todesverkündung im zweiten Akt der »Walküre«, den dritten Akt des »Siegfried« sowie das Ende der »Götterdämmerung«.
Neben den Debüts auf dem Grünen Hügel gibt es auch einen Abschied: Wolfgang Wagner steht bei den »Meistersingern« zum letzten Mal am Regiepult. Der 82-jährige Festspielchef inszeniert bereits seit 1953. Damals brachte er den »Lohengrin" auf die Bayreuther Bühne. Fürs Erste geht damit die Ära inszenierender Mitglieder des Wagner-Clans zu Ende.

Rezension: Neues Buch schildert den Alltag in der Villa Wahnfried
Bayreuth (ddp). Seine Bühnenwerke können nicht gerade als Ansammlungen beschwingten Humors bezeichnet werden. Im Gegenteil. Richard Wagner haftet eher das Image eines besonders ernsthaften Geistes an. Von Mozartscher Heiterkeit in Leben und Werk keine Spur. Denkt man. Daphne Wagner, Ur-Enkelin des Komponisten, und Publizist Tilmann Spengler erzählen in ihrem Buch ganz andere Dinge. Nämlich, dass der große Meister mit seinen Kindern gerne am Boden herumtollte und Purzelbäume schlug - sehr zum Entsetzen der Gouvernante. In «Zu Gast bei Wagner» schildern die beiden Autoren, wie es in der Villa Wahnfried tatsächlich zuging, was die Wagners schätzten und vor allem, was der Komponist in kulinarischer Hinsicht bevorzugte.
Zu fränkisch Deftigem gesellte sich ein gewisses Raffinement, das auf die französische Herkunft von Gattin Cosima zurückgeführt werden darf. Ihr ist es sicher zu verdanken, dass sich Richard nicht ausschließlich von Blauen Zipfeln, Fränkischem Schweinebraten mit krachender Kruste, Gogerle - Hühnerkeulen - oder Rehschäufele mit Kloß ernährte. Möglicherweise sorgten Hummer mit Feigen, der gebeizte Bachsaibling an Spargelmus oder die Preiselbeeren mit Lavendel für die kompositorischen Höhenflüge des Meisters. Wer weiß das schon. Dabei hatte die gestrenge Tochter Franz Liszts weniger selbst zum Kochlöffel gegriffen, als hilfreiche Geister damit beauftragt. Oder das Essen aus dem «Goldenen Anker» kommen lassen, einem Traditionshaus mitten in Bayreuth, das seinerzeit als «Hôtel de l\'Ancre d\'Or» auf nobel machte und übrigens heute noch für kulinarische Höhepunkte sorgt.
Zur gekonnten Inszenierung all dieser Köstlichkeiten durch zahlreiche Rezepte und die Fotos von Barbara Lutterbeck kommen noch köstlichere Geschichten, Anekdoten und Bonmots. So erfährt der Leser, dass der überaus belesene Richard eine Schwäche für Trivialliteratur hegte und Serienromane förmlich verschlang. Und zudem richtig gerne und breit sächselte oder Bier aus Weihenstephan trank. Dem Philosophen Nietzsche versuchte er einmal klar zu machen, dass kein Fleisch zu essen das Ende seines Komponierens bedeutete. Er hätte es ein paar Tage versucht und dann wieder nach Schnitzeln verlangt. Es sei zwar Sünde, Tiere zu essen, doch diese Sünde könne man dadurch sühnen, dass man etwas Gutes zustande bringe. Wagner brachte durchaus etwas zustande, das müssen auch seine Gegner anerkennen.
Daphne Wagners und Tilmann Spenglers Schilderungen des Alltags in Wahnfried zeichnen das interessante Bild einer außergewöhnlichen Familie und entführen auf sehr gelungene, humorvolle Weise in eine andere Zeit und die Welt des Wagnerschen Musiktheaters.
(Daphne Wagner, Tilmann Spengler, Zu Gast bei Wagner. Kunst, Kultur und Kulinarisches in der Villa Wahnfried, 192 Seiten, Collection Rolf Heyne, ISBN 3-89910-141-3, 39,90 Euro.)