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25.4.: theater und literatur aktuell +++ theater und literatur

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Schleefs Nietzsche-Trilogie in der Berliner Volksbühne +++ Schleef-Ausstellung im Berliner Ensemble +++ Robert Ciullis multikulturelles Theaterkonzept +++ Internationale Novalis-Gesellschaft feiert Zehnjähriges +++ Literatursommer Baden-Württemberg +++ Shakespeare-Gesellschaft tagt in Weimar +++ PEN tagt in Darmstadt

Schleefs Nietzsche-Trilogie in der Berliner Volksbühne
"Gott ist tot - aber meine Mutter lebt." Dieses Motto erfasst haargenau den inhaltlichen Kern von Einar Schleefs Nietzsche-Trilogie, die am Mittwoch in der Volksbühne am Berliner Rosa-Luxemburg-Platz uraufgeführt wurde.
Berlin (ddp). Geplant war die Uraufführung eigentlich für das Wiener Akademietheater - mit Schleef selbst in der Rolle Nietzsches. Dann aber ist der Autor gestorben, so dass allenfalls die Erinnerung an Schleef als Nietzsche in seiner Inszenierung "Verratenes Volk" am Deutschen Theater Berlin bleibt. Schleef hatte damals kurzfristig die Rolle für einen erkrankten Schauspieler übernommen. In der einen Hand einen Wust von Papier haltend, mit der anderen wild gestikulierend, steigerte er sich in einen fulminanten vierzigminütigen Monolog hinein, in dessen Verlauf sogar ein Blitz für kurze Momente die Beleuchtungsanlage lahm legte, als hätte Schleef ihn extra bestellt.
Dass Schleef und Nietzsche eine gewisse Seelenverwandtschaft verbindet, ist der Trilogie deutlich anzumerken. Das Zusammentreffen von Größenwahn und Klaustrophobie, von philosophischer Überspanntheit und Alltagsenge wird nicht nur beschrieben, es kennzeichnet den Text auch an sich. "Gewöhnlicher Abend", "Messer und Gabel" und "Ettersberg" heißen die drei Teile des Werks, und zumindest die ersten beiden Titel charakterisieren dessen Hauptforschungsrichtung: den "Umwerter aller Werte"und Verflucher des Christentums Nietzsche im Alltag zu beobachten, sein Scheitern im "gewöhnlichen Leben" zu analysieren.
Der kranke Philosoph zwischen den Frauen, also zwischen Mutter und Schwester, sein exzessives Denken und das Gezerre um die Verwertung seiner Gedanken - was für ein Thema! Aber wie hat Regisseur Thomas Bischoff alles, was in dieser Geschichte liegt, verschenkt! Freilich ist Schleefs Text sehr komplex, sehr reflexiv, oft erinnernd, aber er bietet auch durchaus Handlungsmöglichkeiten für die Bühne. Doch Bischoff ignoriert beinahe jede Chance, eine familiäre Konstellation oder einen Seelenzustand auch einmal zu erspielen. Beinahe das Einzige, was Jennifer Minetti und Karin Neuhäuser als Mutter, Silvia Rieger als Tochter und Herbert Fritsch und Frank Büttner als Nietzsche tun dürfen, ist Textdeklamation. Der gesamte Theaterabend richtet sich an den Kopf.
Das Beklemmende, das anfangs noch durch das Bühnenbild ausgelöst wird, weicht der Erstarrung, später dann der Ermüdung. Unendlich lang dreht sich die von Uta Kala geschaffene Kachellandschaft (Kurbad, Mausoleum, Verlies) um sich selbst, und die Schauspieler fahren mit im Kreis herum und werden dabei ihren Text los. Das ist für ein bleibendes Theatererlebnis mit Sicherheit zu wenig. Die Reihen des Publikums lichteten sich zur Pause deutlich, die verbliebenen Premierenzuschauer applaudierten zwar brav, aber ohne Begeisterung.
Jens Bienioschek


Schleef-Ausstellung ab 4. Mai im Berliner Ensemble
Berlin (ddp). Mit einer Ausstellung über die fast 30-jährige Theaterarbeit Einar Schleefs ehrt das Berliner Ensemble (BE) den im vergangenen Jahr gestorbenen Regisseur, Bühnenbildner, Maler, Schriftsteller und Schauspieler. Gezeigt werden zum Teil bislang unveröffentlichte Skizzen, Fotos und Dokumente aus dem Nachlass sowie aus dem Archiv des BE, wie das Theater am Donnerstag in Berlin mitteilte. Die Ausstellung wird am Abend des 4. Mai von der Schauspielerin Jutta Hoffmann und BE-Intendant Claus Peymann eröffnet.
Schleef war Meisterschüler Karl von Appens. 1972 entwarf er das Bühnenbild für die "Katzgraben"-Inszenierung von B. K. Tragelehn. Es folgten gefeierte und umstrittene Arbeiten - "Frühlings Erwachen" und "Fräulein Julie". 1976 verließ Schleef die DDR und kehrte 1993 als Regisseur der Uraufführung von Rolf Hochhuths "Wessis in Weimar" und von Brechts "Herr Puntila und sein Knecht Matti" an das BE zurück. Seine letzte Inszenierung, die Uraufführung von Elfriede Jelineks "Macht Nichts", blieb unvollendet. Als "Spurensuche" dieser letzten Arbeit zeigt das BE die Matinee "Fragment Schleef".


Robert Ciullis multikulturelles Theaterkonzept
Mülheim/Ruhr (ddp-nrw). 1981 gründete der Italiener Roberto Ciulli gemeinsam mit dem Dramaturgen Helmut Schäfer das Mülheimer "Theater an der Ruhr". In den 90er Jahren wurde der Dialog der Kulturen unter dem Stichwort "Seidenstraßenprojekt" zum Markenzeichen des kleinen Hauses. Lange Jahre waren die meisten Länder der Seidenstraße nicht bereisbar. Seit dem Fall des eisernen Vorhangs und seitdem sich die Länder dem Westen öffnen, gewinnt diese Region immer mehr an Aufmerksamkeit und Bedeutung. Ciulli spielte mit seinem Ensemble etwa in der Türkei, in Kasachstan, Usbekistan, im Irak, in Ägypten oder China und vertiefte die Kontakte durch Diskussionen oder gemeinsame Veranstaltungen.
1998 begann er einen Austausch mit dem Iran. Der Durchbruch gelang 1999. Zum ersten Mal durfte unter der Regie von Ciulli ein deutsches Ensemble am Fadjr-Theaterfestival in Teheran teilnehmen. Zwei Jahre später eröffnete der Regisseur mit einem Festival in Mülheim erstmals den europäischen Zuschauern die Möglichkeit, einen Überblick über das iranische Theater zu gewinnen. Ciullis Idee: Gemeinsam mit Schauspielern unterschiedlicher Nationalitäten erarbeitet er eine mehrsprachige Produktion.
Das multikulturelle Theater produziert auch regelmäßig Inszenierungen mit dem angegliederten Roma-Theater "Pralipe". Gegründet wurde das Theater vor 30 Jahren in Skopje (Makedonien). Als die Truppe vor über einem Jahrzehnt in Mülheim gastierte, ermunterte sie Ciulli, in Deutschland zu bleiben und als Teil seines Mülheimer Hauses zu spielen.
(Internet: www.theater-an-der-ruhr.de)


Internationale Novalis-Gesellschaft feiert Zehnjähriges
Hettstedt (ddp). Novalis ist in. Nicht nur bei Wissenschaftlern und Künstlern, Freunden der Literatur oder einfach Romantikern der älteren Generation. Auch bei Schülern und Studenten findet Friedrich von Hardenberg, genannt Novalis (1772-1801), zunehmend Interesse. Die kleine Gemeinde Oberwiederstedt bei Hettstedt ist ihr Mekka. Dort steht das Geburtsschloss, seit nunmehr zehn Jahren Zentrum der Forschung zur Frühromantik, Museum und gesellschaftlicher Treffpunkt. Vom 3. bis 5. Mai werden Gäste aus nah und fern zum 230. Geburtstag von Novalis und zum zehnjährigen Jubiläum der Novalis-Gesellschaft erwartet.
Am 2. Mai 1992, anlässlich des 220. Geburtstages des Dichters der blauen Blume der Romantik, war in dem Renaissance-Schloss die Internationale Novalis-Gesellschaft gegründet worden, damals mit 70 Mitgliedern. Heute zählt sie mehr als 400 in 17 Ländern der Erde. Das seien mehr Mitglieder, als die bereits wesentlich ältere Gebrüder-Grimm-Gesellschaft hat, sagt Gabriele Rommel, Sekretärin der Novalis-Gesellschaft. Die Kombination von Forschungsstätte, Museum und Begegnungszentrum war "überraschend erfolgreich", so ihr Urteil. Sie konstatiert noch immer wachsendes Interesse an Novalis und seinen wissenschaftlichen und populären Arbeiten und Ansichten, vor allem bei der jüngeren Generation.
Anfangs war Novalis überwiegend als frühromantischer Dichter bekannt. Dank der Forschungsstätte erschließen sich jedoch auch die anderen Aspekte seines Lebens und Wirkens. Er war bewandert in den Naturwissenschaften, entwarf als origineller Philosoph ein immenses Enzyklopädieprojekt und ging dabei noch seinem Beruf als Jurist und Assessor bei den sächsischen Salinen nach. Viele seiner vor 200 Jahren geäußerten religiösen und politischen Ansichten und seine Visionen von einem einheitlichen Europa haben nichts von ihrer Brisanz eingebüßt, bestätigte eine wissenschaftliche Fachtagung zu dieser Thematik in Oberwiederstedt.
Derartige Veranstaltungen und Ausstellungen sind seit Gründung ein Schwerpunkt der Arbeit. 2001 wurde anlässlich des 200. Todestages des vielseitigen Poeten in Sachsen-Anhalt als Gedenkjahr begangen. Auf dem Programm stand unter anderem eine internationale Vortrags- und Diskussionsrunde zu Poesie und Poetik von Novalis. Die damit verbundene Ausstellung über "Das Werk und seinen Editoren" ist noch bis Juni zu sehen und soll dann nach Frankfurt am Main und Halle wandern. Wissenschaftler aus vielen Ländern machen inzwischen bei Europareisen im Schloss Station, um die umfängliche Bibliothek mit mehr als 4000 Werken und zahlreichen Raritäten zu nutzen.
Angesprochen werden in Oberwiederstedt jedoch nicht nur Fachleute. Auch für die Region bietet der Dichter der "Hymnen an die Nacht" und des "Heinrich von Ofterdingen" unerschöpfliches Ideenpotenzial. In immer stärkerem Maße bringen sich die Mitglieder der Novalis-Gesellschaft und die Bevölkerung aus dem Mansfelder Land mit eigenen Ideen in die Arbeit ein und beflügeln sie. Im gesamten Jahr finden in den Räumlichkeiten Vorträge, musikalische Nachmittage, Lesestunden mit bekannten Autoren, Konzerte, Märchen- und Bastelstunden sowie spezielle Veranstaltungen für Lehrer und Schüler statt. 10 000 Besucher hatte das abseits großer Touristenstraßen liegende Schloss im vergangenen Jahr.
Die Bemühungen der Mannschaft um Gabriele Rommel und ihre zahlreiche Helfer sind anerkannt. Im vergangenen Jahr gab es den Museumspreis für "geglückte Synthese zwischen wissenschaftlicher und Museumsarbeit" mit"anstiftender Kinderarbeit" und den Eintrag als "Bestseller" ins Blaubuch. Es erfasst künstlerisch und literarisch wichtige Gedächtnisorte in deutschen Landen und bescheinigt dem Novalis-Zentrum, eine unverzichtbare Kulturstätte zu sein.
Auch die finanzielle Zukunft der Novalis-Gedenkstätte scheint gesichert. Seit einem Jahr garantiert die private Stiftung des Stuttgarter Arztes Arved Grieshaber, dass weiterhin Mittel für die wissenschaftliche Arbeit, besonders auch für die sozialpädagogischen Projekte fließen. Stadt und Landkreis waren nicht mehr in der Lage, als alleinige Träger zu fungieren. "Ich glaube, mit der Kooperation von Stiftern und bisherigen Trägern ist eine gute Lösung gefunden", sagt die Novalisforscherin und Schlosschefin Rommel. Die Gäste zu den Feierlichkeiten vom 3. bis 5. Mai können kommen. Knapp 100 haben sich bereits angemeldet.
Marianne Günthner
(www.novalis-museum.de)


Literatursommer Baden-Württemberg
Marbach/Neckar (ddp-bwb). Die regionale und internationale Literaturszene hat ab Freitag in Baden-Württemberg eine neue Plattform. Dann beginnt mit einer Podiumsdiskussion im Schiller-Nationalmuseum in Marbach am Neckar der "Literatursommer Baden-Württemberg". In 107 Städten im Land soll bis in den August hinein bei insgesamt 370 Veranstaltungen die Literatur in den Mittelpunkt gerückt werden. Initiator des Projekts ist die Landesstiftung Baden-Württemberg.
Im Rahmen des Literatursommers finden unter anderem zahlreiche Lesungen statt. Daneben gibt es auch "Poetry Slams", Theateraufführungen, Arrangements von Literatur und Musik sowie Schreibwerkstätten. Die Stadt Ehingen veranstaltet zum Beispiel ein literarisches Gartenfest, in Friedrichshafen gibt es eine "Lange Nacht der Literatur", Nagold bietet eine Lesung mit Waldwanderung und auf dem Ulmer Münsterplatz können die Gäste "Lyrik nach dem Glockenschlag" genießen.
(www.literatursommer.de)


Shakespeare-Gesellschaft tagt in Weimar
Weimar (ddp-lth). Die Deutsche Shakespeare-Gesellschaft tagt seit Donnerstag in Weimar. Rund 350, vorwiegend aus dem deutschsprachigen Raum stammende Gäste setzen sich bis Sonntag mit "Autorschaft und Autorität" am Beispiel des englischen Dramatikers William Shakespeare (1554-1616) auseinander. Es sei darüber hinaus gelungen, eine Reihe namhafter Experten aus Frankreich, Großbritannien, Österreich, der Schweiz sowie aus Kanada und den USA für die Weimarer Tagung zu gewinnen, so dass ein besonders anregendes internationales Forum zu erwarten sei, erklärte der Präsident der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft e.V., Dieter Mehl.
Dabei gehe es weniger um Theorien und Spekulationen zu der Frage, ob Shakespeare ein bestimmtes Drama tatsächlich selbst verfasst habe. Im Mittelpunkt stünden vielmehr die damals üblichen "verschiedensten Formen der Kollaboration". Insbesondere zur Zeit der englischen Renaissance seien viele Texte von Autoren und Theaterleuten gemeinsam verfasst worden. Der Begriff des Autors und seine Rolle bei der Entstehung eines literarischen Werkes werde in jüngster Zeit gerade in der Shakespeare-Forschung intensiv und kontrovers diskutiert.
Zum Programm der Shakespeare-Tage, die im jährlichen Wechsel in Bochum und Weimar stattfinden, gehören nicht nur Vorträge, Diskussionen, wissenschaftliche Kolloquien, unter anderem eines für Studierende und eines für Lehrer, sowie Workshops. Die Teilnehmer besuchen zudem Aufführungen des Deutschen Nationaltheaters Weimar, darunter die Oper "Was ihr wollt" nach Shakespeare sowie dessen "Hamlet, Prinz von Dänemark". Eingebunden ist auch ein Kolloquium in eigener Sache. Dabei wollen die Mitglieder ein weiteres Stück der Geschichte ihrer literarischen Gesellschaft aufarbeiten. In diesem Jahr stehen dabei insbesondere die Umstände der Teilung und Wiedervereinigung zur Debatte.
Die Deutsche Shakespeare-Gesellschaft wurde 1864 gegründet und zählt nach eigenen Angaben heute rund 2500 Mitglieder. Sie fördert die Kenntnis, Pflege und Aneignung des Werkes Shakespeares im deutschen Sprachgebiet und stützt sich dabei auf eine enge Zusammenarbeit mit Wissenschaft, Schule und künstlerischer Praxis.
(www.shakespeare-gesellschaft.de)


PEN tagt in Darmstadt
Mit einer Lesung hat am Mittwochabend die Jahrestagung des deutschen PEN-Club in Darmstadt begonnen. Neben der Deutschen Katja Behrens waren Ruth Almog (Israel), Connie Palmen (Niederlande), Antonio Skármeta (Chile) und Jacek Bochenski eingeladen, Kostproben aus ihren Werken vorzutragen. Für den Donnerstagabend ist eine Diskussion zum Schwerpunktthema der Tagung "Medienkritik und Mediensprache" geplant. Für Freitag stehen Neuwahlen des Präsidiums auf dem Programm. Als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge des scheidenden Präsidenten Said gilt Generalsekretär Johano Strasser.