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Phonoindustrie 2003 mit stärkstem Umsatzeinbruch ihrer Geschichte +++ Der Musikbranche geht es weiterhin schlecht - Aufschwung für 2005 erhofft
Phonoindustrie 2003 mit stärkstem Umsatzeinbruch ihrer GeschichteBerlin (ddp). Für die Musikindustrie war 2003 ein denkbar schlechtes Jahr. Bereits in den beiden Vorjahren - 2002 betrug der Umsatz der deutschen Phonowirtschaft rund zwei Milliarden Euro - ging der Umsatz um jeweils zehn Prozent zurück. Nun beträgt der Einbruch nach Angaben der deutschen Phonoverbände sogar 20 Prozent. Mit dem Vorsitzenden der Verbände, Gerd Gebhardt, sprach ddp-Korrespondentin Nathalie Waehlisch über die Lage der Branche.
ddp: Die allgemeine Wirtschaftslage war 2003 sehr schwierig. Wie sah die Situation in der Musikindustrie aus?
Gebhardt: Die deutsche Phonowirtschaft hat 2003 den stärksten Umsatzeinbruch ihrer Geschichte erlebt. Der Umsatz ist nach jeweils 10 Prozent in den beiden Vorjahren nun um rund 20 Prozent eingebrochen. Wir haben jetzt etwa wieder das Umsatzniveau des Jahres 1990 erreicht, also den gesamten Boom der 90er Jahre wieder abgeschmolzen. Das ist ein Riesenproblem für die Beschäftigten, aber auch für die Künstler. Immerhin haben wir mit dem novellierten Urheberrecht einen wichtigen ersten Schritt in die richtige Richtung gemacht, dem aber noch weitere folgen müssen.
ddp: Welche Gründe sehen Sie hierfür?
Gebhardt: Sicher machen uns die allgemein schlechte Wirtschaftslage und die Konkurrenz zu anderen Unterhaltungsangeboten wie zum Beispiel Handys zu schaffen. Der Hauptgrund aber sind sicher massenhafte Musikkopien auf gebrannten CDs und Hunderte von Millionen illegaler Musikangebote im Internet. Wer ins Kino will, muss eine Karte kaufen, wer neue Turnschuhe tragen möchte, muss sie bezahlen - nur wer Musik hören will, kann sie praktisch kostenlos kopieren. Dabei wird mehr Musik gehört als je zuvor. Künstler und Verwerter können aber nur von gekaufter Musik leben, nicht von kopierter.
ddp: Wie sind Ihre Prognosen für das kommende Jahr?
Gebhardt: Leider auch nicht berauschend. Wichtigstes Ziel ist es, den Abwärtstrend zu bremsen und schließlich umzudrehen. Mit dem Start der Downloadplattform «Phonoline» und dem Ausbau des Musik-DVD-Marktes haben wir aber zwei wichtige Motoren des Musikgeschäfts der Zukunft am Start.
Der Musikbranche geht es weiterhin schlecht - Starke Umsatzeinbußen auch im Jahr 2003 - Aufschwung für 2005 erhofft
Berlin (ddp). Bei Universal Music denkt man langfristig. Kurze Zeiträume spielen keine Rolle. Da verwundert es nicht, wenn die Mitarbeiter des Plattenriesen von Chef Tim Renner zum Jahresausklang eine Flasche piemontesischen Rotweins - ein «Gattinara» vom 97er Jahrgang - bekommen, der seine volle Reife frühestens im Jahre 2012 entfaltet. Vorher, so könnte man meinen, gibt es in der Tonträgerbranche sowieso nichts zu feiern.
Denn die Lage ist ernst. Im auslaufenden Jahr hat sich die Krise gar noch verschärft: 20 Prozent weniger Tonträger wurden an den Handel ausgeliefert. Der Umsatzverlust beläuft sich ebenfalls auf 20 Prozent. Der Handel, von Liquiditätsproblemen gebeutelt, ist sauer: «Die Produkte im Musikbereich lassen zu wünschen übrig», klagte Nina Krogmann, Geschäftsführerin vom Handelsverband Musik und Medien e. V., im Branchenblatt «Musikwoche».
Für Jörg Nickl, als Vice President Communication Service bei Universal zuständig für die Außendarstellung des Unternehmens, kein Grund zur Panik. «Tatsächlich hatten wir in den vergangenen drei Jahren Umsatzeinbußen von insgesamt 40 Prozent am Markt», sagt er. «Dieses Jahr war wirklich ein schlechtes Jahr. Aber wir haben zu klagen aufgehört und unsere Hausaufgaben erledigt.» Für 2004 erwartet Nickl ebenfalls Verluste in der Größenordnung um zehn Prozent. Danach sieht er aber eine Trendwende: «2005 wird der Markt sich konsolidiert haben. Wir gehen dann von einer schwarzen Null aus.»
Helfen soll vor allem die DVD, die als einziges Format zulegen konnte. Weitere Hoffnungen richten sich auf die Super Audio CD, die Klangverbesserungen verspricht, und auf preiswerte Mini-CD-Formate mit wenigen Stücken für wenig Geld. Online soll die Download-Plattform «Phonoline» die Trendwende bringen, die zur Computermesse Cebit der breiten Öffentlichkeit vorgestellt werden soll.
Nickl glaubt, einen Bewusstseinswandel bei Internet-Usern ausgemacht zu haben. «Es ist nicht mehr selbstverständlich, alles downzuloaden.» Die Leute überlegten, ob es vertretbar ist, sich Musik bei Tauschbörsen wie Kazaa zu besorgen. Problematisch seien allerdings Nischenmärkte: «Besonders im HipHop-Bereich wird viel gebrannt.»
Um kulturelle Nischen kümmert sich auch Katja Kutsch, Produktmanagerin bei dem kleinen Elektronik-Label !K7 aus Berlin. Illegale Downloads sieht sie allenfalls als ein kleines Problem am Rande: «Unsere Kunden sind nicht so technikverrückt, obwohl es sich um elektronische Musik handelt», hat Kutsch beobachtet. «Die laden sich keine Alben herunter, sondern produzieren Musik lieber selbst.» Deshalb biete man im Internet neben kostenpflichtigen MP3-Dateien auch schon mal Noten an. Von Kopierschutzsystemen hält Kutsch nichts: «Wir haben das wieder eingestellt. Fans und Journalisten haben zu viel darüber gemotzt.»
Doch auch bei !K7 stehen die Zeichen auf Krise. «Als Independent-Firma mit treuen Kunden sind wir lange verschont geblieben. Inzwischen ist der Branchentrend aber auch bei uns angekommen.» Und so gab es zu Weihnachten keine Flasche Wein für die Mitarbeiter. Nur Plätzchen: «Selbstgebacken, die Frau vom Chef macht die immer.»
Boris Fust