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Bayreuth: Gediegenes "Rheingold" / Echter Feuerzauber in der «Walküre» +++ USA sagen israelische Konzertreise aus Furcht vor Anschlägen ab +++ Musikfestivals in Schweden +++ Enttäuschende Tabori-Inszenierung in Berlin
Bayreuth: Gediegenes "Rheingold"Mit einer gediegenen und heftig beklatschten Aufführung des "Rheingold" hat im Bayreuther Festspielhaus am Samstagabend der vierteilige Zyklus "Der Ring des Nibelungen" begonnen. Regisseur Jürgen Flimm brachte die schon in den beiden Vorjahren erfolgreiche Inszenierung nahezu unverändert auf die Bühne. Am Dirigentenpult führte Adam Fischer mit großer Ruhe durch die Welt der Götter, Riesen und Zwerge. Bei den Sängern ragte Graham Clark als Loge heraus, während sich Alan Titus in der Rolle des Göttervaters Wotan möglicherweise noch ein wenig schonte. Denn schon an diesem Sonntag wartet die nächste Aufgabe, wenn die 91. Richard-Wagner- Festspiele mit der "Walküre" fortgesetzt werden.
Gut aufgelegte Sänger haben am zweiten Abend der Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele mit "Lohengrin" für den ersten umjubelten Erfolg gesorgt. In der Titelrolle brillierte Peter Seiffert. Als Elsa gab Petra-Maria Schnitzer ein beachtliches Bayreuth-Debüt. Die ins vierte Jahr gehende Inszenierung von Regisseur Keith Warner hat weiter an Intensität gewonnen. Warner verdichtet das "Schwanenritter"-Drama in düsteren Bildern überzeugend zu einem Zweikampf zwischen Elsa und Ortrud, ihrem "Alter Ego". Der britische Dirigent Sir Andrew Davis konnte zwar einige kleine Unebenheiten nicht vermeiden, führte das Festspielorchester aber insgesamt zu einer konzentrierten Leistung.
Die 91. Bayreuther Festspiele waren am Donnerstag mit einer weithin als missglückt bewerteten Neuinszenierung des "Tannhäuser" in der Regie von Philippe Arlaud eröffnet worden.
Bayreuth: Echter Feuerzauber in der «Walküre»
Bayreuth (ddp). Nun hat Wotan seine Wunschmaid - zumindest in optischer Hinsicht. Am Sonntag feierte Evelyn Herlitzius als neue Brünnhilde ihr Debüt auf dem Grünen Hügel in Bayreuth und durfte am Ende der «Walküre» sogar hinter echtem Feuerzauber verschwinden. Regisseur Jürgen Flimm hatte just im dritten Jahr ein echtes Flammenmeer durchgesetzt. Bislang sträubte sich der Festspielchef. Zu gefährlich!
Ansonsten blieb vieles beim Alten: Siegmund und Sieglinde wälzen sich im wenig plausiblen Wintergarten. Wotan mimt den Big Boss in der Vorstandsetage eines Konzerns. Erst bei der Todesverkündung hat Flimm noch einmal Hand angelegt. Brünnhilde darf weiße Kriegsbemalung auflegen - damit versieht sie auch Siegmund -, denn am Ende des zweiten Aufzugs ist Kampf angesagt. Das Wälsungenpaar landet im von kahlen Baumstämmen abgesteckten Rund, das wie eine archaische Kultstätte anmutet. Schon bald wird hier gestorben, denn der Göttervater opfert seinen Sohn. Immerhin: Flimm überzeugt in dieser Szene mehr als in den beiden Jahren zuvor, nimmt ihr die Langatmigkeit und lässt zarte Ansätze von «Ring»-Mystik aufkommen.
Dabei gewinnt diese Todesverkündung nicht zuletzt durch die starke Bühnenpräsenz der neuen Brünnhilde. Mit ihrer mädchenhaften Figur verkörpert Evelyn Herlitzius - und das ist in diesem Fach selten - die Tochter, die Lieblingswalküre Wotans. Jedoch nur fürs Auge, denn ihr durchaus kräftiger Sopran klingt alles andere als jugendlich. Das
mag zum einen am Vibrato, zum anderen aber auch daran liegen, dass die Herlitzius fast unentwegt mit großer Opernattitüde singt und dabei an ihre Kolleginnen der 30er und 40er Jahre erinnert. Schon im Mezzoforte verliert ihre Stimme deutlich an Modulationsfähigkeit. Wirklich überzeugen kann sie erst gegen Ende des 3. Aufzugs, wenn sie endlich auch leise Töne zulässt.
Was die Brünnhilde zuviel hat, könnte Wotan (Alan Titus) durchaus gebrauchen, denn der Chefgott schwächelt zunehmend. Und so wird im Zwist mit Fricka (Mihoko Fujimura) schnell klar, wer hier die Hosen anhat. Auch Siegmund und Sieglinde sind ein nicht ganz ebenbürtiges Paar, wenngleich sich Robert Dean Smith im Vergleich zum Vorjahr gesteigert hat. Doch neben einer Violeta Urmana hat man\'s nicht leicht. Schon gar nicht neben der betörende Wärme ihres wundervoll timbrierten Mezzo. Da leuchtet auch Adam Fischers Klang noch eine Spur heftiger. Nur ausgerechnet beim Feuerzauber versagt der Dirigent das Flackern und Glimmen.
Christa Sigg
USA sagen israelische Konzertreise aus Furcht vor Anschlägen ab
Aus Sicherheitsgründen ist eine für August geplante Konzertreise des isrealischen Philharmonie-Orchesters durch die USA abgesagt worden. Aus Furcht vor Attentaten habe keine US-Versicherungsgesellschaft das Orchester und die Aufführungen versichern wollen, berichtete die israelische Tageszeitung «Jediot Acharonot» am Montag. Deshalb habe der US-Veranstalter die geplanten Konzerte in Los Angeles, Chicago und San Francisco abgesagt, zitierte die Zeitung den Orchesterchef Avi Schoschani. Die Tournee war seit einem Jahr geplant.
Musikfestivals in Schweden
In der Zeit zwischen Juli und August finden in ganz Schweden zahlreiche Musikfestivals statt. \'Musik im Glasreich\' heißt ein Festival im südschwedischen Småland. In den weltberühmten Glashütten von Orrefors, Kosta oder Boda, in alten Steinhäusern und mittelalterlichen Kirchen der Region erschallt vom 27. Juli bis 8. August Musik verschiedenster Art: Glas- und Blasmusik, nordischen Jazz bis hin zu Kammermusik und Liedgesang. Schauplatz eines Opernfestivals ist vom 2. bis 11. August der stillgelegte Steinbruch in der Provinz Dalarna. In diesem Jahr gastieren die finnische Sommeroper Savonlinna mit Giuseppe Verdis \'Rigoletto\' und die Lettische Nationaloper mit Richard Wagners \'Fliegendem Holländer\' und \'Lucia di Lammermoor\'von Gaetano Donizettis. Ein weiteres Opernfestival richtet die Vastena-Akademie im alten Theater des Wasserschlosses am Vätternsee aus. In einer eigenen Inszenierung zeigt die Akademie zwischen 26. Juli und 11. August die selten gezeigte Oper \'Die Feuersbrunst\', die Joseph Haydn zugeschrieben wird. Kammermusik gibt auf der Insel Gotland und Orgelliebhaber kommen vom 14.-18. August bei den Orgeltage im Dom zu Visby auf ihre Kosten.
Enttäuschende Tabori-Inszenierung in Berlin
Georg Taboris Inszenierung der Mozart-Oper «Die Entführung aus dem Serail» hatte am Wochenende in der Berliner Gedächtniskirche Premiere. «Das Stück ist eine ausgezeichnete Aussage über Toleranz», sagt George Tabori. Da der 88-jährige Dramatiker schon seit längerem plante, auf die Terroranschläge des 11. September in den USA künstlerisch zu antworten, entschied er sich, die Mozarts zu inszenieren. Außergewöhnlich sind die Aufführungsorte: Ein christliches, ein jüdisches und ein muslimisches Gotteshaus in Berlin. Am Samstag war Premiere in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche.
Auf dem Plakat zur Oper ist ein brennendes Flugzeug abgebildet, das in Richtung Hochhäuser rast. In der Aufführung selbst sind keine Parallelen zu den Terroranschlägen zu erkennen. Die Wahl des Stücks wirkt somit beliebig. Tabori zeigt weniger eine Operninszenierung als vielmehr eine konzertante Aufführung. Die sechs Solisten sitzen nahezu die gesamte Zeit auf ihren Stühlen vor dem Altar. Bassa Selim, vom Schauspieler Mathieu Carrière verkörpert, treibt die Handlung mit teilweise vulgären Worten voran. Kostüme gibt es nicht, als Kulisse dient der stimmungsvolle Kirchenraum mit den berühmten blauen Fenstern.
In der zweistündigen Aufführung zieht vor allem der künstlerische Leiter Christoph Hagel mit seinem wilden Dirigat die Aufmerksamkeit auf sich. In der Vergangenheit hatte er bereits ungewöhnliche Aufführungen von Mozarts «Don Giovanni» (Regie: Katharina Thalbach) und «Die Zauberflöte» (Regie: Tabori) in einer Techno-Disco und einem Zirkuszelt gezeigt.
In der hallenden Akustik der Gedächtniskirche übertönt das Orchester die aus England und Deutschland stammenden jungen Solisten. Nur die Koloraturen der Sopranistin Sylvia Koke und der weiche Bass von Dario Süß vermögen ab und zu die Klangmauer zu durchbrechen. Auch Bassa Selim ist nur selten zu verstehen.
Das ist vielleicht auch besser so. Es wirkt nicht ironisch, sondern peinlich, wenn während einer Aufführung Regieanweisungen gerechtfertigt werden. Genau dies macht Carrière: Kurz nach der Pause erklärt er, dass sein Trinken aus einer Bierdose schon seine Bedeutung gehabt habe, obwohl ihm doch als islamischer Herrscher der Genuss von Alkohol strengstens untersagt sei. Die Anweisung Taboris werde man hoffentlich noch verstehen. Als er am Ende auf der Kanzel steht, spricht er: «Wählen Sie am 22. September die toleranteste Partei!» Das nimmt der Aufführung den letzten Ernst.
Tabori schien nicht glücklich mit der Premiere. Widerwillig und erst nach der zweiten Aufforderung stellte er sich dem Schlussapplaus der 600 Zuschauer. Schließlich musste sich der Regiealtmeister wie in einer Probe mitten im Stück erheben, um lauthals Licht für die Bühne zu verlangen, auf der Instrumentalisten ihren Kurzhals- beziehungsweise Langhalslauten orientalische Klänge entlockten. Schon zuvor war nicht alles wunschgemäß verlaufen: Für die Rolle des Bassa Selim hatte der Schauspieler Michael Degen abgesagt - wegen unterschiedlicher künstlerischer Ansichten.
Der glühende Mozart-Fan Tabori scheint die Schwächen seiner Inszenierung zu kennen: «Am besten ist es, wenn die Leute die Augen schließen und die Musik genießen», sagte er in einem Interview vor der Premiere. Der Text sei nicht so wichtig. Über die Musik verstehe man Sachen, «die man gar nicht so ausdrücken kann».
Insgesamt sind in der Gedächtniskirche bis zum 16. August 15, in der Neuen Synagoge sieben (17. bis 25. August) und im Islamischen Gebetshaus der Aleviten in Kreuzberg acht Aufführungen (27. August bis 4. September) zu sehen.
http://www.mozart-tabori.de/