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Nike Wagner soll Kunstfest Weimar übernehmen +++ Neue Opern-Chefin Mielitz inszeniert in Dortmund «Meistersinger» +++ Europäische Erstaufführung von Glass-Oper +++ Erstes Celibidache-Festival beginnt in München
Nike Wagner soll Kunstfest Weimar übernehmen
orf - Die Kunstwissenschaftlerin Nike Wagner soll ab 2004 das Kunstfest Weimar übernehmen. Die Urenkelin von Richard Wagner sei die Idealbesetzung für die künstlerische Intendanz, sagte Wolfram Huschke, Mitlied des künstlerischen Beirates und des Verwaltungsrates der Kunstfest GmbH am Freitag.
Die Verhandlungen seien nahezu abgeschlossen, bestätigte er einen Bericht der "Thüringer Allgemeinen". Es sei mit vier Persönlichkeiten verhandelt worden. Das Kunstfest soll künftig mehr auf Klassik setzen.
Neue Opern-Chefin Mielitz inszeniert in Dortmund «Meistersinger»
Dortmund (ddp). Christine Mielitz liebt Herausforderungen. «Ich wollte nicht immer unter dieser Zustimmung leben», sagt die neue Dortmunder Operndirektorin. Seit Anfang September arbeitet die renommierte Regisseurin im Ruhrgebiet - ihre Intendanz am thüringischen Staatstheater Meiningen hat sie ein Jahr vor Ablauf gekündigt, um in Dortmund zu neuen Ufern aufzubrechen. Die in Meiningen für ihren «Ring des Nibelungen» gefeierte Regisseurin wagt den Sprung ins Ungewisse: In dem Thüringer Theater hatte sie zuletzt eine Auslastung von mehr als 90 Prozent. Von solchen Zahlen kann sie in Dortmund vorerst wohl nur träumen.
«Ich habe den größtmöglichen Kontrast gesucht. Deshalb bin ich nach Dortmund gekommen», sagt Mielitz. Von der ländlichen Region zog es sie in die teilweise «brutale Stadt» Dortmund. Dabei kennt Mielitz bereits das künstlerische Großstadt-Getriebe, war als Regisseurin unter anderem an der Komischen Oper Berlin und der Staatsoper Dresden tätig, weitere Gastinszenierungen führten sie quer über den Globus. Im Spätsommer inszenierte sie im australischen Sydney den «Freischütz» von Carl Maria von Weber.
Von einer «deutschen Nationaloper» in die nächste sei es da für sie gegangen, gesteht Mielitz: Der «Freischütz»-Inszenierung im Land der Kängurus schließt sich Wagners «Die Meistersinger von Nürnberg» in Westfalen an. Am 27. Oktober hat die erste Dortmunder Mielitz-Inszenierung Premiere.
In Meiningen hatte die Komplett-Aufführung des «Rings» zu Ostern 2001 an vier aufeinanderfolgen Tagen für Furore und internationale Anerkennung gesorgt. Auch in Dortmund setzt Mielitz auf den Bayreuther Komponisten. «Wagner ist ein wilder Zerstörer aus Kreativität. Von seinem Werk geht eine ungeheure Energie aus», schwärmt sie. Fragen nach der Aktualität des Komponisten beantwortet sie mit deutlichem Stirnrunzeln. Als Musiker und Komponist habe sich Wagner an «alle heiklen Themen» herangewagt - im Mittelpunkt seiner Werke stünden stets Menschen, die für etwas Gutes kämpften.
«Das sind antike Dimensionen, die da anklingen», betont die Operndirektorin. Das Gewaltige fasziniere sie an dem ebenfalls in Sachsen geborenen Wagner - thematisch wie auch musikalisch: Schließlich sei der Komponist der «Erfinder des Orchesterklangs». Zugleich warnt die Regisseurin jedoch davor, den wegen seines Antisemitismus viel kritisierten Wagner «tagespolitisch zu vereinnahmen». Es gebe kein Indiz für Judenhass in seinen Werken, betont Mielitz.
Für die Dortmunder Oper hat sich die neue Direktorin in ihrem ersten Jahr ein breites Spektrum vorgenommen. «Ich möchte ein kontrastreiches und lebendiges Programm auf die Bühne bringen», kündigt sie an. Die großen Experimente müssen da vorerst noch warten. Und: «Ich möchte hervorragende neue Sänger finden», sagt Mielitz. Bei zahlreichen Vorsing-Terminen hat sie in den vergangenen Wochen dem Ensemble schon Konturen gegeben. Derzeit sind 19 Solisten sowie 15 Gastsänger in der Dortmunder Oper beschäftigt.
Diese Profilierung ist angesichts der wachsenden Konkurrenz der E-Musik-Standorte in Dortmund und der Region wohl auch nötig. Gerade hat in Dortmund ein neues Konzerthaus eröffnet, zudem ist die Stadt eine wichtige Station der Ruhr-Triennale.
Michael Bosse
www.theaterdo.de
Europäische Erstaufführung von Glass-Oper
Zehn Jahre nach der Uraufführung an der New Yorker Met erlebt die Philip Glass-Oper "The Voyage" am kommenden Sonntag am Linzer Landestheater seine europäische Erstaufführung. Mit diesem Werk seines Freundes Glass nimmt auch Dennis Russell Davies ("DRD") seine Arbeit als Opernchef in Linz auf, wo er auch Chef des Bruckner Orchesters ist.
Er wolle für seine erste Opernproduktion am Linzer Landestheater - schon vor einem Jahr brachte er hier mit großem Erfolg die "West Side Story" heraus - "so viele Kräfte und Qualitäten des Hauses wie möglich mobilisieren, um mit einem spektakulären Paukenschlag zu beginnen", begründete Davies seine Entscheidung für "The Voyage".
"The Voyage" war ein Auftragswerk der Metropolitan Opera an Philip Glass zur 500 Jahr-Feier der Entdeckung Amerikas. Der Komponist lieferte jedoch keine musikalische Aufbereitung der Entdeckungsfahrt von Columbus. Er setzt sich vielmehr grundsätzlich mit dem Thema auseinander: Warum verlassen Menschen ihre sichere Heimat, um eine ihnen unbekannte Welt zu entdecken? Was passiert, wenn dabei völlig unterschiedliche Kulturen aufeinander treffen?
Das Libretto von David Henry Hwang stellt dazu der Figur des Columbus die Besatzung eines Raumschiffes gegenüber, das vor 15.000 Jahren von einem fremden Planeten auf die Erde stürzt.
Das Produktionsteam - außer "DRD" am Pult Daniela Kurz für Choreographie und Inszenierung sowie Benita Roth für die Ausstattung - verspricht eine sehr bewegte "neue Art von Musiktheater" für Linz. Es werde in dieser Oper kein ruhendes Moment geben, alle Figuren sind ständig auf der Reise und so in Bewegung.
Selbst der Dirigent und die Musiker des Bruckner Orchesters Linz werden in die Bühnenaktionen eingebunden. Dass diese erste Linzer Opernpremiere der Saison 2002/2003 keine übliche Regiearbeit sein wird, darauf verweist auch die Ankündigung, dass es sich bei der Glass-Oper um "choreographisches Musiktheater" handle.
Erstes Celibidache-Festival beginnt in München
München (ddp). In München wird ab Montag erstmals mit einem Festival des langjährigen Generalmusikdirektors Sergiu Celibidache gedacht. Bis zum 20. Oktober stehen zehn Orchester- und Kammerkonzerte auf dem Programm, die von Celibidache nahe stehenden Künstlern und ehemaligen Schülern des Dirigenten bestritten werden. Außerdem gibt es ein Filmfestival sowie eine Reihe mit Vorträgen und Diskussionen zum Wirken Celibidaches. Der aus Rumänien stammende Dirigent, der von 1979 bis 1996 Chef der Münchner Philharmoniker war, starb vor sechs Jahren. Er wäre in diesem Jahr 90 Jahre alt geworden.
Höhepunkte des Festivals, das von der Sergiu Celibidache Stiftung veranstaltet wird, sind ein Abend «Für Celi - Lange Nacht der Musik» im Münchner Prinzregententheater sowie ein Konzert mit den Münchner Philharmonikern, in dem Zubin Mehta die 4. Sinfonie von Anton Bruckner dirigiert. Das Festival will auch einen Beitrag zur musikalischen Nachwuchsförderung leisten, die Celibidache besonders am Herzen gelegen hatte. So gibt es ein eigenes Festivalorchester, in dem aktive und ehemalige Mitglieder der Philharmoniker junge Leute anleiten. Konrad von Abel, langjähriger Assistent Celibidaches in München, beschäftigt sich in einem Meisterkurs mit Celibidaches Dirigiertechnik.
Münchner Festival erinnert an den legendären Dirigenten Sergiu Celibidache
München (ddp). Als der Maestro vor sechs Jahren starb, bedeutete das für viele seiner Anhänger nichts weniger als das Ende der Musik. Denn Sergiu Celibidache war für seine große Gemeinde weit mehr als ein Stardirigent. Er war genialer Musiker, Philosoph, charismatischer Lehrer, Vaterfigur. Und seine umjubelten Interpretationen berühmter Werke der klassischen Symphonik setzten für die Fans Maßstäbe, an die kein anderer lebender Dirigent heranreichte. Zentrum des Celi-Kultes war München, die letzte langjährige Wirkungsstätte des Meisters. Jetzt wird in der bayerischen Metropole erstmals des Stars am Pult mit einem eigenen Festival gedacht.
Celibidache, der in diesem Jahr 90 Jahre alt geworden wäre, war einer der letzten großen Vertreter der alten deutschen Dirigiertradition in der direkten Nachfolge Wilhelm Furtwänglers. 1936 zog es den hoch begabten Rumänen, der in Bukarest Musik, Philosophie und Mathematik studiert hatte, in die Musikmetropole Berlin, wo er Assistent bei Furtwängler wurde. Als diesem nach dem Krieg wegen seiner Verstrickungen mit dem Nazi-Regime ein Dirigierverbot auferlegt wurde, sprang der junge Celibidache als Interims-Chefdirigent der Berliner Philharmoniker in die Bresche und stieg rasch zum umjubelten Star in der geteilten Stadt auf. Nach Furtwänglers Rückkehr teilten sich die beiden Musiker die Leitung des Orchesters. Als Furtwängler 1954 starb, wählten die Philharmoniker anstelle des rumänischen Feuerkopfs Herbert von Karajan zum Chefdirigenten auf Lebenszeit - eine Schmach, die Celibidache nie wirklich verwinden konnte.
Für den Musiker begann damit eine lange Zeit künstlerischer Wanderschaft. Er leitete Orchester der zweiten Liga in Italien, Schweden und Dänemark, die er allerdings dank exzessiver Probenarbeit zu Spitzenleistungen anfeuerte. Nach einer viel beachteten Zeit als Chef des Radio-Symphonieorchesters des Süddeutschen Rundfunks in Stuttgart übernahm er 1979 die Münchner Philharmoniker, die er bis zu seinem Tod fast ausschließlich dirigierte. Mit seinen Interpretationen der großen Werke von Beethoven, Brahms und Bruckner verzückte Celibidache Kritik und Publikum. In dieser langen Ära entwickelte sich auch eine außerordentlich enge Bindung zu seinen Fans in München und andernorts, die bis heute nachwirkt, und zuweilen an die Beziehung eines Gurus zu seinen Jüngern erinnerte.
Celibidache verachtete den kommerziellen Musikbetrieb und weigerte sich Zeit seines Lebens, auch nur eine einzige Schallplatte aufzunehmen. Erst nach seinem Tod kam eine CD-Edition mit Live-Mitschnitten aus seiner Münchner und Stuttgarter Schaffensperiode auf den Markt. Aus deren Erträgen finanzieren sich zwei Celibidache-Stiftungen - eine in London, die humanitäre Zwecke verfolgt, und eine in München, die das musikalische und pädagogisch Erbe des Maestros pflegt. «Celi» galt nicht nur als «Klang-Magier», sondern auch als passionierter Lehrer. «Ich unterrichte lieber, als ich dirigiere», sagte er einmal. «Es ist wichtiger und in vielen Fällen befriedigt es auch mehr.» Seine Kurse in «musikalischer Phänomenologie» und praktischem Dirigieren standen jedem offen, der den Mut hatte, sich der zuweilen ätzenden Kritik des Meisters zu stellen.
Neben verschiedenen Symphonie- und Kammerkonzerten, unter anderem mit den Münchner Philharmonikern unter Zubin Mehta, wird diese musikpädagogische Arbeit einen Schwerpunkt des ersten Celi-Festivals bilden. So wird Konrad von Abel, Celibidaches langjähriger Assistent in München, einen Dirigierkurs nach der Methodik des Meisters leiten. Der Geist des Rumänen soll auch ein eigenes Festivalorchester beflügeln. Aktive und ehemalige Konzertmeister und Stimmführer der Münchner Philharmoniker wollen in diesem Projekt das «geistige und musikpraktische Erbe» Celibidaches an junge Musiker weitergeben. Und das zum Nulltarif. Alle Künstler und Ensembles des Benefizfestivals verzichten zu Gunsten der Celibidache Stiftung auf ihre Gage.
Georg Etscheit
München (ddp-bay). Der Intendant der Sergiu Celibidache Stiftung, Mark Mast, spricht über den Celi-Kult und das pädagogische Erbe des großen rumänischen Dirigenten. Das Gespräch mit Mast führte ddp-Korrespondent Georg Etscheit.
ddp: Celibidache ist für viele Musikfreunde auch sechs Jahre nach seinem Tod immer noch eine Kultfigur. Wie ist das zu erklären?
Mast: Celibidache war eine starke, charismatische Persönlichkeit. Und er pflegte eine direkte Sprache von der Bühne zum Publikum, nicht vermittelt über den Äther. Das hatte in unserer immer schneller und unpersönlicher werdenden Zeit etwas anachronistisches. Insofern ist er Kult geworden. Ihm selbst ging es freilich nie um Kult. Ihm ging es immer um die Sache, die Substanz.
ddp: Ist das vor allem ein Münchner Phänomen?
Mast: Das ist kein Münchner Phänomen, sondern ein Celibidache-Phänomen. Und es hat auch nichts mit Sensationslust zu tun. Die Menschen, die seine Konzerte erlebt hatten, haben einfach gespürt, dass sie tatsächlich gemeint sind, dass es sie nährt.
ddp: Wollen Sie mit dem ersten Sergiu Celibidache Festival diesen Kult weiter befördern?
Mast: Es geht bei unserem Festival überhaupt nicht um den Dirigenten Celibidache, um den Star oder Klagmagier, wie er immer genannt wurde. Er selbst wollte ja nie im Mittelpunkt stehen. Ihm ging es immer um das Weitergeben. Lehren sei das höchste menschliche Tun, hat er einmal gesagt. Deshalb geht es uns vor allem darum, seine Lehre weiterzuführen, lebendig zu erhalten. Wir haben neben den Konzerten allein drei Meisterklassen und einen Dirigierkurs sowie ein eigenes Festivalorchester, die alle schon sehr gut belegt sind.
ddp: Sehr viele große Namen haben Sie aber nicht zu bieten...
Mast: Das würde ich so nicht sagen. Wir haben ja immerhin die Geigerin Ida Haendel und auch Zubin Mehta. Aber die Stärke unseres Konzeptes ist, dass wir uns in jeder Planungsfrage bemüht haben, uns so nahe wie möglich an der Persönlichkeit Celibidaches zu orientieren. Außerdem haben alle Künstler zugunsten der Celibidache Stiftung auf ihr Honorar verzichtet. Alle engagieren sich leidenschaftlich dafür, die Lehre dieses großen Mannes möglichst lebendig zu erhalten.
ddp: Wird es bei einem einmaligen «Event» bleiben?
Mast: Das Festival ist für München als Biennale konzipiert, also im zweijährigen Rhythmus. Es gibt aber auch international Interesse, in den Jahren dazwischen in andere Städte zu gehen. Angedacht sind Bukarest, London, Tokio und Paris.
ddp: Sie haben selbst bei Celibidache studiert. Was haben Sie in dieser Zeit mitgenommen?
Mast: Für mich war die Begegnung mit Celibidache und seiner musikalischen Theorie, der Phänomenologie der Musik, die wesentlichste Orientierung in meinem Leben als Musiker, sozusagen die Einnordung meines künstlerischen Kompasses. Dass man zu dem, was man empfindet, die Gesetzmäßigkeiten erfahren konnte, darum ging es. Die fünf Jahre waren der Dreh- und Angelpunkt meines Studiums und auch eine wichtige persönliche Erfahrung.
ddp: Wie kommt es, dass offenbar keiner der Schüler Celibidaches eine wirkliche internationale Karriere gemacht hat?
Mast: Wir wissen alle, wie streitbar er war. Er hat das Kulturgeschäft immer sehr kritisch gesehen, auch vielen Leuten, Kulturmanagern, vor den Kopf gestoßen. Denken Sie nur daran, wie viel Probenzeit er immer gefordert hat, um intensiv mit seinen Orchestern arbeiten zu können. Diese kompromisslose Haltung fällt jetzt auf seine Schüler zurück.