Diese Frage ist ungewöhnlich. Üblicherweise stellt sie sich umgekehrt: Braucht Kultur die Wirtschaft? Und die Antwort lautet dann ganz simpel: Ja. Die Kultur braucht die Wirtschaft heißt: Sie braucht Geld. Entsprechend lauten die Anfragen an die Unternehmen. Man argumentiert, die öffentliche Hand halte für Kulturinstitute, Künstler oder Kulturprojekte nicht genügend Geld bereit, weshalb man gezwungen sei, die Hand bei den Privaten aufzuhalten.
Diese Frage ist ungewöhnlich. Üblicherweise stellt sie sich umgekehrt: Braucht Kultur die Wirtschaft? Und die Antwort lautet dann ganz simpel: Ja. Die Kultur braucht die Wirtschaft heißt: Sie braucht Geld. Entsprechend lauten die Anfragen an die Unternehmen. Man argumentiert, die öffentliche Hand halte für Kulturinstitute, Künstler oder Kulturprojekte nicht genügend Geld bereit, weshalb man gezwungen sei, die Hand bei den Privaten aufzuhalten.Jedermann weiß, dass die öffentliche Hand – Bund, Länder und Kommunen – verpflichtet ist, ihren Kulturauftrag zu erfüllen und Kultur zu finanzieren. Nicht jeder weiß jedoch, dass diese Pflicht im Grundgesetz nicht festgeschrieben ist. Jüngst forderte der Kulturstaatsminister, man solle den Artikel 91b des Grundgesetzes um den Zusatz „und Kultur“ ergänzen. Kultur zu finanzieren ist ein freiwilliger Ermessensakt. Verräterisch ist das Wort, das in Verbindung mit Kulturfinanzierung normalerweise verwendet wird: Man spricht von Subventionierung, als könne man Kultur und Krankenhaus vergleichen. Kultur und Soziales sind grundverschiedene Bereiche. Der Kultur und ihrer Bedeutung für Gegenwart und Zukunft angemessener wäre der Begriff Investition.Tatsache ist, dass Kulturschaffende jeglicher Couleur und Provenienz sich an Wirtschaftsunternehmen wenden und das ihnen fehlende Geld aus der privaten Hand erwarten. Man bittet den Mäzen um eine Spende, man bietet dem Sponsor, höchst professionell, für Geld ganze Sponsoringpakete an. Es geht um Geld oder um den Tausch von Geld gegen geldwerte Leistungen. Während die mäzenatische Spende durchaus persönliche Züge tragen kann, definiert sich die Transaktion des Sponsorings ausschließlich über Geld. Wichtig ist hier allein, dass die Gegenleistungen ihr Geld wert sind, dass sie entsprechend gleich gültig sind. In dieser Gleich-Gültigkeit liegen zugleich die Indifferenz und Kälte jeglicher puren Transaktion. Es zählt das Geschäft auf Gegenseitigkeit in der „Win-Win“-Situation des „added value“. Kultur läuft dabei Gefahr, zwischen den Mühlsteinen betriebswirtschaftlicher Kosten-Nutzenrechnung aufgerieben und als Marketingevent hochgepulvert zu werden. Sie endet in Wirkungs- und Evaluationsanalysen, in Berechnungen der Gewinnmaximierung und Umwegrentabilität. Die weichen, kulturellen Faktoren werden zu „hard facts“. Mit Kultur hat dies am Ende nichts mehr zu tun. Dieses Worst-Case-Szenario wurde gezeichnet, weil verdeutlicht werden sollte, wie sensibel Kultur ist und der Umgang mit ihr. Wenn also sich die Frage, ob Kultur die Wirtschaft brauche, rein berechnend-rechnerisch stellt, und auf nichts anderes abzielt als auf Geld, so ist sie schnell beantwortet mit einem „Ja“. Sinnfragen bleiben uns so erspart. Nicht ganz so leicht fällt die Antwort auf die Frage, ob die Kultur auch anders von der Wirtschaft profitieren könne. Ein Licht darauf mag die eingangs gestellte Frage werfen, auch wenn sie zunächst pervertiert erscheint:
„Braucht die Wirtschaft Kultur?“. Aus rein monetärer Sicht kann diese Frage, auch umgekehrt, sofort mit „Nein“ beantwortet werden. Kultur ist ebenso wenig mit Geld identisch wie die Wirtschaft und lässt sich auch nicht auf Geld reduzieren. Selbst öffentliche Kulturinstitutionen wie etwa die Bayerische Staatsoper oder private Unternehmen wie Plattenindustrie oder Buchhandel sind gehalten, mit ihrem Kulturgut anders umzugehen als mit reiner Gebrauchsware. Insofern haben beide, die Öffentlichen und Privaten, ein Kulturangebot zu machen, das im weitesten Sinn Kultur und Gesellschaft zugute kommt. Die Förderung zeitgenössischer Werke gehört sicherlich dazu. Kultur, als Mittel zum Zweck instrumentalisiert, ist der Hort für Profitgier und Pleitegeier. Manches Musicaltheater kann ein Lied davon singen. Kunstproduktion, die allein die potenziellen Käufer, Zielgruppen ins Visier nimmt, und dabei ausschließlich das Geld im Auge hat, gerät sehr schnell zu Kunst-Gewerbe.
Mäzenatentum leisten sich hier zu Lande nur wenige Unternehmen. Wenn Wirtschaftsunternehmen ihr Kulturengagement als Marketing- oder als PR-Maßnahmen verstehen, so ist dies klug und fraglos legitim, dann und nur dann, wenn diese Maßnahmen im Kommunikations-Mix eine doppelte Zielsetzung ansteuern: den wirtschaftlichen Erfolg in Verbindung mit gesellschaftlicher Verantwortung. Kulturengagement ist mehr als ein Kommunikationsinstrument.
„Braucht die Wirtschaft Kultur?“ Die Frage ist aus Sicht der Wirtschaft eindeutig zu bejahen. Zahlen und Statistiken sollen hier nicht als Beweisgrundlage dienen. Es empfiehlt sich vielmehr, die Gedankengänge von oben weiterzuverfolgen. Die Wirtschaft „braucht“ Kultur, weil Kultur ihr das ist und ihr das vermittelt, was in Verbindung mit ihr nicht käuflich und auch unbezahlbar, mit Geld nicht aufzuwiegen ist. Sie braucht gewissermaßen den Mehrwert der Kultur.
Lassen Sie mich dies am Beispiel der BMW Group kurz erläutern, einem Wirtschaftsunternehmen, das sich aus guten Gründen seit einem Vierteljahrhundert in München und weit über die Stadtgrenzen hinaus kulturell engagiert. Kulturelles Engagement heißt aus der Sicht des Unternehmens: Kulturschaffende werden als Partner eines wechselseitigen Dialogs wahrgenommen. Das Interesse an einem solchen Dialog ist zunächst, Menschen zu begegnen, die professionell mit Kultur zu tun haben. Das Interesse fußt auf der Annahme, dass die Kulturschaffenden anders sind als wir, als unsere Techniker oder Manager, dass sie in einer Werte- und Arbeitswelt leben, die uns fremd ist. Wir sind überzeugt, dass es sich lohnt, den eigenen Erfahrungshorizont zu erweitern und fremde Welten kennen zu lernen. Es geht uns grundsätzlich um Verständigung, um wechselseitiges Verstehen und Verständnis. Es geht uns also nicht um eine Transaktion von Geld und geldwerter Leistung im oben beschriebenen Sinne, sondern wesentlich um eine Kommunikation, deren Inhalt in diesem Kontext Kultur ist, um eine Interaktion zwischen Partnern. Im Mittelpunkt steht die Beziehung zwischen individuellen Personen in bestimmten Funktionen, nicht zwischen austauschbaren Leistungen. Engagement und Emotion kennzeichnen die Beziehung, nicht Indifferenz und Kälte. In einer so geprägten partnerschaftlichen Beziehung kann erst das Vertrauen wachsen, das für den „Kulturaustausch“ notwendige Bedingung ist.
Bisher war ganz allgemein von „Kultur“ die Rede (und kaum von Kunst) und dies mit gutem Grund. Denn der „Kulturaustausch“ im kleinen Umfeld setzt Maßstäbe im Großen. Kulturelles Engagement, verstanden als zwischenmenschlicher, interkultureller Dialog, ist wohlverstanden die beste Übung für den internationalen, interkulturellen Dialog. Die Einsicht in die Kultur eines Landes, einer Nation, eines Unternehmens, einer Person und ihrer Welt ist Voraussetzung und Basis wechselseitigen Verstehens. Die BMW Group ist ein weltweit agierendes Unternehmen. Wir arbeiten in über 120 Ländern mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus über neunzig Nationen. Das Unternehmen ist auf den partnerschaftlichen, interkulturellen Dialog angewiesen. Offenheit, Toleranz, Respekt, Verstehen und Wertschätzung anderer Kulturen und Mentalitäten sind Voraussetzung für eine stabile, innere Vertrauenskultur, ein international ausgerichtetes, gutes Betriebsklima, eine fruchtbare und friedvolle Kooperation weltweit.
Die gemeinsam geteilten Werte, die gelebte Vertrauenskultur, die Kultiviertheit und der Stil des Umgangs miteinander, das Zusammengehörigkeitsgefühl und der Teamgeist prägen die Unternehmenskultur. Sie definiert die Identität des Unternehmens, den Ausdruck seines Selbstwertgefühls und Selbstverständnisses. Es wurde bereits deutlich: Wirtschaftsunternehmen brauchen Kultur, in der Doppelbedeutung: den interkulturellen Dialog, der – wohlverstanden und praktiziert – die identitätsstiftende Unternehmenskultur bestimmt. Wie komplex und kompliziert ein solcher Dialog tatsächlich ist, zeigen zahlreiche Versuche von Firmenfusionen auf internationaler Ebene.
Wirtschaft braucht Kultur auch in anderer Hinsicht. Hier geht es im engeren Sinne um die Auseinandersetzung mit den Künstlern und um Kunst. Der interkulturelle Dialog ist auch hier wesentlich. Eine gemeinsame Verständigungsbasis ist tragfähig. Dies ist wichtig, weil Image, Klischees und Vorurteile auf beiden Seiten (wie zum Beispiel Wirtschaft ist Geld; „Künstler sind Chaoten“) immer einer Korrektur bedürfen. Es geht – wie gesagt – immer auch um die Erweiterung von Horizonten und um Eröffnung fremder Welten. Wir gewinnen Einblicke und Einsichten in Denk- und Sehweisen, die uns versperrt und fremd waren. Man sagt der Kunst nach, sie habe Signalcharakter, sei wie ein Seismograf und den Künstlern, sie hätten Spürnasen für zukünftige Strömungen und Trends. Kurz: In der Verbindung mit Kunst und Künstlern haben wir die Chance, feinsinniger, sensibler zu werden, unser Wahrnehmungsvermögen und Sensorium zu schärfen und weiter vorausschauend zu sein. Dialoge mit Kulturschaffenden, Künstlern, sind immer auch ein Gedanken- und Ideenaustausch, auf dem Boden und fern der Realität, Zusammenspiele, die animieren und faszinieren, die fast immer zwecklos sind, oft ziellos, niemals sinnlos. Erfahrungsgemäß profitieren meist beide Dialogpartner.
Wirtschaft braucht Kultur. Sie braucht sie auch dort, wo sie ist, an ihren Standorten. Hier geht es um Kultur als Standortfaktor. Das Kulturangebot vor Ort spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle: Kulturell unterversorgte Gebiete werden es schwer haben, qualifizierte Arbeitskräfte mit ihren Familien anzuziehen. Dem Kulturengagement des Unternehmens im Sinne der Förderung kultureller Aktivitäten kommt eine wichtige Rolle zu. Die BMW Group hat hier jahrzehntelange Erfahrung. An BMW- Standorten bauen wir weltweit kulturelle Umfelder auf, initiieren und fördern Kulturprojekte. BMW-Werke, die Mitarbeiter, ihre Familien und die Öffentlichkeit, sei es in München oder Berlin, in Dingolfing, Eisenach, Regensburg, Oxford, in Rosslyn oder Spartanburg, nehmen das Kulturengagement sehr wohl wahr. Das, was oberflächlich oft als Imagefaktor der Kultur bezeichnet wird, wirkt in Wahrheit tiefer und für das Unternehmen positiver. Je besser und langfristiger ein Wirtschaftsunternehmen mit der Kultur zusammenarbeitet und niveauvolle Kulturaktivitäten entwickelt, umso positiver wirkt es auf sein Umfeld. Kultur regt an, verbindet, schafft Gleichgesinnte. Es strahlt auch auf das Unternehmen zurück: Das Unternehmen erscheint in einem anderen, wärmeren Licht. Kultur wirkt förderlich für die gute Reputation, für Sympathie und Glaubwürdigkeit. Diese Wirkung ist schwer zu messen, sie ist unbezahlbar und nicht käuflich. Die Wirtschaft braucht Kultur.