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Der Alltag eines Independent Labels

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Musikalische Visionen zweier Klangtüftler - Das unabhängige Münchner Klassik-Label Farao classics bietet den Großen erfolgreich Paroli


München (ddp-bay). Mittags um 13.00 Uhr ist bei Farao classics noch Frühstück angesagt. Improvisierter Frühstücksraum ist das Foyer eines früheren Bundeswehr-Kinos im Münchner Norden, dessen Saal als Studio für große Orchesterproduktionen dient. «Unsere Nacht war mal wieder etwas kurz», sagt Felix Gargerle entschuldigend. Bis 3.00 Uhr habe man noch an einem CD-Sampler über die «Sommerkonzerte» des Ingolstädter Audi-Konzerns gearbeitet - ein ambitioniertes Klassik-Festival mit Stars wie Lang Lang und dem Tenor Juan Diego Flores. Und ein wichtiger Auftrag, der Geld in die Kassen des Independent-Labels bringen soll.

Nachtschichten sind nichts Ungewöhnliches bei Farao classics. «Ohne Selbstausbeutung funktioniert das nicht», sagt Gargerle, der im Hauptberuf Geiger im Münchner Staatsorchester ist. Die Verhältnisse bei Farao classics sind typisch für die mehr als 1200 unabhängigen Musik-Labels in Deutschland. Sie werden zumeist von ihren Gründern mit großem Engagement gemanagt und sind für mehr als 50 Prozent aller CD-Neuveröffentlichungen in Deutschland verantwortlich.

Während sich das Geschäft der «Big Player» wie Universal, Sony oder Warner Music erst rechnet, wenn Zehntausende Platten oder CDs ihre Käufer finden, können die Kleinen mit ihren schlankeren, kostengünstigeren Strukturen schon mit ein paar Tausend verkaufter Platten pro Produktion in die schwarzen Zahlen kommen. Aber das ganz große Geschäft wird meist nicht daraus.

Oft seien es die unabhängigen Labels, die Künstler entdeckten und aufbauten, sagt die Geschäftsführerin des Verbands unabhängiger Tonträgerunternehmen, Musikverlage und Musikproduzenten (VUT), Eva Kiltz. «Die Großen können sich keine Experimente leisten, weil die alle börsennotiert und auf schnelle Rendite angewiesen sind», fügt Kiltz hinzu. Die garantierten allenfalls internationale Superstars wie Anna Netrebko, Rolando Villazón oder Lang Lang. Nicht selten, klagt Kiltz, profitierten die großen Labels dabei von der mühsamen Aufbauarbeit der Kleinen.

Über mangelnde Anerkennung können sich Gargerle und sein Partner Andreas Cämmerer freilich nicht beklagen. Im Oktober erhält eine Farao-CD mit Bruckners Vierter unter dem Dirigenten Enoch zu Guttenberg einen Echo-Klassik als beste Orchesteraufnahme 2008. Und vor ein paar Jahren wurde eine Aufnahme des Münchner Labels in den USA sogar für den Grammy nominiert: eine Produktion von Giuseppe Verdis Oper «La Traviata» unter Leitung von Dirigent Zubin Mehta.

Vor gut elf Jahren hatte Gargerle gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Cämmerer, der von der Pop-Musik kommt und auch selbst Film-Soundtracks komponiert, das eigene Klassik-Label gegründet. «Wir waren unglücklich darüber, wie viele Platten klingen», sagt Gargerle. «Unsere Vision war, dass ausübende Musiker einen anderen Zugang zum Endprodukt haben, und es besser sein müsste, die Kontrolle über die gesamte Produktion in einer Hand zu behalten.» Nur dann sei es möglich, technische Unzulänglichkeiten bei einer CD-Produktion zu korrigieren, ohne die Aura, den Gesamteindruck eines Konzerts zu zerstören.

Produktion, Marketing und Vertrieb - bei Farao classics liegt alles in einer Hand. Das kleine Unternehmen mit einer Handvoll Beschäftigten unterhält sogar ein eigenes Studio, was in der Branche, selbst bei den ganz Großen, mittlerweile ungewöhnlich ist. Das frühere Bundeswehr-Kino mit einem 600 Quadratmeter großen, Holz getäfelten Saal, sei ein fast idealer Ort, sagt Cämmerer. Einen Stock höher liegt das mit moderner Technik vollgestopfte Tonstudio. Hier verbringen die beiden Klangtüftler Gargerle und Cämmerer zahllose Stunden beim Anhören und Schneiden ihrer Aufnahmen.

Georg Etscheit