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Deutscher Buchpreis 2009 für Kathrin Schmidt

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Frankfurt/Main - Sie sitzt im Kaisersaal des Frankfurter Römers zwei, drei Reihen hinter der aktuellen Literaturnobelpreisträgerin, doch der große Schlussapplaus an diesem Abend gebührt ihr: Kathrin Schmidt wird zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse für ihren Roman «Du stirbst nicht» mit dem Deutschen Buchpreis 2009 ausgezeichnet.

Als der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Gottfried Honnefelder, die Preisträgerin ans Podium bittet, steht Schmidt für einen Moment sprachlos da. Sie habe keine Rede vorbereitet, sagt sie. Und erklärt dann: «Meine Freude über den Nobelpreis für Herta Müller ist noch immer ein bisschen größer als über diesen Preis hier.» Ein Raunen geht durch den voll besetzten Saal.

«Du stirbst nicht» erzählt vom Erwachen einer Komapatientin. In der Begründung der Jury heißt es, der Roman schildere mit großer Sprachkraft von der «Wiedergewinnung der Welt». Dem Leser werde «Silbe um Silbe» erfahrbar gemacht, wie die Protagonistin «Fragmente der Welt wieder zusammensetzt». Dazu werde in dem Buch die Geschichte einer Familie und einer Liebe «im Echoraum der Wendezeit» erzählt.

Die sieben Juroren erkannten darin den Stoff für den «besten Roman deutscher Sprache» in diesem Jahr. Seit 2005 vergibt der Börsenverein des Deutschen Buchhandels dafür den mit 25 000 dotierten Deutschen Buchpreis. Die Jury sichtete in diesem Jahr insgesamt 154 Romane. Auf die sogenannte Shortlist, also in die engere Auswahl für den Preis, schafften es neben Schmidts Buch Rainer Merkels «Lichtjahre entfernt», Herta Müllers «Atemschaukel», Norbert Scheuers «Überm Rauschen», «Die Frequenzen» von Clemens J. Setz und Stephan Thomes «Grenzgang».

Die Entscheidung der Buchpreis-Jury fiel am Sonntag, als schon bekannt war, dass Herta Müller am 10. Dezember in Stockholm mit der höchsten Auszeichnung der literarischen Welt geehrt werden wird. Ob die Nobelpreisträgerin auch den Deutschen Buchpreis erhalte, war eine viel diskutierte Frage bis zum Montagabend. Der erste große Applaus an diesem Abend im Frankfurter Kaisersaal jedenfalls gilt ihr. «Wir sind stolz auf unsere Nobelpreisträgerin», sagt Börsenvereinsvorsteher Honnefelder. Eine halbe Stunde später gibt er Kathrin Schmidt als Buchpreisträgerin bekannt.

Die 51-jährige Autorin mit dem roten Haar, wohnhaft in Berlin und in der DDR aufgewachsen, erzählt in «Du stirbst nicht» ein Stück ihrer eigenen Geschichte. Vor sieben Jahren lag sie nach einer Gehirnblutung im Koma, genau wie ihre Protagonistin. «Ich wollte diese Geschichte nie erzählen», sagt Kathrin Schmidt nach der Preisverleihung, «aber das Thema hat mich angesprungen.» Sie habe darstellen wollen, wie eine Frau ihre Sprache zurückgewinnt, sie sich wiederaneignet. Die Literaturkritikerin der Wochenzeitung «Die Zeit», Iris Radisch, die in der Jury für den Buchpreis saß, sagt, wer Schmidts Roman lese, fühle sich, als sei er bei einer Geburt dabei.

Kathrin Schmidt sagt nach der Preisverleihung, sie habe ihre eindringliche Koma-Erfahrung bereits verarbeitet gehabt, bevor sie sich ans Schreiben des Romans gesetzt habe. Schließlich zieht die Autorin noch eine Parallele zwischen ihrem Leben und ihrem Buch: Als Schülerin sei sie im Sprint recht schlecht, im Ausdauerlaufen aber sehr gut gewesen. «Mein Buch kam im Frühjahrssprint kaum zum Zuge. Dann lasen es immer mehr, es trug sich langsam selbst bis zu diesem schönen Finale.» Schmidt fügt hinzu: «Ich möchte dem Buch danken, weil es von mir gelernt hat.»