Die Ministerpräsidenten der Länder werden sich am Donnerstag in Dresden wohl zum letzten Mal inhaltlich mit dem 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag auseinandersetzen. Das Vertragswerk, das unter anderem die Online-Aktivitäten von ARD, ZDF und Deutschlandfunk regelt, soll soweit fertiggestellt werden, dass es auf dem Ländertreffen im Dezember unterschriftsfertig ist.
Die private Medienwirtschaft, die den Staatsvertrag erst durch eine Klage in Brüssel erzwang, ist enttäuscht: Statt Begrenzung sieht sie einen «Expansionsstaatsvertrag», wie der Präsident des Verbands privater Rundfunk und Telemedien (VPRT), Jürgen Doetz, am Mittwoch im ddp-Gespräch sagte.
Der VPRT hatte sich im April 2003 an Brüssel gewandt: Die Privatsender beklagten Wettbewerbsverzerrung - unter anderem im Online-Bereich, weil ARD und ZDF teils kommerzielle Netzangebote aus der Rundfunkgebühr finanzierten. Deshalb verlangten sie einen klaren Programmauftrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Vier Jahre später, am 24. April 2007, schickte die EU-Kommission ihre Antwort nach Deutschland. Die für Medien zuständigen Bundesländer bekamen zwei Jahre Zeit, die Maßgaben in einen Staatsvertrag umzusetzen. Unterzeichnen die Ministerpräsidenten im Dezember, geht das Papier durch die Länderparlamente und kann, wenn alle zustimmen, im Mai 2009 in Kraft treten - gerade noch pünktlich.
Von dem vom VPRT mit der Intervention in Brüssel angestrebten Programmauftrag, was die Öffentlich-Rechtlichen dürfen und vor allem, was sie nicht dürfen, - davon wird im 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag nichts zu lesen sein. Im Gegenteil: Der «Auftrag» der Öffentlich-Rechtlichen wurde noch erweitert: Neben Bildung, Information und Beratung haben die Angebote der Sender jetzt auch der «Unterhaltung zu dienen», wie es im Entwurf heißt. Und das betrifft auch die Angebote im Internet. «Das ist natürlich eine Verschärfung der Wettbewerbssituation», moniert Doetz.
Den sogenannte Drei-Stufen-Test, der künftig über die Zulassung öffentlich-rechtlicher Internetangebote entscheidet, bewertet Doetz ebenfalls kritisch. Zwar sei die Einführung «formal ganz erfreulich». Da aber in einer «Übergangsbestimmung» bestehende Angebote bis 2010 rückwirkend bewertet werden sollen, sei zu befürchten, dass die Begutachtung «pauschal abgehandelt wird».
Und selbst die geplante Sieben-Tage-Regelung, wonach alle Sendungen, die ARD und ZDF ins Internet stellen, dort nur eine Woche abrufbar sein dürfen, erbost Doetz. Denn zugleich räumt der Staatsvertrag den Sendern «zeitlich unbefristete Archive mit zeit- und kulturgeschichtlichen Inhalten» ein, sofern diese den Drei-Stufen-Test durchlaufen. «Die Regelung wird aufgeweicht werden, wie der ganze Staatsvertrag», ist Doetz überzeugt.
Mehr als den Zielen der Privatsender kommt der Staatsvertrag den Zeitungs- und Zeitschriftenverlegern entgegen. Als Anlage ist eine «Negativliste» beigefügt, die ARD, ZDF und Deutschlandfunk unter anderem Anzeigenportale, Preis- oder Versicherungsrechner, Spiele und Musikdownloads, Partner-, Kontakt-, Stellen- und Tauschbörsen sowie Ratgeberportale ohne Sendungsbezug im Internet untersagt.
Eine neuerliche Beschwerde in Brüssel, wie sie der VPRT noch im August erwägte, dürfte vorerst allerdings aussichtslos sein. Die Länder stimmen sich unter der Leitung der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei bis zur letzten Minute eng mit Brüssel ab. Der Austausch mit den dortigen Experten sei «sehr weit«, sagte der Leiter der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei, Martin Stadelmaier, auf ddp-Anfrage.
Um letzte Fragen etwa zur Zulassung neuer Digitalkanäle zu beantworten, gibt es am 11. November noch eine Anhörung, bei der auch der VPRT dabei sein wird. Allerdings rechnet Doetz nicht mehr mit gravierenden Änderungen. Aber auch wenn es jetzt nicht gelungen sei, den Programmauftrag klar zu definieren, «wir werden nicht locker lassen», sagt er und will die weitere Entwicklung nach Unterzeichnung des Vertrages «sehr genau beobachten». Sollten tatsächlich neue Wettbewerbsverzerrungen entstehen, «dann aber sieht man uns in Brüssel wieder».