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FINALE – Ende einer Notationssoftware?

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Chronik und Konsequenzen einer angekündigten Abschaltung
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Die Nachricht hat in Fachkreisen bereits die Runde gemacht: die Notationssoftware FINALE wird seit dem 26. August 2024 nicht mehr weiterentwickelt, sodass die aktuelle Version 27.4 die letzte bleiben wird. Dazu kommentiert Claus Kühnl:

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Das Problem dabei ist vor allem, dass Version 27 auf Rechnern mit neuen Betriebssystemen in absehbarer Zeit nicht mehr laufen wird. Als Komponist von Kunstmusik arbeite ich seit ziemlich genau 20 Jahren mit dieser Software. Nicht, dass ich mit diesem Programm besonders glücklich gewesen wäre: Die ganze Struktur ist hauptsächlich auf die Bedürfnisse von Filmkomponisten und Notenkalligraphen klassischer Musik ausgerichtet und wenn man sehr differenzierte Bauelemente wie Mikrointervalle, irreguläre Taktarten oder auch graphische Elemente notieren will, muss man zeitaufwändig tricksen. Die Audiofunktion kann man dabei ohnehin weitgehend vergessen. Im Laufe der Jahre wurde FINALE gewissermaßen zu meinem Lieblingsfeind, denn ich konnte letztlich zwar alles schreiben, musste dabei aber sehr oft den Standards des Systems entgegenwirken. Nicht selten brachten zudem neue Versionen des Programms Verschlimmbesserungen mit sich. Ich arbeitete dennoch damit weiter, weil ich keine Alternativen sah: Die Software SIBELIUS hätte mir auch nicht nützlicher sein können und LilyPond war mir (bis jetzt) zu umständlich in der Handhabung.

Dann kam vor etwa 8 Jahren DORICO auf den Markt. Durch meine Student*innen und einen befreundeten Kollegen informiert, kann ich auch dazu etwas äußern, möchte aber vorab skizzieren, wie man mit FINALE weiterarbeiten könnte, falls man nicht, oder noch nicht, auf die konkurrierenden Systeme umsteigen möchte. Für diesen Zweck sehe ich zwei Möglichkeiten: entweder man arbeitet mit zwei Rechnern, oder man installiert auf seinem Rechner eine Virtual Machine. Im ersten Fall würde ich jetzt kein Betriebssystem-Update mehr auf dem aktuellen Rechner durchführen. Wenn man irgendwann dazu gezwungen wird, würde ich diesen altgewordenen Computer nur noch für die Arbeit mit FINALE und Adobe zur Herstellung und Bearbeitung der Notendateien beiseite­stellen und die PDFs bei Bedarf per USB-Stick in einen neu anzuschaffenden Computer überführen.

Will man kein Geld für einen neuen Rechner ausgeben, käme der zweite Fall infrage: man installiert zwei Betriebssysteme auf einem Gerät: das alte zum Notenschreiben und das neue für die Kommunikation. Ich bin nicht besonders technikaffin, habe mich aber schlau gemacht: man könne auch direkt Dateien zwischen den verschiedenen Systemen verschieben, was zur Folge hätte, dass man vom selben Rechner aus FINALE benutzen könnte und beispielsweise sein Mailprogramm. Virtuelle Maschinen auf einem Mac lassen sich vermutlich aber nur auf macOS Monterey 12 und neueren Betriebssystemen installieren.

Den jungen Komponist*innen würde ich raten, ab jetzt mit LilyPond zu arbeiten oder mit DORICO. Bin zwar kein Prophet, aber es würde mich nicht wundern, wenn SIBELIUS in naher Zukunft auch nicht mehr unterstützt werden würde. Der große Vorteil bei LilyPond ist, dass es sich um ein freies Notensatzprogramm (Open Source) handelt. Das heißt: es kostet nichts und man kann nicht in eine Situation geraten, wie sie eben gerade bei einer kommerziell betriebenen Software wie FINALE aufgetreten ist. Man kann mit LilyPond, das auf allen gängigen Betriebssystemen läuft, auch avancierte Möglichkeiten wie irrationale Taktarten oder Mikrointervalle realisieren und per MIDI abspielen! LilyPond ist allerdings ein textbasiertes Notensatzprogramm und nutzt die Auszeichnungssprache (englisch: markup language) LaTeX. Der Inhalt wird also mit dieser maschinenlesbaren Sprache eingegeben und die Form, also das erwünschte Partiturnotenbild, sieht man unmittelbar nach der Eingabe ebenfalls auf dem Bildschirm an anderer Stelle. Es ist aber sogar ein „leichteres Editieren“ möglich durch das Programm Frescobaldi als zusätzlicher Software zu LilyPond.

Kommerzielle Alternative?

DORICO bietet auf jeden Fall eine Benutzeroberfläche, die den üblichen Notenschreibprogrammen ähnelt. Frank Heckel ist seit 2017 einer der offiziellen Trainer für DORICO, ist aber nicht bei der Firma Steinberg, deren Techniker die neue Software entwickelt haben, angestellt. Wie er mir erklärte, kann man mit DORICO mühelos jedes Mikrointervall centgenau schreiben und auch abspielen. Irrationale Taktarten, also solche, deren Nenner keine Eins, Zwei oder Zweierpotenz aufweisen, lassen sich problemlos schreiben, müssen allerdings bis jetzt noch zusätzlich durch eine veränderte Tempoeingabe abspielbar gemacht werden, was man bei FINALE natürlich auch machen kann. Hier und beim folgenden Problem bestünde noch Optimierungsbedarf: DORICO verfügt bis jetzt nicht über graphische Gestaltungsmöglichkeiten, die mit denen von FINALE vergleichbar wären. Bleibt zu wünschen, dass die Entwickler*innen von DORICO den Kunstmusik-Komponist*innen künftig noch mehr entgegenkommen und dass man nicht in erster Linie auf Kundschaft von der Filmindustrie aus ist.

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Finale für Finale

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Der obige Notenschnipsel stammt aus meinem eben entstandenen Stück „Dunkle Frage II“ für Schlagzeug solo. Es hält den Beginn einer rhythmischen Modulation, die zu einem fast stufenlosen großen Accelerando führt, schriftlich fest: Die Achtel des vierten Beispieltaktes (T. 23) sind genauso schnell, wie die „Achtel“ im 3/10-Takt davor und so weiter.

Die Noten wurden mit FINALE geschrieben. Zum Abspielen (zum Beispiel als Einstudierungshilfe für die Schlagzeuger*in) musste ich aber eine weitere Datei erzeugen, bei der fast jeder Takt eine eigene Metronom-Vorschrift aufweist: zum Anhören perfekt, zum Lesen der reinste Irrsinn, während die Notation mit den irrationalen Taktarten angenehm übersichtlich ist.

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