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Interview mit Staatsministerin Christina Weiss

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Kulturstaatsministerin Christina Weiss spricht mit der Süddeutschen Zeitung (28.1.) über die ersten 100 Tage im Amt, über Reformen und über ein gemeinsames Dach für die Kulturstiftung der Länder und die Bundeskulturstiftung.

Süddeutsche Zeitung:
Frau Weiss, in dieser Woche sind Sie 100 Tage im Amt. Sie sind im Herbst enthusiastisch begrüßt worden, zugleich wurde bedauert, dass Ihre Kompetenzen nicht ausgebaut worden sind. Ist das Amt stark genug?

Christina Weiss: Die Kulturpolitik hat mit dem Bundeskultur- und Medienbeauftragten erstmals ein Gesicht bekommen, national wie international. Das ist schon ein deutlicher Fortschritt. Auch die Koppelung an das Kanzleramt ist durchaus sinnvoll. Unbestritten ist aber auch, dass man das weiter optimieren kann. Die Trennung zwischen inländischer und auswärtiger Kulturpolitik ist von der Konzeption her nicht zeitgemäß.

Wie stehen die Chancen, das zu ändern?

Das steht zur Zeit nicht zur Debatte. Man müsste sich das auch sehr genau überlegen. Natürlich brauchen wir gerade in Krisengebieten den Schutz und die Logistik des Auswärtigen Amtes zum Beispiel für die Mitarbeiter der Goethe-Institute im Ausland. Hier gibt es Konsens. Mir kommt es hauptsächlich darauf an, dass man eine partnerschaftliche Kooperation entwickelt, gerade bei den Inhalten von Kulturpolitik. Da muss sich noch einiges bewegen.

Sie sind die Dritte. Michael Naumann hat dem Amt viel Aufmerksamkeit verschafft, Julian Nida-Rümelin konnte vermittelnd einiges durchsetzen. Wie sehen Sie sich in dieser Reihe?

Ich sehe meine Rolle in der Synthese und verstärkt in der Vermittlung und Moderation der Lösung von Problemen im Kulturbereich wie der Theater- oder Museumslandschaft. Das stand bei meinen Vorgängern nicht so im Vordergrund. Ich glaube, dass die Kommunen und die Länder politische Unterstützung des Bundes brauchen. Die Diskussion läuft inzwischen auch anders als vor zwei Jahren, als es hieß, der Bund soll sich bitte raushalten und alles entflechten lassen, damit die Aufgabenbereiche ganz klar getrennt sind. Die meisten Länder sehen das nicht mehr so eng. Das Miteinander ist wichtiger geworden als das Gegeneinander.

Liegt es an den knappen Mitteln?

Man hatte Angst davor, dass der Bund den Ländern und Kommunen etwas wegnimmt. Diese Angst ließ sich ein wenig abbauen. Wir machen ja eine Bundeskulturpolitik für ein föderales System, sind dazu da, die Kräfte zu verstärken, zu helfen, wo Schwierigkeiten auftauchen, Stimme der Kultur zu sein und wo sie gewünscht wird, Moderation anzubieten. Das ist doch keine Bedrohung. Diese schlichte Erkenntnis hat sich in den Ländern durchgesetzt.

Aber wie wollen Sie etwa der Theaterlandschaft helfen. Es gibt den Vorschlag, sie zum Kulturerbe zu erklären. Was will der Bund tun, wenn in Weimar oder anderswo ein Theater gefährdet ist?

Zeit für nur symbolische Akte haben wir nicht. Wir sind aktiver gefragt, gerade in Weimar, aber auch in Berlin. Der Bund kann nicht überall mit Geldspritzen durch die Gegend laufen und die Probleme zukleistern. Was der Bund tun kann, und was ich in den letzten drei Monaten immer wieder getan habe, ist: die Krise wahrnehmen, Lösungsvorschläge machen, moderieren, wenn irgendwo Streit entsteht, etwa zwischen Politikern und Vertretern der Kultur. Es ist für Finanzpolitiker sehr leicht zu sagen, fusionieren wir doch. Aber eine Kulturlandschaft lässt sich durch Fusionen weder sanieren noch wirklich billiger machen. Eine Kulturlandschaft konstituiert sich aus ihrer Vielfalt. Sie braucht aber auch vernünftige Strukturen, um überleben zu können, wenn es nicht jedes Jahr mehr Geld gibt. Wir haben in der Vergangenheit im Westen Deutschlands und in Berlin eine Subventionspolitik betrieben, bei der es einfach hieß: Der eine gibt Geld und darf sich nicht einmischen, und der andere macht, was er will, und wenn er Schulden macht, werden sie beglichen. Diese Zeiten sind endgültig vorbei.

Nun haben, gerade in Berlin, zur Erhaltung der Vielfalt, viele gehofft, der Bund werde die Staatsoper übernehmen. Warum sind Sie hart geblieben?

Weil es nicht sinnvoll ist. So wie es von uns gefordert war, hieß es, wir kaufen eine Oper mit hohem Sanierungs- und Reformbedarf und die beiden anderen mit ebenfalls hohem Sanierungs- und Reformbedarf bleiben beim Land Berlin und können weiter finanziert werden, ohne dass sich etwas ändert. Das habe ich aus Prinzip abgelehnt. Bundeskulturpolitik kann nicht darin bestehen, einzelne Theater, Opern oder Orchester zu übernehmen. Das wäre ein konzeptioneller Fehler. Nach intensiven Abstimmungsgesprächen unterstützen wir jetzt Berlin darin, alle drei Opern zu erhalten, eine Großfusion zu verhindern und die Struktur der Bühnen so zu reformieren, dass Sparpotenziale genutzt werden. Voraussichtlich werden wir uns an einer Anschubfinanzierung für die geplante Opernstiftung beteiligen.

In welcher Höhe?

Das muss von Berlin exakt berechnet und von uns geprüft werden, und dann muss man sehen, wie viel Geld zur Verfügung steht. Der Bund ist ja auch in einer finanziell nicht leichten Situation. Ich strebe eine Paketlösung an, die in den neu zu verhandelnden Hauptstadtkulturvertrag einfließen wird. Ein Teil wird die Opernreform betreffen, ein Teil andere Institutionen, von denen man sagen kann, sie erfüllen bundespolitische Aufgaben.

An welche denken Sie?

Wir überlegen - das legt das Engagement bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz nahe -, uns stärker als bisher an der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten zu beteiligen sowie an der Akademie der Künste oder der Stiftung Deutsche Kinemathek. Alles wird davon abhängen, wie viel Geld zur Verfügung stehen wird.

Erwarten Sie Widerspruch, dass Sie sich zu sehr in Berlin engagieren?

Wir engagieren uns in Berlin aus zwingenden historischen und politischen Gründen. Unser Engagement für die Hauptstadt ist auch notwendig, weil es hier mehr Einrichtungen als in anderen Bundesländern gibt, die eindeutig keine landestypischen Institutionen für Berlin sind. Denken Sie nur an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz oder das Jüdische Museum.

Ist es da noch sinnvoll, dass der Bund in Berlin trotz des großen Angebotes zusätzliche Festspiele bezahlt?

Es gab mit den Festspielen im letzten Jahr ein Problem, das auch durch falsches Marketing verursacht war. Wir finanzieren eine GmbH, die unter anderem die Berlinale oder das Theatertreffen, sehr florierende Festivals also, betreibt. Auch das Jazz-Fest ist ein Riesen-Erfolg. Die Maerz-Musik gehört zu den vielversprechenden Neuerungen. Die Festwochen als Teil der Festspiele, die im vergangenen Jahr erstmals unter dem neuen GmbH- Dach veranstaltet wurden, sind jedoch aus dem Rahmen gefallen. Wir diskutieren jetzt darüber, wie man die Schwerpunkte anders setzen kann. Da zu wenig Geld da ist, um ein ganz großes Programm zu machen, stellt sich die Frage, ob man nicht etwas ganz anderes machen sollte.

Die Bundeskulturstiftung konnte nur gegründet werden, weil man die Entflechtungsdebatte in Kauf nahm . Um diese scheint es ruhig geworden...

Nicht wirklich ruhig. Die Kulturstiftung des Bundes ist ein sehr wichtiges Instrument. Wir sind dabei, in diesem Jahr ein gemeinsames Dach für die Kulturstiftung der Länder und die Bundeskulturstiftung zu bauen. Dabei soll der Zuschnitt aller Förderzweige noch einmal neu überdacht werden. Darüber besteht Einvernehmen mit den Ländern. Wir arbeiten gegenwärtig dafür ein Modell aus. Ich setze dabei auf den neuen Geist der Kooperationsbereitschaft auf allen Seiten.

Ebenfalls in diesem Jahr steht die Novellierung des Filmförderungsgesetzes an. Wie weit ist das gediehen?

Eine Novellierung des FFG muss bis zum 1. Januar 2004 vorliegen. Sehr viele Vorschläge wurden gemacht, deshalb werde ich viele Gespräche noch einmal neu führen. Für mich ist wichtig noch einmal auszuloten, auf welche Punkte es wirklich ankommt. Können wir nur eine kleine Reform machen oder gelingt uns eine große Reform?

Was wäre eine kleine, was eine große Reform?

Vieles hängt davon ab, wie die finanzielle Ausstattung bei der Filmförderung aussieht. Gelingt es, dass die Fernsehanstalten aus ihren Gebühreneinnahmen Filmförderung - in den Ländern und im Bund - finanzieren dürfen? Wir haben in diesem Punkt Einigkeit mit den Ländern erzielt, benötigen allerdings noch das "Ja" der Ministerpräsidenten und der Länderparlamente. Eine solche Einigung nützt dem deutschen Film insgesamt. Ich werde noch einmal mit den Intendanten der Rundfunkanstalten und auch den privaten Veranstaltern sprechen. Vielleicht gelingen auch neue Kooperationsmodelle. Ich hoffe, dass wir Werbeplätze für deutsche Filmproduktionen erhalten.
Wir müssen auch die Messinstrumente für den Erfolg eines Filmes überdenken. Es kann nicht allein die Anzahl der Besucher eines Films sein, die dafür ausschlaggebend ist. Auch die Anzahl der Nominierungen auf Festivals, der errungenen Preise, der Einladungen ins Ausland müssen eine Rolle spielen. Und wir sollten noch einmal das Marketing künstlerisch wertvoller Filme neu bedenken. Tun wir genug für den Vertrieb, das Marketing? Das muss verbessert werden. Zum 25. Februar habe ich wieder das Bündnis für den Film eingeladen, zuvor gibt es viele Einzelgespräche. Es ist leider sehr oft der Fall, dass man mit großen Entwürfen anfängt und dann kommt im Konsens nur etwas ganz Kleines heraus.

Das kennen Sie ja aus Hamburg.

Das kenne ich sehr gut, aber ich kenne auch die Erfahrung, dass man für manch kleine Reform zwar vier Jahre braucht, aber dann kommt im fünften Jahr die große Reform.

Quelle:
http://www.bundesregierung.de/Themen-A-Z/Medien-
,463.464742/Interview-mit-Staatsministerin.htm