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Rettung durchs Rahmenprogramm?

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Trends und Themen auf der Frankfurter Musikmesse 2019
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Wer lange nicht mehr auf der Musikmesse Frankfurt war, hat sie dieses Jahr kaum wiedererkannt. Schon weil die riesigen Hallen 3 und 4 deutlich luftiger gefüllt waren als früher. Bei „Europas größter Messe für Musikinstrumente und Noten, Musikproduktion und -vermarktung“ sucht man Stände der europäischen und vor allem der heimischen Hersteller inzwischen vergebens – kein Meinl oder Sonor bei den Schlagzeugen, kein Bechstein oder Blüthner bei den Klavieren, kein Kühnl oder Weimann bei den Blechblasinstrumenten.

Die Hallen sind fest in chinesischer Hand, was eben der Entwicklung des Marktes in den vergangenen Jahren entspricht. Ein Beispiel für viele: die meisten der zwölf noch existierenden deutschen Klavier-Hersteller (in den Zwanzigerjahren waren es noch über tausend!) gehören inzwischen asiatischen Firmen, zuletzt wurde Schimmel 2016 vom chinesischen Staatskonzern Pearl River übernommen. Übrigens gehört auch der legendäre amerikanisch-deutsche Marktführer Steinway seit 2013 einem Hedgefonds.
China ist heute also auch bei den Musikinstrumenten die Werkbank der Welt. Abgesehen von High-End- und Spezialprodukten haben fast alle Hersteller die Produktion dorthin verlagert, und so hat „Music China“ in Shanghai der Frankfurter Messe längst den Rang abgelaufen. Kommt hinzu, dass sich der Markt wie in so vielen Branchen vom Einzelhandel ins Internet verlagert hat – Stichwort Thomann, der die Preise diktierende europäische Marktführer im Internethandel, an dem mittlerweile so manches Ladengeschäft zerschellt ist.

So hat auch der Generalist Yamaha, lange Zeit der wohl wichtigste Aussteller, auf Direktvertrieb umgestellt und lässt die Frankfurter Musikmesse inzwischen links liegen. Hochbetrieb und Neuheiten findet man dementsprechend eher beim seit 2001 im Verbund und heuer erstmals zeitgleich stattfindenden Messezwilling „Prolight and Sound“ rund um die Technologie der Musikbranche. Angesichts dieser Umbrüche durch Digitalisierung und Internet, mit neuen Herstellungs- wie Vertriebssituationen bei sinkenden Margen rechnen sich die happigen tausend Euro Standmiete pro Quadratmeter in Frankfurt für die meisten nicht mehr, nicht zuletzt für Musikverlage aller Art. Zumal heuer mit dem „Musicpark“ in Leipzig ein (günstigerer) Konkurrent aufgetaucht ist.

Die Messegesellschaft Frankfurt versuchte zu reagieren: mit der Verlängerung um einen auf fünf Tage mit einem für alle offenen abschließenden Samstag, vor allem aber mit einem riesigen Rahmenprogramm. Längst ist die Musikmesse eine Eventmesse geworden, mit der „Plaza“ auf dem Messegelände (mit Vintage-Ausstellungen, Lifestyle-Themen und Bühne); mit mehr als hundert unter dem passenden Titel „Festival“ stehenden und über die Bühnen der ganzen Stadt verteilten Konzerten von Samy Deluxe bis zu Gregory Porter; mit diversen Konferenzen und Preisverleihungen (vom Deutschen Musikinstrumentenpreis über den Deutschen Pianistenpreis und den Frankfurter Musikpreis bis zum Europäischen Schulmusik-Preis); mit dem „Immersive Technology Forum“, wo die Besucher Live-Demos der Technologien rund um Virtual- und Augmented Reality, Immersive Audio, Holographie oder 3D-Mapping erleben konnten; schließlich mit den Clinics, Workshops, Interviews und Kurzauftritten in der „Circle Stage 3.0“ – die allerdings ärgerlicherweise nur durch einen Vorhang vom tosenden Hallenlärm geschützt war.
Hier war der Verbesserungsbedarf sofort erkennbar, andere Probleme sind wohl schwerer zu bewältigen. Vielleicht sollte man über einen zweiten offenen Tag nachdenken, scheint doch der Versuch, über mehr Publikum wieder mehr Aussteller zu gewinnen, der gangbare weitere Weg zu sein. Wohl auch beim Jubiläum, der 40. Ausgabe im kommenden Jahr.       

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