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Die Zeit der kostenlosen Nutzung der US-Radiosender im Internet wird vielleicht bald zu Ende sein. Die Vereinigung der US-Plattenindustrie, die Recording Industry Association of America (RIAA) will bei Sendern, die übers Internet senden, bald hohe Lizenzgebühren einsammeln.
Für Kleinstunternehmen könnte das den endgültigen Sendeschluss bedeuten. Bis zum 21. Mai will die US-Behörde "U.S. Copyright Office" ihre Entscheidung treffen: Sollen Online-Anbieter tatsächlich anders behandelt werden als traditionelle Radiosender? Diese bezahlen vier Prozent ihres Umsatzes an Komponisten und Song-Autoren, aber keinen Cent an die Plattenlabels. Die so genannten Aufführungsgebühren fallen nicht an, das legt ein US-Gesetz aus dem Jahr 1930 fest. Darin wird argumentiert, dass die Radiosender schließlich kostenlose Werbung für Musikaufnahmen machen und damit den Plattenlabels das Geschäft erheblich erleichtern. Diese alte Regel wurde aber 1998 für Online-Medien aufgehoben. Ein damals verabschiedetes Gesetz zum Schutz des Urheberrechts legt fest, dass bei Online-Sendungen Aufführungsgebühren fällig werden. Auf die Höhe sollten sich Sender und Plattenindustrie einigen. Das gelang nicht, und deshalb schritten die Beamten des Copyright Office ein.Sie erarbeiteten im Februar einen für die RIAA besonders ertragreichen Plan, nach dem die Online-Sender nicht etwa einen Prozentanteil ihres Umsatzes abführen müssen, sondern eine feste Summe: 0,14 US-Cent pro Song und pro Hörer. Aus diesem winzigen Betrag würde für beliebte Sender mit großem Publikum schnell eine sechsstellige Dollarsumme. "Dies wird die Online-Radiounternehmen vernichten", befürchtet Kurt Hanson, der Herausgeber von RAIN, einem Branchenfachblatt der Internet-Radios. "Für viele der Sender würden dann Gebühren anfallen, die das Doppelte oder Dreifache ihres Jahresumsatzes ausmachen", rechnet Hanson vor. Besonders entsetzt ist er über eine Bestimmung, nach der die Gebühren rückwirkend ab dem Jahr 1998 gelten sollen.
Die RIAA steht nun am Pranger, weist aber energisch den Vorwurf zurück, an der Zerstörung einer blühenden Online-Radiokultur zu arbeiten. "Die Websender haben offenbar einen Weg gefunden, alle anfallenden Geschäftskosten zu finanzieren", spottete der RIAA- Vertreter Steven Marks unlängst in einem Interview mit der "New York Times". Die Sender bezahlten immerhin für ihren Internet-Anschluss, ihre Computer und ihre Software. "Und sie sollten auch in der Lage sein, für die Musik zu zahlen, auf der sie ihr Geschäft aufbauen", argumentiert Marks.
Vertreter der Radiosender halten diese Einwände für heuchlerisch. Sie befürchten, dass die RIAA selbst ein Radioangebot aufbauen will, das Kleinsendern keinen Platz mehr ließe. Hanson gibt gerne zu, dass dies ein wenig nach einer "Verschwörungstheorie" klingt. Aber völlig grundlos ist die Befürchtung wohl nicht. Denn das Online- Radiogeschäft würde nur dem Vorbild der Online-Musikbörsen folgen. Dort werden schon jetzt unabhängige und kostenlose Anbieter von Kommerz-Diensten der Medienkonzerne verdrängt.