Body
Frankfurt/M. : Tauziehen um Suhrkamp Verlagsanteile +++ Berlin: Schlingensief startet «Fernsehmaschine» in Berlin +++ Dresden: Staatsschauspiel verzeichnet höchste Besucherzahl seit 1991
Frankfurt/M.: Tauziehen um Suhrkamp VerlagsanteileFrankfurt/Main (ddp-hes). Seichte Unterhaltung war nie die Sache von Suhrkamp. Im Verlagsprogramm der Frankfurter finden sich seit jeher eher moderne Klassiker wie Hermann Hesse oder Bertolt Brecht. Jetzt aber liefert ausgerechnet der Verlag mit dem gehobenen Anspruch Stoff für eine Schmonzette um Intrigen und Machtansprüche: Ein von Suhrkamp angerufenes Schiedsgericht soll über die Rechtmäßigkeit des Verkaufs von Gesellschafteranteilen des Verlagshauses entscheiden.
Seit dem Tod des als patriarchalisch geltenden Verlegers Siegfried Unseld im Jahr 2002 läuft es nicht mehr richtig rund bei Suhrkamp. Namhafte Autoren sprangen ab, einflussreiche Verlagsangestellte mussten gehen. In Ermangelung eines aus seiner Sicht würdigen Nachfolgers hatte Unseld versucht, die Geschicke des Verlages auf mehrere Schultern und Beiräte zu verteilen. Mit der Umsetzung betraute er dabei seine Gattin Ulla Unseld-Berkewicz. Die Witwe übernahm selbst den Vorsitz der Familienstiftung, die mit 51 Prozent Mehrheitseigner des Verlags ist.
Doch spätestens seit dem Weggang des langjährigen geschäftsführenden Programmdirektors Rainer Weiss im Juni 2006 regte sich bei Gesellschafter Andreas Reinhart der Unmut über den Führungsstil der Witwe und Verlegerin. Der Schweizer Geschäftsmann wollte daher seine Verlagsanteile von 29 Prozent an die Familienstiftung verkaufen. Als die Verhandlungen am Geld scheiterten, kündigte Reinhart an, seine Anteile anderweitig zu veräußern. Mit den beiden Hamburger Geschäftsleuten Claus Grossner und Hans Barlach fand der Schweizer zwei dankbare Abnehmer.
Doch mit den neuen Gesellschaftern ist der Verlag nicht einverstanden. Nicht zuletzt, weil der Investmentbanker Grossner und der Medienaktionär Barlach bereits im Vorfeld Unseld-Berkewicz kritisierten. Die Verlegerin soll private Interessen und die des Verlages vermischt haben, dazu ist von «strukturellen Unregelmäßigkeiten» die Rede. Durch die Vorwürfe gab es bereits vor der offiziellen Übernahme der Gesellschaftsanteile zum 1. Januar juristische Querelen. «Wir haben gegen Grossner und Barlach Strafanzeigen wegen Verleumdung und übler Nachrede gestellt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt», sagt Verlagssprecher Thomas Sparr.
Viel wichtiger als die strafrechtliche Klage ist aber die zivilgerichtliche Auseinandersetzung um den Verkauf der Gesellschaftsanteile. Suhrkamp moniert, der Verkauf der Anteile hätte der Zustimmung der anderen Gesellschafter bedurft. Die Crux: Ex-Gesellschafter Reinhart hat nicht explizit die Anteile verkauft, sondern seine Schweizer Volkart-Holding aufgesplittet. Die daraus entstandene «Medienholding Winterthur AG» mit den 29 Prozent Suhrkamp-Anteilen ist nun im Besitz der beiden Hamburger Grossner und Barlach.
So entbrennt bei der anstehenden juristischen Auseinandersetzung schon der Streit, wo der Fall denn nun zu verhandeln ist. «Es geht um Anteile einer deutschen Gesellschaft, also wird in Deutschland verhandelt», ist sich Suhrkamp-Sprecher Sparr sicher und hält Reinharts Manöver für einen «durchsichtigen Umgehungstatbestand». «Es könnte auch Schweizer Gesellschaftsrecht betroffen sein», gibt Stephan Möller, Sprecher des Frankfurter Landgerichts in Zivilsachen, hingegen zu bedenken. Dann dürfte es Suhrkamp schwer fallen, die auf Schweizer Boden getätigte Transaktion zu verhindern.
Warum genau der traditionsreiche Suhrkamp-Verlag gegen die neuen Anteilseigner vorgehen will, ist nicht ganz sicher. «Darüber könnte man viel spekulieren, fest steht, dass Gesellschaftsrecht verletzt wurde», sagt Sparr. Schöngeistige Ambitionen können Grossner und Barlach indes nicht abgesprochen werden. Zudem steht beiden mit dem erfahrenen Ex-Verleger Arnulf Conradi ein kompetenter Fachmann beratend zur Seite. Einfluss auf das Verlagsprogramm könnten die Hamburger als Minderheitseigner ohnehin kaum nehmen. Sie streben eher die ihnen als Gesellschafter zustehenden Einblicke in die Bilanzen an.
Ungeachtet dessen hat der Verlag nun eine Ausschlussklage in die Wege geleitet. «Wir haben ein Schiedsgericht angerufen», bestätigt Sparr und spricht dabei von einer «etwas verwickelten Prozedur». Die Schiedsgerichtsvereinbarung sei im Gesellschaftsvertrag des Verlags vorgesehen. Je ein Vertreter beider Parteien und ein neutraler Richter sollen dann in nicht-öffentlicher Sitzung über die Rechtmäßigkeit der Anteilsverkäufe beraten. Sparr gibt sich zuversichtlich: «Die Herren Grossner und Barlach werden nicht Anteilseigner und dafür haben wir auch ganz gute Gründe.»
Berlin: Schlingensief startet «Fernsehmaschine» in Berlin
Berlin (ddp). Theaterregisseur Christoph Schlingensief startet unter dem Titel «10 Jahre Talk 2000» in der Berliner Akademie der Künste eine neue Reihe seiner «Fernsehmaschine»-Talkshows. Vom 15. bis 26. Januar bieten «Die Piloten» in sechs Flügen (Folgen) mit Passagieren aus Kultur, Politik und Unterhaltung einen «Blindflug in neue, alte, verheißungsvolle abgegriffene Fernsehregionen, in denen sich Parlamentsdebatten endlich mit Daily Talks vereinen oder \'Germany\'s next Topmodel\' das \'Wort zum Sonntag \' spricht», wie der Künstler am Mittwoch mitteilte.
Die mobile und nach allen Seiten offene Studiobühne Schlingensiefs steht bis 26. Januar im gläsernen Foyer der Akademie am Brandenburger Tor «mit Sicht auf den Pariser Platz und Rücksicht auf das Holocaust-Denkmal, so dass auch die Welt außerhalb der Flimmerkiste Einblick in die Schaltzentrale nehmen kann». Die Piloten starten an allen drei Aufführungstagen jeweils um 18.00 und 20.30 Uhr.
Dresden: Staatsschauspiel verzeichnet höchste Besucherzahl seit 1991
Dresden (ddp-lsc). Das Staatsschauspiel Dresden hat im vergangenen Jahr die höchste Besucherzahl seit 1991 verzeichnet. Insgesamt kamen 166 418 Zuschauer in die 622 Vorstellungen, wie Intendant Holk Freytag am Mittwoch in Dresden sagte. Das waren rund 13 000 Gäste mehr als 2005. Auch die Auslastung der verschiedenen Spielstätten stieg den Angaben zufolge von 60,4 Prozent auf 66,4 Prozent. Laut Freytag gehörte dabei der Dezember zu den erfolgreichsten Monaten in der Geschichte des Staatsschauspiels. 26 595 Besucher sorgten für eine Auslastung von rund 80 Prozent.
Den Angaben nach sorgten insbesondere die Inszenierungen von «Tintenherz» von Cornelia Funke, «Die Physiker» von Friedrich Dürrenmatt, «Mephisto» von Klaus Mann sowie «Prof. Unrat» von Heinrich Mann für großen Zulauf. Freytag zeigte sich erfreut, «dass
unser Publikum gutes Theater erkennt und anspruchsvolle Inszenierungen ihren Zuspruch finden». Das Staatsschauspiel habe dabei bewusst nicht auf populäre Fernsehgesichter gesetzt oder das «Genre der Komödie überstrapaziert».