Body
Münchner Kammerspiele sollen GmbH werden +++ Moabiter Hansa-Theater spielt wieder +++ Erwin Strittmatter wäre am 14. August 90 Jahre alt geworden
Münchner Kammerspiele sollen GmbH werden
München (ddp). Die Kammerspiele und die städtischen Museen in München sollen im Rahmen von Sparmaßnahmen in andere Betriebsformen überführt werden. Wenn der Umbau der Münchner Kammerspiele Anfang 2003 vollendet sein soll, werde die gegenwärtige Betriebsform des Theaters neu überdacht, sagte die Kulturreferentin der bayerischen Metropole, Lydia Hartl, der Nachrichtenagentur ddp.
Auch andere große Institutionen wie die städtischen Museen müssten verschlankt werden. Im Zuge des Sparkurses solle unter anderem darüber nachgedacht werden, die Einrichtungen in GmbHs zu überführen. Außerdem stünden einige der 130 Planstellen der Münchener Philharmoniker auf dem Spiel. Im Rahmen der Haushaltssperre, die rund 70 Millionen Euro umfasst, stehe München eine «Grundrevision» bevor.
Die Münchner Kammerspiele werden seit sechs Jahren umgebaut. Der Etat dafür beträgt rund 110 Millionen Euro. Die erste Produktion im renovierten Haus soll im April 2003 über die Bühne gehen.
Moabiter Hansa-Theater spielt wieder
Berlin (ddp-bln). Das Berliner Hansa-Theater in Moabit spielt nach mehrmonatiger Pause wieder. Die Premiere der «Komödie Im Dunkeln» des britischen Autors Peter Shaffer ist am Samstagabend mit freundlichem Beifall aufgenommen worden. Für den Start erwies sich das handlungsarme, auf Situationskomik setzende Stück als zu leichtgewichtig und zugleich zu schwerfällig in seinem An- und Ablauf. Regie führte der neue Schauspieldirektor Stefan Lehnberg. Für die Ausstattung sorgten Alexandra Jacob und Serap Bahadir. Den Nachwuchskünstler Brindsley Mittler zwischen zwei Frauen, der für hinreichend Verwirrung sorgt, spielt Martin Klodzinsky.
Der neue Hansa-Theater-Direktor André Freyi erklärte zum Wiederbeginn der Theaterarbeit in Moabit zu den gestrichenen Senatsmitteln, die Schließung eines Theaters bedeute für jede Stadt einen tiefen kulturellen Einschnitt sowie einen sozialen und kulturpolitischen Verlust. Als Privattheater sei das Haus auf Kultursponsoring angewiesen. Inzwischen seien solche Partner gewonnen worden.
Im September soll es drei Premieren geben: Am 18. September Sean O\'Caseys «Das Ende vom Anfang» mit Michael Altmann und Heinz Werner Kraehkamp, inszeniert von B. K. Tragelehn, zuvor das Ein-Personen-Stück «Die Sternstunde des Josef Bieder» von Eberhard Streul und Otto Schenk mit Walter Renneisen (11. September) und «Der Kiez macht mit» mit Theater-Events, Musik der Kulturen und vielem mehr (14. September). Am 2. Oktober folgt das Solostück «Der Kontrabass» von Patrick Süskind wiederum mit Walter Renneisen.
In Vorbereitung befindet sich zudem, inszeniert von Stefan Lehnberg, «Silent Macbeth» nach Shakespeare in der Art eines Stummfilms - speziell auch an gehörlose Theaterinteressenten gerichtet. Lehnberg war zuvor an den Städtischen Bühnen Nürnberg engagiert und arbeitete als Sketchschreiber für Harald Schmidt. Er liebt besonders Slapstick und schwarzen Humor.
Das Hansa-Theater bietet auch «Das Dunkle Paket» an, den Doppelpack von Theaterabend und anschließendem Drei-Gänge-Menü im nocti vagus, einem «Dunkel- Restaurant», in dem auch Licht sparend musiziert wird. (Karten dafür über 030- 39 909 909)
Erwin Strittmatter wäre am 14. August 90 Jahre alt geworden
Berlin (ddp-lbg). «Ich lebe zwei Leben. Eines als Pferdezüchter und eines als Schriftsteller. Eines weiß vom anderen nichts, aber sie profitieren voneinander.» Diesen Satz konnte Erwin Strittmatter 1969 ohne Koketterie in seinen Tagebüchern notieren. Zwei Jahre später wurde er sowohl Ehrenmitglied der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft in Dollgow als auch in die Akademie der Künste der DDR gewählt. Zu diesem Zeitpunkt hatte der am 14. August 1912 in Spremberg geborene Strittmatter längst seine literarische Fangemeinde unter Erwachsenen und Kindern. «Der Wundertäter» (Erster Band), «Ole Bienkopp», «Schulzenhofer Kramkalender», «Tinko» und «Pony Pedro» waren da bereits veröffentlicht.
Ehe der Sohn eines Bäckers und Kleinbauern zum Schreiben fand, arbeitete er als Tierwärter, Kellner, Chauffeur, Bäcker und Landarbeiter. Nach der Bodenreform war er Kleinbauer, später für mehrere Jahre Lokalredakteur einer Tageszeitung in Senftenberg. Seinen ersten Roman «Ochsenkutscher» (1951) schrieb Strittmatter in der Freizeit. Er widmete sich bereits hier dem Thema, das sich später auch in seinen weiteren Arbeiten finden wird: dem Kampf der «kleinen Leute» um mehr Gerechtigkeit.
Die Veröffentlichung von «Ochsenkutscher» bedeutete für Strittmatter, künftig als freier Schriftsteller zu arbeiten. Hilfreich für den Erfolg war die vierjährige Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht, der für den heranwachsenden Künstler als Mentor fungierte. Brecht führte nicht nur das Strittmatter-Drama «Katzgraben» am Berliner Ensemble auf, sondern ebnete auch den Weg in den Schriftstellerverband der DDR. Auch der erste Nationalpreis für Strittmatter ging letztlich auf einen Vorschlag von Brecht zurück. Vom Mai 1953 bis zum Tod von Brecht im August 1956 war der Schriftsteller sogar Mitglied des Berliner Ensembles.
Wenn Strittmatter in späteren Jahren auch als Volksdichter galt, so stand er dem Regime und vor allem der SED doch kritisch gegenüber. Repressalien wie Nichtveröffentlichung seiner Bücher musste er dennoch nicht befürchten. Davor bewahrten ihn vor allem seine Popularität und seine Herkunft. Andererseits unterschrieb er nicht den Protest von Intellektuellen gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann 1976. Die danach beginnende Vergiftung der kulturpolitischen Atmosphäre in der DDR traf aber auch Strittmatter. Der geplanten Veröffentlichung des letzten Teils der Romantrilogie «Der Wundertäter» ging laut heute bekannter Dokumente eine Diskussion im SED-Politbüro voraus. Die Absprache lautete schließlich: Erscheinen des Buches, begleitet von kritischen Rezensionen (unter anderem im SED-Blatt «Neues Deutschland»).
Im «Wundertäter» erzählt Strittmatter autobiografisch die Lebensgeschichte vom Glasmachersohn Stanislaus Büdner, der sich vom Bäckergesellen mit Hang zur Poesie zum kritischen Schriftsteller entwickelt. Als 1980 endlich der von den Lesern lang erwartete dritte Band veröffentlicht wurde, bildeten sich vor den Buchläden im Osten lange Schlangen. Strittmatters Bücher erreichten insgesamt eine Millionenauflage. Er wurde in mehr als 40 Sprachen übersetzt, aber, wie er selbst anmerkte, «nicht ins Westdeutsche». Im Westen galt er lange als «linientreu», weil er den Mauerbau 1961 begrüßt hatte. Der S. Fischer-Verlag hatte daraufhin die geplante Auslieferung vom «Wundertäter» (Erster Band) zurückgezogen.
Erst knapp zehn Jahre nach dem Untergang der DDR und vier Jahre nach dem Tod von Strittmatter bekommt der Schriftsteller 1998 auch bundesweit einen Namen: Jo Baiers Verfilmung der autobiografischen Roman-Trilogie «Der Laden» erreichte rund fünf Millionen Zuschauer in der ARD. Der Film erhielt 1999 den Adolf Grimme Preis.
Regisseur Baier sprach in einem Interview über seine Begeisterung für das Werk: «Strittmatters Menschen sind so anrührend und liebevoll entworfen, sind so lebendig und individuell, dass ich sicher bin, man wird sich für sie interessieren und sich mit ihnen identifizieren». «Der Laden» erzählt über drei Jahrzehnte die Geschichte der Bäcker- und Krämerfamilie Matt in Bossdom in der Niederlausitz nahe der polnischen Grenze. Wie ein Chronist beobachtet und kommentiert Titelheld Esau Matt das Familienleben. Es sind die Erlebnisse Strittmatters im Deutschland vor der Teilung.
In seinen letzten Lebensjahren zog sich der immer naturverbundene Schriftsteller auf seinen geliebten Schulzenhof, den er 1954 vom Nationalpreisträger-Geld gekauft hatte, im märkischen Dollgow zurück. Die Lyrikerin Eva Strittmatter, gleichzeitig beste Kennerin der Werke ihres Mannes, hat anlässlich seines 90. Geburtstages am Mittwoch eine Auswahl von unveröffentlichten Geschichten im Aufbau-Verlag herausgebracht. «Geschichten ohne Heimat» sind Beobachtungen des Alltags, Satiren und weitere Erzählungen, so über den Besuch der Strittmatters bei Halldór Laxness in Island. Ebenfalls bei Aufbau ist
«Erwin Strittmatter. Eine Biographie in Bildern» erschienen, herausgegeben von Eva Strittmatter und Günther Drommer. Strittmatter starb am 31. Januar 1994. Er ist auf dem kleinen Friedhof des Vorwerks in Schulzenhof begraben.