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Zürich trennt sich von Christoph Marthaler +++ 285 900 Zuschauer sahen neuen Störtebeker auf Rügen
Zürich trennt sich von Christoph Marthaler
orf - Das Zürcher Schauspielhaus trennt sich Ende der Saison 2002/03 von seinem künstlerischen Direktor Christoph Marthaler. Angesichts der stetig sinkenden Zuschauerzahlen sei klar geworden, dass Marthalers künstlerisches Konzept mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht weitergeführt werden könne, teilte der Verwaltungsrat des Theaters am Samstag mit. Auch die erhöhten städtischen Subventionen reichten nicht aus, um das Programm, wie die künstlerische Direktion es anstrebe, zu realisieren, heißt es in der Mitteilung. Ein Nachfolger wurde noch nicht benannt.
Erst Anfang Juni musste sich Marthaler einem von der rechtsnationalen Schweizer Volkspartei (SVP) angestrengten Volksbegehren stellen, dass den Finanzbedarf des Theaters zum Thema hatte. Der Umbau einer ehemaligen Werfthalle zu einem neuen Kultur- und Werkzentrum, das 2000 eröffnet wurde, sowie Besucherschwund im Stammhaus Am Pfauen haben das Schauspielhaus in Finanznöte gebracht.
Unter dem Motto "Sterben lassen, was nicht lebensfähig ist" wetterte sie gegen Missmanagement an einem "dekadenten Theater" und nahm auch eine Teilschließung in Kauf. Hinter dem Schauspielhaus standen vor wenigen Monaten noch eine Gemeinderatsmehrheit sowie die meisten Medien, die vor einer internationalen Blamage warnen.
Letztlich wurde bei dem Referendum mehr städtische Zuschüsse zum Spielbetrieb sowie eine Beteiligung an der Kostenüberschreitung beim Bau der neuen Spielstätte Schiffbau mit knapper Mehrheit gebilligt. Dafür stimmten rund 53 Prozent, während 47 Prozent dagegen votierten. Nach der Billigung höherer Subventionen in der Volksabstimmung gelobte das Zürcher Schauspielhaus den direkten Kontakt zum Publikum weiter zu vertiefen. Umsonst. Auch die erhöhten Mittel sollen jetzt nicht ausreichend sein.
Der 51-jährige Marthaler, der als brillant und eigenwillig zugleich gilt, war 2000 als künstlerischer Direktor nach Zürich gekommen. Vor seiner Rückkehr in seine Heimat arbeitete er unter anderem am Schauspielhaus Hamburg und der Volksbühne Berlin. Während die Kritiker jubelten, nahm das Publikum seine Inszenierungen zwiespältig auf. Erst vor wenigen Tagen wurde das Schauspielhaus Zürich zum zweiten Mal in Folge in einer Kritikerumfrage der Zeitschrift "Theater heute" mit dem Titel "Theater des Jahres" im deutschsprachigen Raum ausgezeichnet.
Die erste Spielzeit des neuen Teams verlief noch leicht chaotisch. Spielpläne wurde geändert, Premierentermine nicht eingehalten oder Vorstellungen über Nacht abgesagt, so dass Abonnenten dem Schauspielhaus den Rücken kehrten. Politische Gegner traten auf den Plan, als der Polit-Provokateur Christoph Schlingensief den "Hamlet" als Aussteigerprojekt für deutsche Neonazis präsentierte. Obwohl das Haus auch Altbewährtes von Goethe bis Strindberg bot, allerdings von jungen Regisseuren in radikal modernisiertem Gewand, waren die Ränge mitunter nur spärlich besetzt, die Auslastung lag um die 50 Prozent. Allerdings traf der Besucherschwund nur das Stammhaus, die zweite Spielstätte des Schauspielhauses, der Schiffbau, entpuppte sich schnell als Publikumsmagnet.
In der letzten Spielzeit hatte sich der Pulverdampf etwas verzogen. Dazu hat nicht nur der gebremste Besucherschwund im Pfauen, sondern auch Marthalers persönliches Werben ums Publikum beigetragen. Er lud zum "Tag der offenen Tür" oder stellte sich bei TV-Talk-Shows und Informationsabenden kritischen Fragen.
285 900 Zuschauer sahen neuen Störtebeker auf Rügen
Ralswiek (ddp-nrd). Mit dem traditionell großen Höhenfeuerwerk über dem Jasmunder Bodden sind am Samstagabend auf Rügens ausverkaufter Naturbühne Ralswiek die Störtebeker-Festspiele 2002 ausgeklungen. Das Piratenspektakel mit dem neuen Hauptdarsteller Sascha Gluth haben in diesem Sommer rund 285 900 Zuschauer gesehen, wie Intendant Peter Hick sagte. Damit sei die zehnte Open-Air-Saison an der Ostsee trotz der sommerlichen Wetterkapriolen wieder ein voller Erfolg gewesen. Lediglich einmal habe eine der Abendvorführungen «Die Strandräuber» wegen eines heftigen Regenschauers kurzzeitig unterbrochen werden müssen.
Nach Ansicht des Theaterchefs hat sich das teilweise verjüngte Ensemble sofort in die Herzen der Zuschauer gespielt. Der 31-jährige Sascha Gluth sei bereits für die nächste Saison wieder als Störtebeker verpflichtet worden, sagte Hick. Im zweiten Teil des aktuellen Seefahrer-Zyklusses sollen die Likedeeler zum ersten Maldie Segel ihrer hölzernen Koggen hissen und nordeuropäische Gefilde verlassen, um im Mittelmeerraum gegen die «Pfeffersäcke» zu kämpfen. Die Zuschauern werden dann erstmals eine historisch verbürgte Geschichte vor südländischem Flair erleben. Regisseur Roland Oehme und Bühnenbildner Falk von Wangelin planten für die Neuauflage des Theaterspektakels unter anderem eine riesige Drehbühne mit einer mehrseitig bespielbaren Festung.