Body
Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf feiert 10. Jubiläum +++ Baumann läuft und liest zu Ehren von Hermannn Hesse +++ Minutenlange Ovationen für «Die Nibelungen» in Worms
Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf feiert 10. Jubiläum
Wiepersdorf (ddp). Mit einem Sommerfest ist am Sonntag das zehnjährige Jubiläum des Künstlerhauses Schloss Wiepersdorf nahe Jüterbog in Brandenburg gefeiert worden. Nach Angaben von Direktorin Doris Sossenheimer kamen rund 1500 Besucher. Ihnen wurde ein Programm mit Lesungen, Musik, Ausstellungen und Theater geboten.
Der einstige Wohnsitz des Dichterpaares Bettina und Achim von Arnim ermöglicht Stipendiaten aus aller Welt Arbeitsaufenthalte fernab jeglichen Rummels. Schon zu DDR-Zeiten diente das Barockschlösschen im Niederen Fläming Dichtergrößen als Erholungsheim. Mit der Wiedereröffnung 1992 knüpfte die Stiftung Kulturfonds an diese Tradition an. Träger sind die Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
Baumann läuft und liest zu Ehren von Hermannn Hesse
Calw (ddp-bwb). Der Langstreckenläufer und Olympiasieger Dieter Baumann wird am kommenden Donnerstag in Calw zu Ehren des Schriftstellers Hermann Hesse lesen und laufen. Wie die Organisatoren des Calwer Hesse-Festivals am Freitag mitteilten, will der neue Vize-Europameister um 18.00 Uhr im Kursaal in Hirsau aus Hesses Werk «Knulp» zitieren. Anschließend seien Zuhörer und interessierte Sportler zu einem «gemütlichen Trainingslauf» mit Baumann über zehn Kilometer eingeladen.
Den wegen Dopingverdachts in die Schlagzeilen geratenen Ausnahmeathleten reizt den Angaben zufolge «die Figur des ausgezehrten Vagabunden Karl-Eberhard Knulp, den das Böse nie überwältigen kann, ihn aber in ausweglose Einsamkeit treibt». Die Veranstaltung findet im Rahmen des Calwer Hesse-Festivals statt. Der Dichter und Literaturnobelpreisträger Hermann Hesse wurde vor 125 Jahren in der Stadt im Nordschwarzwald geboren.
Minutenlange Ovationen für «Die Nibelungen» in Worms
Worms (ddp). Hagen von Tronje bekommt eine Gnadenfrist. Erst weit nach Mitternacht scheidet der kühne Recke dahin, gemeuchelt von der Hand der schönen Kriemhild. Das ist zwar eine halbe Stunde später als erwartet, aber alles andere als eine Überraschung. Im übrigen bieten Autor Moritz Rinke und Regisseur Dieter Wedel eine durchweg moderne Interpretation des historischen Stoffes. Bei der Premiere am Samstagabend feierten 2000 Zuschauer «Die Nibelungen» in Worms minutenlang mit Ovationen.
Der reitende Bote kommt auf einem Drahtesel daher und die Könige fahren Jeep. Die Soldaten tragen NVA-Uniformen und Maschinenpistolen gibt es auch. Das sind nur die äußeren Zeichen. Rinke hat das alte Nibelungenlied von Grund auf neu geschrieben, entlang der historischen Linien moderne Bezüge gesucht und Parallelen gezogen. Liebe und Macht, Intrige und Krieg sind 1500 Jahre nach dem Massaker an den Burgundern aktueller denn je.
Kriemhild, die Revoluzzerin, in der der Autor Anklänge an den Terrorismus der 70er Jahre sieht, setzt Maria Schrader herausragend in Szene. Sie lehnt sich zunächst gegen die höfische Gesellschaft auf, sinnt später auf perfide Rache und steuert schließlich unaufhaltsam in den Wahnsinn.
Götz Schubert entspricht nur äußerlich dem Ideal des Siegfried: blaue Augen, groß gewachsen, muskulös. Ironisch, witzig, mit vielen Nuancen zeichnet er dagegen ein filigranes Bild des Königs von Xanten. Poetisch haucht er noch sein Leben aus - nie war ein Heldentod so schön.
Gunter, der junge König der Burgunder, ist die Persiflage auf einen Herrscher. Schwankend zwischen Lethargie und Leidenschaft, gibt Wolfgang Pregler die Figur der Lächerlichkeit preis.
Der feiste Schöngeist Gernot, ein wandelnder Zitatenschatz in Samt und Seide, bringt nur das nötigste Verständnis für die Belange des Staates auf. Josef Ostendorf nimmt man ganz selbstverständlich ab, dass es im Leben wichtigere Dinge gibt.
Schließlich Giselher. Der jüngste der Burgunder-Brüder ist ein lebendig gewordener Bravo-Starschnitt. In der Rolle des aufbrausenden Jugendhelden und Frauenschwarms fuchtelt André Eisermann mit Schwert und Jeansmantel über die Szene.
Das Korrektiv dieser kranken Welt gibt Uwe Friedrichsen. Ungemein authentisch ist sein Rüdiger von Bechelaren - ein guter Mensch und kein Moralapostel. In seiner zweiten Rolle als «Mann im Mantel» ist Friedrichsen der Erzähler auf der Bühne.
Über allem schwebt Hagen von Tronje. Mario Adorf spielt überzeugend diesen Mann, der ein Diener vieler Herren zu sein scheint. Letztlich offenbart sich aber seine Treue zu den Burgundern. Mit jeder seiner Entscheidungen und Wendungen will er den Wormser Hof stärken. Dass der ihn in die Katastrophe treibt, merkt er viel zu spät.
Wedel ist eine überzeugende Regiearbeit gelungen. Abgesehen von wenigen Längen und Schwächen im zweiten Akt, ist das Konzept aus einem Guss. Weil es keine Bühne gibt und vor dem Südportal des Doms auf offener Szene gespielt wird, sind einige Kunstgriffe vonnöten. Umbaupausen wollen überbrückt sein. Dazu dienen unter anderem Videosequenzen: Auf zwei Leinwänden erscheint Brünhild in ihrem Feuerschloss auf Island, tobt der Golfkrieg als Kulisse, wirbt Kriemhild um König Etzel.
Der erste Akt erscheint dramaturgisch schlüssiger und gibt eine Linie vor, die nach der Pause leider etwas verloren geht. Das Bemühen um Tempo ist sicher richtig und entspricht dem Handlungsverlauf. Allerdings ist manches des Guten zu viel. Der Einspielfilm von der Reise der Burgunder an den Hof der Hunnen erinnert eher an den «Schuh des Manitu» und ist ein Fremdkörper der Inszenierung.
Adorf jedenfalls ist nach der Premiere «erleichtert». Zwar hat «nicht alles hundertprozentig geklappt», meint er, aber das könne ja noch werden. Leicht ist es für die Künstler nicht vor der imposanten Kulisse. «Mit Kammerspielmethoden kann man da nichts bewegen. Da ist Präsenz gefordert», sagt Adorf. Und auch Wedel zeigt kurz vor 1.00 Uhr ein Lachen, als er und seine Schauspieler wieder und wieder mit Beifall überschüttet werden. Vier Stunden zuvor hatte der eitle Perfektionist den Zuschauern eigens erklären lassen, für den Ton sei «alleine die Technik» verantwortlich - und keineswegs der Regisseur.
Martin Gutheil