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22.5.: bildende kunst aktuell +++ bildende kunst

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Niki de Saint Phalle ist tot +++ "Heftige Malerei" in der Galerie Talstrasse


Niki de Saint Phalle ist tot
Hannover (ddp). Jedermann kennt ihre knallbunten, üppigen Nanas. Die Künstlerin Niki de Saint Phalle machte seit Mitte der 60er Jahre mit diesen unförmig-erotischen Matronen von sich reden. So schuf sie gemeinsam mit ihrem langjährigen Lebenspartner Jean Tinguely und dem schwedischen Künstler Olov Ultvedt eine liegende Riesendame von 27 Metern Länge für das Moderna Museet in Stockholm - und nannte diese Arbeit einmal das "phantastischste Unternehmen" ihres Lebens. Am Dienstag starb Niki de Saint Phalle nach langer, schwerer Krankheit in San Diego (USA). Sie wurde 71 Jahre alt.
Die Trauer um die Jahrhundertkünstlerin, die am 29. Oktober 1930 im französischen Neuilly-sur-Seine geboren und neun Jahre später amerikanische Staatsbürgerin wurde, ist weltweit groß. In Deutschland zeigt man sich vor allem in Hannover betroffen. Mit der niedersächsischen Landeshauptstadt war die Künstlerin aufs Engste verbunden, seit die Stadt ihr bereits 1969 die erste Werkausstellung ermöglicht hatte.
Vor dem Rathaus wehten am Mittwoch die Fahnen auf Halbmast. In Absprache mit den Angehörigen werde "in den kommenden Wochen" eine Gedenkveranstaltung für Niki de Saint Phalle stattfinden, kündigte Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg (SPD) an. "Wir sind sehr traurig", sagte er. "Niki hat für immer einen festen Platz in den Herzen aller HannoveranerInnen."
Die Künstlerin war im Jahr 2000 die erste Frau, die Ehrenbürgerin Hannovers wurde. Dabei hatte die Beziehung zwischen der Künstlerin und der Stadt gar nicht so herzlich begonnen. Als 1974 am Ufer der Leine einige ihrer farbenfrohen, voluminösen Polyester-Damen aufgestellt wurden, löste dies noch Stürme des Protestes einiger Entrüsteter aus. Mittlerweile sind die Nanas zum Wahrzeichen Hannovers avanciert.
Zuletzt hatte Niki de Saint Phalle für die Stadt an der Neugestaltung der "Grotte" gearbeitet - eines historischen Gewölbes aus dem Jahr 1676 im Barockgarten Herrenhausen. Das Projekt sollte im Frühjahr 2003 eröffnet werden. Zwei der drei Räume sind bereits nach ihren Entwürfen mit Spiegeln, Glasmosaiken und Figuren gestaltet. Die Arbeiten nach den fertigen Plänen der Künstlerin werden fortgesetzt, kündigte Schmalstieg an.
1981 widmete das Sprengel Museum Hannover Niki de Saint Phalle eine große Retrospektive. Im November 2000 schenkte die Künstlerin der Stadt mehr als 360 ihrer Werke aus allen Schaffensphasen für dieses Museum - darunter frühe Assemblagen, berühmte "Schießbilder", Zeichnungen und Skulpturen. Schätzwert: über 15 Millionen Euro. Damit ist dieses Museum weltweit das einzige, das über eine umfassende Werksammlung der Künstlerin verfügt. Von November 2000 bis Februar 2001 präsentierte das Haus die Arbeiten in einer großen Ausstellung unter dem Titel "La Fete" (Das Fest).
Ihre künstlerische Betätigung hatte Niki de Saint Phalle (der Name ist kein Pseudonym, sondern geht auf ihren Vater, den französischen Bankier und Comte de Saint Phalle zurück) 1950 unter dem Einfluss einer psychotherapeutischen Behandlung begonnen. Arbeiten von Pollock, Dubuffet, Klein, Rauschenberg und von ihrem späteren, zweiten Lebenspartner, dem Schweizer Künstler Jean Tinguely, faszinierten sie. Zunächst war sie von 1948 bis 1960 mit dem amerikanischen Schriftsteller Harry Mathews verheiratet, aus der Ehe gingen eine Tochter und ein Sohn hervor.
Eine erste Ausstellung ihrer so genannten "Tir"-Malerei zeigte Niki de Saint Phalle 1961 in Paris - in Gips modellierte Bilder, in die Farbbeutel eingeschlossen waren. Bei Vernissagen wurden die Farbbeutel zerschossen, so dass die Farbe sich über die Bilder ergoss. In den 60er und 70er Jahren reiste sie von Ausstellung zu Ausstellung, Stationen waren unter anderem München, London, Brüssel, Genf, Paris, New York, Stockholm, in Deutschland Hannover und Kassel. Zeitgleich gestaltete sie Dekorationen und Kostüme gemeinsam mit Tinguely für ein Ballett von Roland Petit.
Eine Weltberühmtheit aber wurde die Künstlerin durch ihre Nanas. So strömten täglich 2000 Besucher durch die "keineswegs geheime Öffnung" der liegenden Dame im Stockholmer Museum und erkundeten deren mit Bar und Liebesecken ausgestattetes "Innenleben". Auch in Paris und New York wurden die Damen gezeigt. Ferner versuchte sich die Künstlerin als Dramatikerin und Filmemacherin: Ihr Stück "Ich" wurde zur documenta 1968 in Kassel uraufgeführt, mit Peter Whitehead drehte sie den Streifen "Daddy".
Zwischen Ende der 70er Jahre und 1990 richtete sie gemeinsam mit Tinguely, der seit 1971 auch ihr Ehemann war, einen Skulpturenpark in der Toskana ein, für den die Figuren des Tarot-Spiels als Vorlage dienten. Das Pariser Centre Pompidou widmete ihr eine große Einzelausstellung. Zuletzt lebte Niki de Saint Phalle in Kalifornien, wo sie an Kunstobjekten für den öffentlichen Raum arbeitete.

"Heftige Malerei" in der Galerie Talstrasse
Halle (ddp-lsa). "Vier plus eins" nennt der Kunstverein Talstrasse in Halle seine neue Ausstellung. Sie wird am Donnerstag in den Galerieräumen am Saaleufer eröffnet. Die Schau ist den Arbeiten von Georg Baselitz, Markus Lüpertz, Jörg Immendorff, A.R. Penck und Tom Fleischhauer gewidmet. Sie gelten als Vertreter einer "heftigen Malerei" und werden von Kunsthistorikern als Neo-Expressionisten eingestuft. Obwohl sie nie einer gemeinsamen Gruppe angehörten, vereint sie laut Kunstvereinsvorsitzendem Matthias Rataiczyk das Streben nach Mythos, Phantasie und Poesie in ihrer Malerei. Ihre Kunst und ihre Biografien sind geprägt von den Ereignissen der deutsch-deutschen Geschichte.
Baselitz stellt seine Bilder auf den Kopf, gleich ob es sich um Landschaften oder menschliche Figuren handelt. Die Umkehr soll verdeutlichen, dass ihm das Motiv fast bedeutungslos ist. Auch bei Markus Lüpertz geht es nicht um Inhalte oder Botschaften. Seine Arbeiten sind abstrakte Kompositionen. A.R. Penck dagegen arbeitet mit Standardbildern und Standardfiguren, die bestimmte Botschaften tragen. Einige abstrakte Kompositionen sind aus der Geometrie entlehnt. Teilweise an Plakatkunst erinnern die Arbeiten von Jörg Immendorff, der sich häufig deutsch-deutscher Geschichte und Themen von Freiheit und Macht widmet.
Dem steht die Malerei von Tom Fleischhauer gegenüber, der auf besondere Weise Architektur und Stadtlandschaften malt. Die Räume sind stark verfremdet und täuschen. Die Ausstellung ist bis zum 30. Juni zu sehen.