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26.10.: theater und literatur aktuell +++ theater und literatur

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Neue Konzeption für Stückemarkt des Berliner Theatertreffens +++ Bücher im Kleinformat des Leipziger BuchVerlages nach wie vor beliebt +++ Stückls Eröffnungs-Inszenierung im renovierten Münchner Volkstheater

Neue Konzeption für Stückemarkt des Berliner Theatertreffens
Berlin (ddp-bln). Der Stückemarkt beim Berliner Theatertreffen soll neu ausgerichtet werden. Im kommenden Jahr werden nicht nur neue deutschsprachige Stücke vorgestellt, sondern zum ersten Mal auch Werke aus anderen europäischen Ländern, wie die Berliner Festspiele am Freitag mitteilten. Gelesen wird in Anwesenheit der Autoren und gegebenenfalls deren Übersetzer. Das 40. Theatertreffen, zu dem die besten deutschsprachigen Inszenierungen eingeladen werden, findet vom 1. und 18. Mai 2003 statt.
Der Stückemarkt soll noch unbekannten Werken helfen, sich auf dem Theatermarkt zu platzieren. In diesem Jahr wurden unter anderem Stücke von Maxim Biller, John von Düffel und Ulrike Syha präsentiert.

Bücher im Kleinformat des Leipziger BuchVerlages nach wie vor beliebt
Leipzig (ddp-lsc). Bücher im Kleinformat haben schon lange Hochkonjunktur. Ein Ende des Kults und der damit verbundenen Sammelleidenschaft ist nicht abzusehen. Der Leipziger BuchVerlag für die Frau produziert die handlichen und damit platzsparenden Bändchen seit nunmehr 17 Jahren. 135 Titel hat er herausgebracht. An die 2,5 Millionen Exemplare bisher verkauft. Die Nachfrage erlebte auch mit der Wende keinen wirklichen Einbruch, erzählt Verlagschefin Christa Winkelmann.
Ganz im Gegenteil: Die Mini-Bücher haben sich zu einem festen Standbein des traditionsreichen, 1946 gegründeten Verlages entwickelt. Heute sind aus seinen Katalogen nicht mehr wegzudenken. Sie überlebten alle Irrungen und Wirrungen. Ein Witz der Geschichte, dass «Staat und Partei» bei ihrer Geburt symbolisch die Patenrolle einnahmen. «Wir mussten damals den allgemeingültigen Wunsch nach hochveredelten Konsumgütern erfüllen» erinnert sich Winkelmann. Das Buch im Miniformat erfüllte letztendlich alle Ansprüche, geringer Papierverbrauch und trotzdem hohe Einnahmen. Ein Büchlein kostete in der DDR 14 Mark, heute bringt es 5 Euro.
Im Eifer des Gefechts passierte bei den ersten zwei Druckwerken ein Missgeschick. Das «Kochvergnügen» und das «Backvergnügen» waren Renner und sind heute bei Sammlern besonders gefragt. Pech nur, dass es damals im Westen exakt zwei gleichlautende Titel gab. Proteste blieben nicht aus und kurze Zeit später erschienen die nächsten Auflagen als Koch- und Backbüchlein. Der Zusatz Büchlein beweist bis heute Überlebensfähigkeit. Ob Kürbis, Stollen oder Nudel, alles findet sich in solch einem Titel wieder.
Bis 1990 erschien gerade einmal ein Dutzend Titel in der Minibibliothek. Dann machte der Verlag Dampf, brachte zwischen acht und zehn Neuerscheinungen jährlich auf den Markt. Ob Zitate von Altmeister Goethe, Gedichte von Wilhelm Busch, Rezepte aller Couleur, Blumentipps oder Geschichten rund ums Sandmännchen - alle haben seitdem ihre Liebhaber gefunden. Zu den absoluten Spitzenreitern gehören unter anderem der «Mythos Ginkgo» und das «Erzgebirgische Weihnachtsbüchlein».
60 verschiedene Ausgaben sind heute ständig zu haben. Im Gegensatz dazu versickerten sie zu DDR-Zeiten wie Regen im Sand. Die durchschnittliche Auflagenhöhe mit etwa 60 000 Exemplaren hat sich dagegen nun punktuell verändert. Der Käuferkreis reicht weit über das einstige Stammland der Mini-Bücher bis nach Bayern und Norddeutschland.
Ideen für weitere «Minis» gehen der Verlagschefin und ihren Mitstreiterinnen nicht aus. Ganz im Gegenteil, doch eine Inflation der begehrten Bücher steht nicht ins Haus. Eine solide Verlagspolitik verhindere das. Spaß und Freude an jedem Titel soll erhalten bleiben. Ein «Heilpflanzenbüchlein» sei in Vorbereitung, verrät die Chefin. Ein neues mit Salatrezepten ebenso wie philosophische Weisheiten von und für Frauen. Daneben setzen die Leipziger Büchermacher neuerdings auf eine Kooperation mit Firmen, die sich mit ihren Erzeugnissen in einzelnen Bändchen wiederfinden. Sonderauflagen erscheinen dann zusätzlich, ein Werbeträger mit Pfiff und nicht alltäglich.
Klaus-Peter Voigt

Stückls Eröffnungs-Inszenierung im renovierten Münchner Volkstheater
München (ddp-bay). Frischer Wind im Münchner Volkstheater. Das kleine Haus an der Brienner Straße will nicht länger ein «Komödienstadel» fürs gesetzte Kleinbürgertum sein. So jedenfalls ließ sich der neue Intendant Christian Stückl in einem Interview vernehmen. «Krachen, rumsen, scheppern» müsse es auf der Bühne - «richtiges Theater» eben, das man dann gerne auch Volkstheater nennen könne.
Stückl machte seine Drohung wahr und ließ es zur Wiedereröffnung seines renovierten Hauses am Donnerstagabend gleich richtig scheppern. Als Eröffnungsinszenierung aus eigener Hand hatte der gebürtige Oberammergauer, der durch seine Inszenierungen der Passionsspiele in seiner Heimatstadt Furore machte, das Shakespearsche Frühwerk «Titus Andronicus» auf den Spielplan gesetzt, eine blutrünstige Schauer- und Rächerschmonzette aus dem alten Rom.
Das neue, junge Ensemble des Volkstheaters stürzte sich mit sichtbarem Elan in das Mords-mäßige Spektakel um den römischen Feldherren Titus Andronicus (Alexander Duda ), der nach mehrjährigem Krieg gegen die Goten nach Rom zurückkehrt, im Schlepptau die gefangene Gotenkönigin Tamora (Ursula Burkhart) und ihre drei Söhne. Ausgangspunkt der Gewalt-Kaskaden ist das Blutopfer, das Titus an Tamoras ältestem Sohn vollzieht.
Die Gotenkönigin, die zur römischen Kaiserin aufsteigt, sinnt auf Rache und lässt Titus Tochter Lavinia (Frederike Schinzler) von ihren verbliebenen Söhnen Chiron (Florian Stetter) und Demetrius (Christoph Baumann) grausam vergewaltigen und verstümmeln. Die Spirale der Gewalt, angefeuert von Aaron (Michael Lippold), dem skrupellosen Liebhaber Tamoras, beginnt sich zu drehen.
Stückl inszenierte das Stück, in dem schon nach fünf Minuten das erste Theaterblut fließt und am Ende fast alle Mitspieler gemeuchelt am Boden liegen, eher als deftige Farce denn Ernst zu nehmende Tragödie um die Abgründe und Exzesse menschlicher Streitlust. Schrill-komödiantischer Höhepunkt: Das Festmahl, das Titus seiner Gegenspielerin Tamora und ihrem kaiserlichen Gemahl Saturninus (Karsten Dahlem) bereitet. Wie ein Fernsehkoch rührt er ein Gulasch aus dem Fleisch der getöteten Söhne Tamoras an, das der Mutter im Halse stecken bleiben soll. Das war dann doch wieder echter Komödienstadel!
Das Publikum quittierte nach der fast dreistündigen Aufführung eine beachtliche Ensembleleistung mit kurzem, aber heftigen Beifall. Einige wenige Buh-Rufe für Regisseur Stückl und die eher konventionelle Arbeit von Bühnen- und Kostümbildner Christian Sedelmayer, fielen da kaum ins Gewicht.
Ob Volkstheater-Chef Stückl seinem selbst gesetzten Anspruch gerecht wird, irgendwann mit den beiden großen Münchner Sprechbühnen - den Kammerspielen und dem Residenztheater - in einem Atemzug genannt zu werden, bleibt allerdings abzuwarten. Ein erster direkter Vergleich wird am Samstag möglich sein. Dann bringt das Resi in der Regie von Elmar Goerden ebenfalls Shakespeares «Titus» auf die Bühne.
Georg Etscheit