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Bundeskulturstiftung will Videobänder vor dem Verfall retten +++ Kurzfilm: Bundesgeschäftsstelle in Dresden
Bundeskulturstiftung will Videokunst vor dem Verfall retten
Halle (ddp). Schon am Anfang stand die Zerstörung. 1963 manipulierte der bis dahin als Musiker bekannte Nam June Paik Fernsehbilder zu abstrakten Bildstörungen und begründete damit die Videokunst. Doch kaum hatte sich die junge Kunst als ernst zu nehmende Gattung etabliert, wurde das Thema Zerstörung für sie selbst aktuell: Die Magnetbänder der Videos zerfielen und zerfallen noch. Nun, quasi in letzter Minute, sucht die Bundeskulturstiftung als eines ihrer ersten größeren Projekte, den Verfall zu stoppen. Durch die Restaurierung und Digitalisierung der Bänder soll einem ganzen Genre neues Leben eingehaucht werden.
Auf ihre Rettung warten filmische Tagebücher und Selbstreflexionen, aus nächster Nähe aufgenommene Dokumentationen und Fiktionen, Experimente mit dem Massenmedium Fernsehen und unseren Sehgewohnheiten. Werke, «die intimer, spontaner und oft spielerischer als der klassische Film sind und mithin eine nicht zu ersetzende Kunstgattung bilden», wie der Direktor der Kunsthalle Bremen, Wulf Herzogenrath, sagt. Herzogenrath hat das Rettungsprojekt initiiert, denn: «In zehn Jahren wären viele der Bänder für immer verloren.»
Die Zersetzung war nahezu epidemisch über die Gattung gekommen. Temperaturschwankungen und Luftfeuchtigkeit leiteten den Verfall der in den Ateliers der Künstler lagernden Bänder ein, und setzten Schadgase frei, die die weiter Zersetzung beschleunigten. Auch die Abspielgeräte verfielen sobald eine neue Technik auf den Markt kam, so dass frühe Bänder schnell keine passenden Apparate mehr fanden.
Ansteckend war der Verfall auch für die Rezeption. Da niemand mehr wusste, welches Band in welchem Zustand noch vorhanden war, wurden die meisten alten Videos nicht mehr gezeigt, sagt Herzogenrath. Und je weniger sie noch präsent waren, umso weniger fühlte sich jemand zuständig. Trotz regelmäßiger Foren für Videokunst, wie die «documenta» oder die Bonner «Videonale» wurde Flüchtigkeit und Vergänglichkeit zu einem Markenzeichen der Kunstrichtung, ein Markt entwickelte sich nie. Ein Kunstprofessor, der seine Studenten die Gattung nahe bringen will, kann nicht einmal ein Tape von Paik, dem «Superstar» der Szene, «problemlos leihen oder kaufen», so Herzogenrath. Viele hatten daher bereits das Sterbeglöckchen über der Videokunst geläutet.
Nun ist eiliges Durchsuchen von Schränken und Regalen der Künstlerateliers angesagt. Die Werke der bekanntesten Künstler, wie Paik, Wolf Vostell, Klaus vom Bruch, Friederike Pezold und Ulrike Rosenbach sollen ebenso wie fast schon vergessene Raritäten zusammengetragen, restauriert und auf digitale Träger gespeichert werden. Angedacht ist eine Edition der 50 bedeutendsten Werke der Videokunst, die in Museen, Bibliotheken und Videotheken verfügbar sein sollen. Die Bundeskulturstiftung hat zunächst 50 000 Euro für die Recherche der Bänder zur Verfügung gestellt. Die Restaurierung und die Edition werde ein Mehrfaches dieses Betrages kosten. Über die genaue Höhe der Kosten gibt es noch keine klaren Vorstellungen.
Den möglicherweise hohen finanziellen und technischen Aufwand für eine Kunstrichtung, die nach Schätzungen von Fachleuten nur einige Zehntausend Liebhaber umfasst, hält die Bundeskulturstiftung dennoch für gerechtfertigt: «Die Videokunst hat Zukunft. Es ist wichtig, dass ihre Werke für künftige Generationen verfügbar bleiben», hieß es aus dem Gremium. Herzogenrath geht auch davon aus, dass die Videokunst auf ein wesentlich breiteres Interesse stoßen würde, wären die Werke denn endlich zugänglich: «Auf der \'documenta\' sitzen die Leute stundenlang in den Räumen der Videoinstallationen, anstatt sich die 700. Skulptur anzuschauen. Das bewegte Bild fasziniert, es ist das Medium unserer Zeit».
Berit Uhlmann
Kurzfilm: Bundesgeschäftsstelle in Dresden
Dresden (ddp-lsc). Kurzfilmmacher dürften künftig häufiger nach Sachsen blicken. In Dresden hat die Bundes-Geschäftstelle der Arbeitsgemeinschaft Kurzfilm e. V ihre Arbeit aufgenommen. Das im Aufbau befindliche Büro soll Kontakte innerhalb der Branche vermitteln und sich zu einer maßgeblichen Ansprechadresse in Sachen Filmförderung und Medienpolitik entwickeln, teilte das Kunstministerium am Donnerstag mit. Zudem soll der Verleih unterstützt und die Interessen verschiedener Interessenverbände koordiniert werden. Die Geschäftsstelle wird von der früheren Festivaldirektorin des Filmfestes Dresden, Sylke Gottlebe, geleitet.
Die Landeshauptstadt sowie der Freistaat beteiligen sich an der Finanzierung, die das Ministerium für die Landesseite auf jährlich 9000 Euro beziffert. Erwartet werde auch die Unterstützung des Bundes und der Filmfördergremien der Länder. Der Aufbau der Geschäftsstelle soll Ende September abgeschlossen werden, sagte Gottlebe auf ddp-Anfrage.