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Sächsische Akademie kritisiert Vorverurteilung von Walser-Buch +++ Berliner Maxim Gorki Theater wird 50 Jahre alt
Sächsische Akademie kritisiert Vorverurteilung von Walser-Buch
Dresden (ddp). Die Sächsische Akademie der Künste kritisiert die "Vorverurteilung" des neuen Buches von Martin Walser. Dadurch sei der Roman "Tod eines Kritikers" vor seinem Erscheinen in einer Weise ins Gerede gebracht worden, "die das künftige Urteil erschwert und belastet", erklärte das Präsidium der Akademie am Dienstag in Dresden. Das Schreiben ist von Akademie-Präsident Werner Schmidt, Vizepräsident Friedrich Dieckmann und Richard Pietraß, Sekretär der Klasse Literatur und Sprachpflege, unterzeichnet.
Die Vorverurteilung eines Romans vor dessen Erscheinen und anhand einer provisorischen Textfassung könne als singulärer Vorgang gelten. "Mag sie den Medienbetrieb befriedigen, so schadet sie der Literatur: denen, die sie hervorbringen, wie denen, die sie lesen und beurteilen", heißt es weiter. "Dass ein Roman, dessen Absicht es offenbar ist, den medialen Literaturbetrieb zu karikieren, noch vor seinem Erscheinen in dessen Mühlen zerrieben wird, ist eine Herausforderung an die Literatur", betonen die Akademie-Vertreter.
Sie kritisieren zugleich das Vorgehen von FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher, der die Ablehnung des Romans öffentlich gemacht hatte. Walser habe darauf rechnen können, "dass der verantwortliche Journalist, falls er gravierende Einwände habe, ihm diese so vertraulich übermitteln werde, wie die Textübermittlung selbst geschehen war". Die Verletzung dieser "selbstverständlichen Voraussetzung" habe Walsers Buch ins Gerede gebracht.
Berliner Maxim Gorki Theater wird 50 Jahre alt
Berlin (ddp-bln). Das Berliner Maxim Gorki Theater wird 50 Jahre alt. Intendant Volker Hesse eröffnet die Jubiläumsspielzeit am 13. September mit Alexander N. Ostrowskijs "Wölfe und Schafe". Das Stück spielt im ausgehenden 19. Jahrhundert und ist hochaktuell. Die Figuren erleben den Übergang in eine neue Gesellschaft, der Umgang mit dem großen Geld unterwandert alte Gepflogenheiten, Rendite-Spekulationen und Leidenschaften werden zu Marktstrategien. Das kleine Haus an der Neuen Wache setzt auch weiter einen Schwerpunkt auf Gegenwartsdramatik und plant eine Reihe von Uraufführungen, sagte Hesse am Dienstag in Berlin.
Den Oktober bestimmen zunächst eine Reihe von Matineen und Veranstaltungen zur Geschichte des Hauses. "Gorki-Lektionen" stellen junge russische Dramatiker vor, neue Erkenntnisse über das Leben Gorkis werden diskutiert und das Moskauer Studio Taberka gastiert mit Gorkis "Die Letzten". Autoren wie Galin, Gelman, Schatrow und Rasputin, die in den vergangenen Jahren am Gorki aufgeführt wurden, sind eingeladen und es wird Gorki gelesen. Zum Jubiläum erscheint in Zusammenarbeit mit "Theater der Zeit" ein Buch, in dem sich Kritiker, Schauspieler, Regisseure und Theaterwissenschaftler über die Bühne äußern. Angelegt sei das Buch in einer Ambivalenz zwischen Festschrift und Werkstattbericht, sagte Verlagsgeschäftsführer Harald Müller.
Für die erste Hälfte der Jubiläumsspielzeit ist die Uraufführung von "Das Karussell" von Klaus Chatten (2. Oktober) vorgesehen. Chatten hat nächtliche Szenen über Unbehauste und Wanderer geschrieben, es geht um schwule Liebe und Sehnsucht. Das Karussell dreht sich auf der immer gleichen Bahn und kommt nicht von der Stelle. Krimiautor Henning Mankell wird mit "Zeit im Dunkel" (Dezember) einmal als Theaterschriftsteller vorgestellt. Vater und Tochter sind in einer Wohnung gestrandet, die eigentlich nur Zwischenstation auf dem Weg nach Kanada oder Australien oder sonst wohin sein sollte.
Katharina Thalbach führt Regie bei Shakespeares "Romeo und Julia" (Januar). Die Julia wird von Tochter Anna gespielt. Außerdem kommt noch "Dr. Faustus Lights the Light" von Gertrud Stein (23. November) auf die Bühne. Stein macht in dem Stück aus dem abgründigen Faust einen genialen Edison, der das Licht als Glühbirne in die Welt bringt und für alle Zeiten die Nacht zum Tag macht.
Im Gorki Studio stehen "Handel mit Clair" von Martin Crimp, der Frauenmonolog "Bombsong" von Thea Dorn und als Uraufführung "Jud Sauer" von Adriana Altaras, die auch selbst Regie führt, auf dem Spielplan. Jud Sauer ist sehr alt und erlebt im Altenheim die Stationen seines bewegten Lebens - die große Liebe ebenso wie die Katastrophe der Verfolgung und alte Freundschaften - noch einmal.
Ein Gastspiel gibt das Gorki Theater im Langhansbau der Charité, dem ältesten Hörsaal der Stadt. In dem auch "Trichinentempel" genannten Vorlesungssaal inszeniert Stephan Müller "Das Gastmahl" nach Platon.
Wolf-Rüdiger Neurath