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Walser-Buch erscheint am 26. Juni +++ Autoren aus 30 Ländern zum 2. Literaturfestival in Berlin erwartet +++ Uwe Timm neuer Stadtschreiber in Frankfurt am Main
Walser-Buch erscheint am 26. JuniFrankfurt/Main/Berlin (ddp). Der Suhrkamp Verlag wird Martin Walsers umstrittenes Buch "Tod eines Kritikers" wie geplant veröffentlichen. Wie der Verlag am Mittwoch in Frankfurt am Main mitteilte, soll der Roman am 26. Juni erscheinen. Dazu habe man sich "trotz kontroverser Diskussionen und Bedenken" im Hause entschlossen. Martin Walser zeigte sich erfreut. "Ich sage dazu nur einen Satz. Ein Grund zur Freude. Basta." Auch FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher, der den Streit um das Buch ausgelöst hatte, betonte, er halte die Veröffentlichung für richtig.
Verlagsleiter Günter Berg betont in der Erklärung: "Martin Walser ist ein wichtiger Autor dieses Verlags." Suhrkamp sei immer wieder ein "Forum für große Debatten" gewesen und halte an dieser Tradition auch fest, "nachdem die Anklage des leichtfertigen oder böswilligen Umgangs mit antisemitischen Klischees gegen Walser erhoben wurde".
Berg unterstreicht: "Die politische Konstellation, in welche Walsers Manuskript geraten war, hat seine erste Rezeption mit Vor-Urteilen belastet, die der Verlag, bei allem Respekt für das Gewicht der Einwände und ihre Motive, für überzogen hält." Niemand habe zum Zeitpunkt der Ablehnung des Buches in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) Gelegenheit gehabt, die Vorwürfe am Text selbst nachzuprüfen. "Unter diesen Umständen tut der Verlag, was er seinem Autor und der Öffentlichkeit schuldig ist: Er publiziert den Roman in der von Martin Walser verantworteten Textform."
Auch Schirrmacher betonte: "Ich war nie dagegen, dass das Buch erscheint." Jeder müsse das Buch lesen können. Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki, der das Vorbild für die Titelfigur des Romans ist, hatte dem Verlag davon abgeraten, das Buch zu veröffentlichen. Das Buch solle zwar gedruckt werden, "allerdings sollte sich ein so renommierter Verlag wie Suhrkamp schon überlegen, ob er ein solches Machwerk verlegt", sagte Reich-Ranicki.
Unterdessen halten die Auseinandersetzungen um das Buch weiter an. Für den Publizisten Fritz J. Raddatz, Vorsitzender der Kurt-Tucholsky-Stiftung, ist Walsers Roman "ein albern missglückter Text", der gut sein möge für "schenkelklatschenden Applaus in Bodenseekneipen". Walser sei "kein zündelnder Populist, nur ein populärschriftstellernder Schallverstärker", fügte Raddatz hinzu. "Marcel Reich-Ranicki hat Schlimmbesseres verdient."
In die Debatte hatten sich am Vorabend auch Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass eingeschaltet. Schröder betonte, Walser habe in früheren Diskussionen "in seltener Klarheit seine Verurteilung des Holocausts deutlich gemacht". Auch Grass wies die Antisemitismus-Vorwürfe gegen Walser zurück. In Walsers umfangreichem Lebenswerk finde sich "keine einzige Zeile, die auch nur einen Hauch von Antisemitismus hat", sagte er. Die ganze Auseinandersetzung sei ein "Feuilleton-Krieg" und ein "unfairer Vorgang ersten Ranges".
(Quellen: Suhrkamp-Presseerklärung; Walser zu ddp; Schirrmacher in einer Erklärung; Raddatz in der "Zeit"; Schröder und Grass am Dienstagabend in der ARD-Sendung "Boulevard Bio")
Cornelia Krüger
Autoren aus 30 Ländern zum 2. Literaturfestival in Berlin erwartet
Berlin (ddp-bln). Rund 80 Autoren aus 30 Ländern werden zum 2. Internationalen Literaturfestival in Berlin erwartet. Zum Programm des literarischen Marathons vom 10. bis 21. September gehören neben abendlichen Lesungen im Berliner Ensemble auch Kunstaktionen, Filmprogramme und Diskussionsrunden, teilten die Veranstalter am Mittwoch in Berlin mit. Zum Jahrestag der Terroranschläge auf New York und Washingtoner am 11. September wird ein "literarisch und wissenschaftlich hochkarätig besetztes Symposion" unter dem Motto "Reflections" vorbereitet.
Zum ersten internationalen Literaturfestival Berlin waren im Juni vergangenen Jahres ebenfalls 80 Autoren aus aller Welt in die deutsche Hauptstadt gekommen, unter ihnen Literatur-Nobelpreisträgerin Nadine Gordimer.
www.literaturfestival.com
Uwe Timm neuer Stadtschreiber in Frankfurt am Main
Frankfurt/Main (ddp-swe). Der Schriftsteller Uwe Timm wird neuer Stadtschreiber in Frankfurt am Main. Der Jugendliteraturpreisträger zieht Ende August als 29. Autor ins Stadtschreiberhaus im Frankfurter Stadtteil Bergen-Enkheim und löst dort Wolfgang Hilbig als "Stadtschreiber von Bergen" ab. Die Auszeichnung ist mit einem Preisgeld von 15.340 Euro verbunden. Die Jury der Kulturgesellschaft Bergen-Enkheim charakterisierte Timm am Mittwoch bei der Bekanntgabe ihrer Entscheidung als einen Autor, dem es in seinen Romanen und Erzählungen gelinge, deutsche Vergangenheit und Gegenwart "spannend und wirklichkeitsversessen" zusammen zu führen.
Uwe Timm wurde 1940 in Hamburg geboren. Nach der Volksschule machte er zunächst eine Kürschnerlehre, später das Abitur und studierte schließlich in München und Paris Germanistik und Philosophie. 1971 promovierte er über Camus. Seither veröffentlichte der bereits mehrfach preisgekrönte Autor Gedichte, Essays, Romane und Novellen.
Der "Stadtschreiber von Bergen" soll ein Jahr lang "sorgenfrei" arbeiten können. Die Idee zu der Auszeichnung hatten der Bergen-Enkheimer SPD-Vorsitzende Alfred Schubert und der Schriftsteller Franz-Josef Schneider (Gruppe 47) Anfang der siebziger Jahre. Eine Jury aus Heinrich Böll, Marcel Reich-Ranicki und Hans-Werner Richter wählte den Münchner Autor Wolfgang Koeppen 1974 zum ersten Stadtschreiber. Später waren unter anderem Karl Krolow, Eva Demski und Robert Gernhardt zu Gast im Stadtschreiberhaus.