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7.5.: theater und literatur aktuell +++ theater und literatur (1)

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"Don Quijote" ist bestes Buch der Welt +++ Thomas-Mann-Preis an Hanns-Josef Ortheil +++ Schriftsteller Manfred Bieler (67) gestorben +++ Musikerinnen-Buch empört iranischen Klerus +++ Castorf: "Ich habe die Schnauze voll"

"Don Quijote" ist bestes Buch der Welt
orf - Genau 100 international bekannte Autoren haben den Roman "Don Quijote" des Spaniers Miguel de Cervantes zum "besten Buch der Welt" gewählt. Bei der vom Osloer Nobelinstitut zusammen mit norwegischen Buchclubs vorgenommenen Abstimmung erhielt der Anfang des 17. Jahrhunderts geschriebene Schelmenroman mit Abstand die meisten Stimmen.
Auf dem zweiten Platz auf der am Dienstag in Oslo veröffentlichten Liste folgt der Roman "Madame Bovary" des Franzosen Gustave Flaubert. An der Abstimmung, bei der die Beteiligten je 10 Titel angeben konnten, beteiligten sich u. a. die Literatur-Nobelpreisträger V.S. Naipaul (Großbritannien), Wole Soyinka (Nigeria), Nadine Gordimer (Südafrika) und Seamus Heany (Irland). Als deutschsprachige Autoren gaben Siegfried Lenz, Hans Magnus Enzensberger, Christoph Hein, Herta Müller und Christa Wolf ihre Stimme ab.
In der als "Weltbibliothek" zusammengestellten Liste der 100 Bücher mit den meisten Nennungen sind als deutschsprachige Autoren Johann Wolfgang von Goethe, Thomas Mann, Franz Kafka, Alfred Döblin, Robert Musil, Paul Celan und Günter Grass vertreten.

Thomas-Mann-Preis an Hanns-Josef Ortheil
orf - Der Schriftsteller Hanns-Joseph Ortheil erhält den Thomas-Mann-Preis 2002. Mit der Auszeichnung werde das bisherige erzählerische und essayistische Gesamtwerk des 51-jährigen Ortheil gewürdigt, teilte die Hansestadt Lübeck am Dienstag mit.
Sein wohl bekanntestes Werk ist der Roman "Fermer" aus dem Jahr 1979. Ortheil wird den Thomas-Mann-Preis am 9. Juni in Lübeck entgegennehmen. Der mit 10.000 Euro dotierte Preis wird seit 1975 alle drei Jahre verliehen.
Den Thomas-Mann-Preis erhielten bisher u.a. Peter de Mendelssohn, Uwe Johnson, Joachim C. Fest, Siegfried Lenz, Marcel Reich-Ranicki, Günter de Bruyn, Hans Wysling sowie Günter Grass.

Schriftsteller Manfred Bieler (67) gestorben
orf - Der deutsche Schriftsteller Manfred Bieler ist - wie erst jetzt bekannt wurde - am 23. April nach langer Krankheit im Alter von 67 Jahren in München gestorben. Auf Wunsch der Familie fand die Beisetzung im engsten Familienkreis statt, teilte der Hoffmann und Campe Verlag am Dienstag mit. Der in Zerbst geborene Autor wurde vor allem durch seinen 1975 von Bernhard Sinkel verfilmten Roman "Der Mädchenkrieg" einem großen Lesepublikum bekannt.
Bielers Biografie und Werk wurden durch die politischen Bedrängungen der 60er Jahre entscheidend geprägt. Eine Anstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Schriftstellerverband der DDR musste er nach seinem Protest gegen die Niederwerfung des Ungarn-Aufstandes aufgeben. 1964 übersiedelte Bieler nach Prag und nahm 1967 die tschechische Staatsbürgerschaft an. Kurz nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes im August 1968 emigrierte er in die Bundesrepublik Deutschland, wo er sich in der Nähe von München niederließ.
Seit 1957 als freier Autor tätig, verfasste der umtriebige Romancier, der im Laufe von 15 Jahren 17 Mal umgezogen ist und zeitweilig auf dem Fang- und Verarbeitungsschiff "Bertolt Brecht" Fische filetiert hat, zuerst Hör- und Fernsehspiele. Später machte er sich auch mit literarischen Parodien einen Namen ("Walhalla", 1988).
Neben seinem vor dem Hintergrund turbulenter Ereignisse der Hitlerzeit in Prag spielenden amüsanten "Mädchenkrieg" fanden insbesondere seine Romane "Maria Morzeck oder Das Kaninchen bin ich (1969), "Der Passagier" (1971) und "Der Kanal" (1978) eine große Leserschaft.
Über den "Aufbau des Sozialismus" in einer kleinen anhaltischen Stadt berichtete Bieler in seinem autobiografisch geprägten Erfolgsroman "Der Bär" (1983). 1989 erschien sein autobiografisches Buch "Still wie die Nacht. Memoiren eines Kindes", in dem er auf radikalste Art traumatische Erfahrungen seiner Kindheit bis zum Schuleintritt auslotet. Zwei Jahre später kamen unter dem Titel "Naida" seine gesammelten Erzählungen heraus. Für sein Werk wurde das PEN-Mitglied mehrfach ausgezeichnet.
Bieler, der an der Ost-Berliner Humboldt-Universität Germanistik studierte, hatte es immer meisterhaft verstanden, seinen Lesern Figuren vor dem Hintergrund real erlebter Zeitgeschichte näher zu bringen. Dabei verknüpfte er häufig realistische und symbolische Erzählformen. "Für den politischen Standort eines Autors ist es entscheidend, was die eigene Biografie mit ihm angestellt hat", war Bielers Einschätzung.

Musikerinnen-Buch empört iranischen Klerus
orf - Ein Buch über Musikerinnen sorgt beim schiitischen Klerus in Iran für Empörung. Corpus delicti ist die Aussage, schon Mohammed habe musizierende Frauen geschätzt. Die Regierungszeitung "Iran" wurde am Samstagabend zunächst von der Justiz geschlossen, weil sie in ihrem Feuilleton eine Besprechung des Buches von Tuka Maleki veröffentlicht hatte. Das Oberhaupt des Justizwesens, Ajatollah Mahmud Haschemi-Scharudi, hob die Suspendierung der Zeitung jedoch wieder auf, wie die offizielle Nachrichtenagentur IRNA am Sonntag meldete.
In der Besprechung des Buches "Frauen in der Musik Irans" hatte die Rezensentin Banafscheh Samgis geschrieben, auch der Prophet Mohammed habe gern Frauen beim Musizieren zugehört. Die Justiz betrachtet das Buch und die Rezension als eine Beleidigung der islamischen Prinzipien und des Propheten. Ein Teheraner Gericht erliess bereits am Dienstag Haftbefehle gegen Autor Maleki, die Journalistin Samgis und den Verleger des Buches Massud Kasari. Nach Verhören durften sie jedoch wieder nach Hause gehen. Weitere Vernehmungen sollen folgen.

Castorf: "Ich habe die Schnauze voll"
orf - Mit einem temperamentvollen Auftritt im Theaterausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses hat der Intendant der Berliner Volksbühne, Frank Castorf, seinem Unmut über die Berliner Kulturpolitik Luft gemacht. "Ich habe die Schnauze einfach voll in dieser Stadt", sagte der Regisseur am Montag im Unterausschuss Theater, der über die Finanzausstattung der Berliner Bühnen entscheidet.
Castorf leitet seit zehn Jahren das Theater am Rosa-Luxemburg-Platz. Über seine Vertragsverlängerung muss spätestens bis zum Sommer entschieden sein. Castorf beklagte, dass die Künstler in Berlin seit Jahren gezwungen seien, "herumzubetteln". Es gebe kein Kulturbewusstsein in der Stadt. "Wenn die Volksbühne überflüssig erscheint, dann soll es eben nicht sein", meinte Castorf.
Auch Claus Peymann vom Berliner Ensemble machte deutlich, dass er um die ihm zugesagten zusätzlichen Mittel für sein Theater, die gegenwärtig aus Lottomitteln kommen, nicht ständig betteln werde. "Sie sind Voraussetzung meines Vertrages, ohne sie stehe ich nicht mehr zur Verfügung, dann bin ich weg, und zwar blitzartig." Das Berliner Ensemble sei wahrscheinlich mit der Volksbühne zusammen das "entscheidende Aushängeschild der Berliner Kultur".