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8.10.: literatur aktuell +++ literatur

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Grass erwartet Entschuldigung von Reich-Ranicki +++ Tumulte bei Walsers erster öffentlicher «Kritiker»-Lesung in Leipzig +++ Frankfurter Buchmesse präsentiert trotz rückläufiger Ausstellerzahlen breite Angebotspalette

Grass erwartet Entschuldigung von Reich-Ranicki
Köln (ddp). Nobelpreisträger Günter Grass erwartet von Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki noch immer eine Entschuldigung. Mit Blick auf den Verriss des 1995 erschienenen Grass-Romans «Ein weites Feld» forderte der Autor in einem am Dienstag veröffentlichten Gespräch mit dem ARD-Vorsitzenden Fritz Pleitgen: «Das muss er zurücknehmen, darauf bestehe ich.» Grass fügte hinzu: «Aber diese Kraft hat er offensichtlich nicht.»
Ausdrücklich verteidigte Grass erneut seinen Freund und Kollegen Martin Walser gegen den Vorwurf des Antisemitismus im Zusammenhang mit dessen Werk «Tod eines Kritikers». Grass warf «FAZ»-Herausgeber Frank Schirrmacher «versuchten Rufmord» vor. Schirrmacher hatte den Vorabdruck des Walser-Romans mit der Begründung abgelehnt, das Buch bediene antisemitische Klischees. In dem Buch finde sich «keine einzige antisemitische Zeile», betonte Grass. Es handele sich bei der Auseinandersetzung um «Feuilleton-Gezänk» und ein «erbärmliches Schauspiel».
Die Bundesrepublik ist nach Auffassung des Schriftstellers «eine in sich gefestigte Demokratie, sie weiß es nur nicht so genau». Zumindest seine Generation habe die richtigen Schlüsse aus der deutschen Geschichte gezogen, sagte der Autor. Allerdings sei das Sicherheitsbedürfnis auch im Zusammenhang mit den Terroranschlägen des 11. September überproportional hoch.
Pleitgen führte das Gespräch anlässlich des 75. Geburtstages von Grass am 16. Oktober. Die Sendung wird am Mittwoch um 23.00 Uhr im Ersten gezeigt.

Tumulte bei Walsers erster öffentlicher «Kritiker»-Lesung in Leipzig
Begleitet von Tumulten und lautstarken Protesten hat der Schriftsteller Martin Walser am Sonntag erstmals öffentlich aus seinem neuen Werk «Tod eines Kritikers» gelesen. Etwa 15 Jugendliche hatten die Veranstaltung in der Leipziger «Pfeffermühle» gestört. Sie bezeichneten die geplante Lesung und Diskussion als "ein Gespräch unter Mörderbanden" und versuchten Walser am Lesen zu hindern. Dabei riefen sie unter anderem: "Wir wollen einem Antisemiten nicht zuhören."Der Schriftsteller reagierte geschockt. Allerdings merkte er an, dass er die Erfahrung gemacht habe, dass Leute, die bei Lesungen stören, das Buch meist nicht gelesen hätten. "Sie haben lediglich etwas darüber gehört", sagte Walser.
Der Schriftsteller bot den Störern ein Gespräch über die Antisemitismus-Vorwürfe an, dies lehnten die protestierenden Besucher aber ab. Sie störten weiter. Erst nach Eingreifen des Ordnungsdienstes konnte das MDR Lese-Café mit 20-minütiger Verspätung fortgesetzt werden. Die Störer hätten keine Gegenwehr geleistet, ein rechtliches Nachspiel werde es nicht geben. Da der Sender die Veranstaltung live übertrug, wurden auch die Radio-Hörer Zeugen der Proteste.
Der »Tod eines Kritikers« hatte im Frühjahr hohe Wellen in den deutschen Feuilletons geschlagen, nachdem der Herausgeber der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung", Frank Schirrmacher, einen Vorabdruck des Buches mit der Begründung ablehnte, der Inhalt weise antisemitische Züge auf. Walser selbst hatte den Vorwurf des Antisemitismus stets zurückgewiesen. Er entschloss sich, auf Lesungen in Deutschland zu verzichten. Einzige Ausnahme sollte das »MDR-Lese-Cafe" sein.

Frankfurter Buchmesse präsentiert trotz rückläufiger Ausstellerzahlen breite Angebotspalette
Frankfurt/Main (ddp-swe). Von Manga über Litauen bis zur Globalisierung: Die Frankfurter Buchmesse setzt trotz rückläufiger Ausstellerzahlen auf ein facettenreiches Angebot. Die Veranstaltung beginnt am Dienstag nach Messeangaben mit knapp 6300 Ausstellern - 4,7 Prozent weniger als in den Jahren zuvor. Die breite Themenpalette lässt dennoch in diesem Jahr keine Wünsche offen. Comicfans kommen bis zum 14. Oktober ebenso auf ihre Kosten wie Freunde der Litauischen Literatur. Schwerpunktthema ist die Globalisierung.
Zur offiziellen Eröffnung der Buchmesse am Nachmittag wird nach Angaben der Veranstalter neben dem scheidenden Kultur-Staatsminister Julian Nida-Rümelin (SPD) auch der Litauische Präsident Valdas Adamkus erwartet. Ab Mittwoch sind die Ausstellungshallen dann für Besucher zugänglich. Mit der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels in der Frankfurter Paulskirche erreicht die Buchmesse am 13. Oktober ihren Höhepunkt. Geehrt wird der nigerianische Schriftsteller Chinua Achebe.
Ein Tag zuvor soll der Zukunftskongress «Frankfurt Futura Mundi» Globalisierungskritiker aus aller Welt ist in die Mainmetropole locken. Zu der Veranstaltung am Samstag werden prominente Gäste wie die kanadische Autorin Naomi Klein und der israelische Schriftsteller Amos Oz erwartet. Unter dem Motto «Bridges for a World Divided» können Messebesucher sich an Diskussion über «Gleichheit und Gerechtigkeit im Kontext der Globalisierung» beteiligen.
Als Gastland wird in diesem Jahr der EU-Beitrittskandidat Litauen seine Kultur vorstellen. Unter dem Motto «Fortsetzung folgt» hat das Land, das nur etwa so groß wie Bayern ist, ein ehrgeiziges Programm auf die Beine gestellt. Es macht nicht nur mit der bewegten Geschichte des Baltenstaates zwischen Sowjetherrschaft und 1990 erlangter Unabhängigkeit bekannt. Es will Litauen vor allem als modernes Land und aussichtsreichen EU-Beitrittskandidaten ins Blickfeld rücken.
Zu Lesungen reisen 30 der etwa 300 Autoren des Landes an. Dabei kann Litauen neben der Prosa mit ihren vielfältigen Handschriften, darunter die wichtiger Exilautoren, auch eine große Lyrikszene präsentieren. Immer wiederkehrende Themen sind die Auseinandersetzung mit der litauischen Geschichte, die Gegensätze zwischen dem Leben in der Stadt und auf dem Lande, die - oft ironische - Reflexion des eigenen Ich.
Wie in den beiden Vorjahren wird den Comics auf der Schau ein eigener Schwerpunkt gewidmet. Unter dem Titel «Faszination Comic» werden etwa 70 Verlage rund um ein Comic Center gruppiert, in dem mehrere Ausstellungen zu sehen sind und nonstop Vorträge, Diskussionen, Signierstunden bekannter Comic-Künstler und Events stattfinden.
Die Veranstalter wollen in diesem Jahr auch ausdrücklich jenes Comic-Genre zu seinem Recht kommen lassen, das seit fast zehn Jahren die besten Verkaufszahlen ausweist: die japanischen Mangas. Am Sonntag dreht sich mit einer Schnitzeljagd, Vorträgen und einem «Cosplay» (dem traditionellen Manga-Kostümwettbewerb) alles um diese exotische Comic-Variante.
Mey Dudin und Cornelia Krüger
(Internet: www.buchmesse.de)