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Schiller zum 60. - Aufbau-Verlag in Berlin begeht Jubiläum - Für viele ehemalige DDR-Autoren noch heute geistige Heimat
Berlin (ddp). Für Bernd F. Lunkewitz ist der 60. Geburtstag seines Berliner Aufbau-Verlages kein Grund für eine umfassende Rückschau. «Ich bin selbst schon fast 15 Jahre hier, das ist schon ein Viertel der gesamten Zeit», sagt er. Der Verlag wurde am 16. August 1945 im Auftrag des «Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands» auf Initiative des Dichters Johannes R. Becher gegründet. «In Berlin gab es damals noch den Brandgeruch der zerstörten Stadt, und trotzdem ging man daran, einen Verlag zu gründen», sagt Lunkewitz. Eines der ersten Bücher war Heinrich Heines «Deutschland. Ein Wintermärchen». Nach seiner bedeutenden DDR-Vergangenheit schaffte der Verlag nach 1989 den Weg in die bewegten neuen Zeiten.
In der DDR war Aufbau von seiner Profilierung her ein Literaturverlag. «Wichtigste Grundlage waren die klassische Weltliteratur und die Emigrationsliteratur der von Hitler aus dem Land getrieben Autoren. Die haben wir nach Deutschland zurückgebracht», sagt Lunkewitz. Diese Autoren spielen auch heute für den Verlag noch eine wichtige Rolle. «Für Lion Feuchtwanger zum Beispiel vertreten wir die Weltrechte«, sagt der Verleger.
Ende der 40er Jahre garantierten Autoren wie Hans Fallada, Arnold Zweig, Heinrich Mann, Anna Seghers, Friedrich Wolf, Nikolai Gogol oder Maxim Gorki die rasche Anerkennung des neuen Verlages. Später waren es DDR-Autoren wie Erwin Strittmatter, Christa Wolf, Stephan Hermlin, Sarah Kirsch und Günter Kunert, die veröffentlicht werden. Das änderte sich 1976, als die DDR den Liedermacher Wolf Biermann ausbürgerte. Etliche Hausautoren verließen das Land. »Durch Privilegien wie Urlaubsreisen und gute Bezahlung wurde versucht, sie zu binden. Aber es hat nicht viel genutzt, die meisten waren eben doch nicht käuflich», sagt Lunkewitz. Bis zum Ende der DDR hatte das Haus 4500 Erstauflagen in 125 Millionen Exemplaren herausgebracht.
Nach der Wende habe die Treuhand den Verlag «angeboten wie Sauerbier», erinnert sich der aus Frankfurt am Main stammende Lunkewitz. Es habe einige Interessenten gegeben, die aber in erster Linie die Immobilien des Verlages haben wollten. «Ich bin dann unter einer Bedingung als Verleger eingestiegen: Ich wollte die Immobilie nicht, weil ich nämlich aus der Branche komme und Spekulationen vorbeugen wollte.» Bei der Übernahme im September 1991 hatte Aufbau von einst 180 Mitarbeitern, 90 davon im Lektorat, schon auf 32 abgebaut. Lunkewitz stockte die Zahl 1996 wieder auf 70 auf.
In den ersten Jahren nach der Wende klebte an dem Aufbau-Verlag das Ost-Etikett - in Westdeutschland im negativen und in Ostdeutschland im positiven Sinne. «Im Westen hat man uns nicht ernst genommen. Das ist doch dieser kommunistische Verlag - ihr macht doch Marx und Engels, Lenin, Stalin und Honecker, hieß es da«, sagt der Verleger.
Bis zur Wende war der Aufbau-Verlag die Heimat Heinrich Manns. »Auf Betreiben der Erben haben wir den Autor an den Fischer-Verlag verloren. Er war aber ein Herzstück des Aufbau-Verlages.« In den 50er und 60er Jahren habe ihn in Westdeutschland niemand haben wollen, weil er Kommunist war. »Wir haben ihn literarisch am Leben erhalten und gepflegt.« Der Weggang habe schon sehr geschmerzt, sagte Lunkewitz.
Victor Klemperers Tagebücher brachten dann 1995/96 internationales Renommee und finanziellen Erfolg. Der Roman «Die Päpstin» von Donna W. Cross mit einer Auflage von vier Millionen Exemplaren bedeutete im Unterhaltungsbereich endgültig die Image-Wende. Er drängte die berühmten Klassiker, auch aus DDR-Zeiten, in den Hintergrund. Doch für ehemalige DDR-Autoren wie Hermann Kant oder Eva Strittmatter sei der Aufbau-Verlag noch heute geistige Heimat, sagt Lunkewitz. Auch mit einer zehnbändigen Schiller-Gesamtausgabe machte der Verlag Anfang dieses Jahres von sich reden.
Mit inzwischen 58 Jahren müsse er sich nun Gedanken über die Zukunft des Verlages machen. »Es gibt Unternehmen, mit denen wir gut zusammenarbeiten. Darum ist es auch nicht ausgeschlossen, dass es da in Zukunft engere Bindungen geben wird», sagt der Verleger.
Angelika Rausch