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Angriff auf Kritiker Gerhard Stadelmaier entfacht lebhafte Diskussion - Peymann bietet Frankfurter Schauspieler Thomas Lawinky «Asyl» an
Frankfurt/Main (ddp). Die Vertragsauflösung des Frankfurter Schauspielers Thomas Lawinky wegen eines Übergriffs auf den Kritiker Gerhard Stadelmaier hat eine lebhafte Diskussion in der Theaterszene entfacht. Das Berliner Ensemble (BE) bot Lawinky am Montag «theatralisches Asyl» an. Intendant Claus Peymann ging Stadelmaier zugleich scharf an, ebenso wie Regisseur Christoph Schlingensief. Mäßigend, aber ebenfalls kritisch zur Reaktion der Stadt Frankfurt und ihres Schauspielhauses äußerten sich die Intendanten der Münchner Kammerspiele und des Hamburger Thalia Theaters, Frank Baumbauer und Ulrich Khuon.
Stadelmaier selbst bekräftigte derweil, wie empört er über den Vorfall am vergangenen Donnerstag ist. Je länger er darüber nachdenke, desto fassungsloser sei er. «Als ich das Theater verließ, rief mir der Schauspieler nach: \'Hau\' ab du Arsch, verpiss dich\'», berichtete Stadelmaier. Er sei beleidigt und in seiner bürgerlichen Ehre gekränkt worden. Der Vorfall, bei dem ihm Lawinky auch den Notizblock entrissen hatte, sei ein «Angriff auf die Pressefreiheit» gewesen.
«Im Gegensatz zu Frankfurt sind im Berliner Ensemble die Haupttugenden des Theaters ausdrücklich erwünscht: Fantasie und Improvisation, Frechheit und Toleranz, Selbstironie, Sex, Geschmacklosigkeit, Subversion, Blasphemie und so weiter bis ans Tor der Hölle», sagte der Intendant des Berliner Ensemble, Peymann. Er bot Lawinky an, als festes Mitglied ins BE einzutreten. Peymann fügte hinzu, wenn der «selbstherrliche Theaterverletzer» und «Theaterkaputtschreiber» Stadelmaier wegen eines Engagements von Lawinky künftig auf die Besuche im BE verzichten würde, so werde das BE dies verkraften.
Regisseur Schlingensief beklagt, dass Lawinky aus dem Ensemble ausschied, ohne dass sich die Intendantin Elisabeth Schweeger den Vorgang selbst angesehen habe. Mit der Intervention von Stadelmaiers Zeitung wegen der Attacke habe sich der Kritiker «selbst entzaubert», sagte Schlingensief. Er sieht Stadelmaiers «Zeiten als Starkritiker» vorbei.
Der Münchner Intendant Baumbauer hält den gesamten Vorgang für eine Ansammlung von Überreaktionen auf allen Seiten. «Es wäre darum gegangen, erst mal die Emotionen aus dem Fall rauszunehmen und den Ball flach zu halten», sagte Baumbauer. Natürlich müssten sich Schauspieler und Intendantin bei dem Kritiker entschuldigen. Aber damit müsse «es auch gut sein». «Ansonsten hätte sich die Intendantin Elisabeth Schweeger zunächst schützend vor ihren Schauspieler stellen müssen», sagte Baumbauer.
Ähnlich äußerte sich Thalia-Intendant Khuon. Die Entschuldigung des Schauspielers und der Intendantin sei «angemessen und erwartbar». Alles andere an dem Fall sei problematisch. «Und der Kritiker, der beim Austeilen extrem drastische und verletzende Worte wählt, muss sich fragen lassen, ob seine überempfindliche Reaktion angemessen ist», sagte Khuon.
Guido Heisner