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Beutekunst-Rückgabe: Russisch-Deutscher Kulturdialog ein Scherbenhaufen!?

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Mitte März verkündete der russische Kulturminister Michail Schwydkoj, dass die im Zweiten Weltkrieg von Deutschland nach Russland durch den sowjetischen Hauptmann Viktor Baldin verschleppte Sammlung von Graphiken und Zeichnungen aus der Bremer Kunsthalle zurückgegeben wird.

Damit ginge ein jahrelanges Tauziehen um die sog. Baldin-Sammlung zu Ende: Die deutsch-russischen Beziehung im Zeichen des Frühlings!

Doch nicht einmal eine Woche später, am 19. März, untersagte die russsiche Justiz die geplante Rückgabe. Begründung:

Die Sammlung sei zwar illegal nach Russland gebracht worden, die Eigentumsansprüche der Bremen Kunsthalle seien aber jetzt verjährt. Auch könne der Anspruch der Deutschen nicht dokumentiert werden ? Stempel, rückseitig auf den Werken, und Publikationen in Katalogen der Kunsthalle Bremen seien nicht Beleg genug. Jenseits der rechtlichen Wertung dieses Standpunktes muss der Zeitpunkt der Äußerung der russischen Justiz gewertet werden. Schon seit Jahren wird über die Ausfuhr verhandelt, weil sich beide Parteien ? Russland wie Deutschland ? einig waren, dass die Baldin Sammlung eben nicht unter die Jurisdiktion des ?Beutekunst-Gesetz? der Duma fällt. Ohnehin gibt es nur Verhandlungen über Beutekunst, die unstrittig nicht durch das Duma-Gesetz tangiert sind ? eine Strategie, die den Konflikt über Rechtsfragen zugunsten vertrauensbildender Maßnahmen, pragmatischer Schritte zurückstellte ? ohne jedoch die eigene Rechtsposition aufzugeben. In diesem von Rechtsstreitigkeiten freien Raum wollte die Kultur-Diplomatie ein Zeichen setzen und sie war damit auf gutem Wege.

Die Generalstaatsanwaltschaft machte mit diesem scheinheiligen Argument unversehens deutlich: Kultur und Freiheit bauen auf dem harten Fundament von Rechtssystemen auf. Es ist nicht ohne Ironie, dass just Russland nun Rechtsargumente gegen einen Kultur-Rückgabe nach Deutschland zitiert ? hat doch Deutschland oft genug auf Rechtsstandpunkten beharrt und lange Zeit pragmatischen Schritten nicht nur aufgeschlossen gegenüber gestanden. Der deutsch russische Kultur-Dialog steckt im Scherbenhaufen der Rechtsargumente fest!

Wider Erwarten ist eine juristische Debatte nicht entbrannt ? weder in Russland noch in Deutschland. Stattdessen hat der russische Kulturminister angekündigt, die Baldin ? Sammlung erstmals in Russland auszustellen. Kunst-Ausstellung gegen Rechtskniffe: Warum und was bezweckt Kulturminister Schwydkoj? Warum zeigt Schwydkoj die Baldin-Sammlung in Russland, die doch nach seinem Willen nach Deutschland gehen soll?

Mit diesem Schritt zeigt der Kulturminister der russischen Öffentlichkeit jetzt, was die russische Regierung als deutschen Schatz nicht nur unrechtmäßig nach Russland geholt hat, sondern zum einen der russischen Kunst-Öffentlichkeit Jahrzente nicht gezeigt hat und nun zum anderen der deutschen Kunst-Öffentlichkeit vorenthalten will. Er zeigt den Gegenstand des Streits und lädt zur Meinungsbildung in der Bevölkerung ein. Er fordert eine Frage anscheinend geradezu heraus: Wollen wir dies behalten, dass so offensichtlich nicht unser ist?

Kulturminister Schwydkoj scheint sich sicher: Die Antwort sollte ?Nein? lauten, denn sonst ist nicht nur die Staatsanwaltschaft gegen die Rückgabe, sondern auch noch die öffentliche Meinung. Und doch ? auch wenn dieser Schritt riskant erscheint ? ist es der einzig richtige Schritt: Schwydkoj trägt die Debatte in die Öffentlichkeit, denn nur eine öffentliche Meinungsbildung kann langfristig zur Verständigung innerhalb Russlands führen ? über die Rückgabe von Beutekunst und das damit verbundene Kultur-Verständnis Russlands. Die Ausstellung der Baldin-Sammlung verlangert die Debatte nicht nur von Rechts- zurück zu Kulturfragen. Sie führt direkt zum nationalen Kulturverständnis. Das Ergebnis steht noch aus. Doch feststeht schon jetzt, dass der internationale Kultur-Dialog über Beutekunst bisher in Russland keinen nationalen Spiegel hatte. Ein schweres Versäumnis?

Die bisherige Geheimdiplomatie der pragmatischen Rückgabe-Schritte konnte und wollte auf eine russische Nationaldebatte über Beutekunst verzichten. Man fürchtete die Isolation in der russischen Öffentlichkeit. Für Bedenken über eine öffentliche Kulturdebatte in Russland ist es jetzt zu spät. Sie ist ? `dank´ den Juristen - da und sie muss jetzt in Russland geführt werden. Doch diesmal darf der internationale Spiegel der nationalen Debatte nicht fehlen. Diese Verantwortung, sich an der russischen Debatte konstruktiv zu beteiligen, liegt jetzt insbesondere bei den Kulturpolitikern in Deutschland. Andernfalls hätte der Kultur-Dialog vor dem erneuten Angriff der sog. ?Juristen? kapituliert und hätte eine nationale Perspektive eine internationale verhindert. Das Angebot der Bremer Kunsthalle, Russland einige Werke der Baldin-Sammlung zurückzuschenken, ist gut gemeint, aber keine Basis für einen Kultur-Dialog. Der deutsch-russische Kultur-Dialog steht auf einer Bewährungsprobe ? national wie international, in Russland wie in Deutschland.

Bernd Fesel
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