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Noch immer ein Nischenprodukt - Filmsoundtracks hinken dem Boom bei deutscher Musik und einheimischen Filmproduktionen hinterher
Berlin (ddp). Die Anbieter von deutscher Filmmusik und Soundtracks schauen derzeit in die Röhre: Im Vergleich zum erfreulichen Boom beim deutschen Kinofilm und der deutschen Popmusik haben sich etablierte Labels, die Soundtracks auf den Musikmarkt bringen, anscheinend umsatzmäßig abkoppeln lassen.Während die Zahl der Kinobesucher im ersten Halbjahr 2005 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 16,6 Prozent auf 60,3 Millionen zurückging, legte der Anteil deutscher Kinoproduktionen nach Angaben der Filmförderungsanstalt um ein Viertel auf 19,7 Prozent zu. Und obgleich das seit Jahren angeschlagene Musikgeschäft weiter schrumpft - im ersten Halbjahr 2005 nochmals um 9,9 Prozent -, verteidigten in den Single-Charts die deutschen Musikproduktionen im Vorjahr mit 51,5 Prozent erneut die absolute Mehrheit.
Dagegen pendelt der allgemeine Umsatzanteil von Soundtracks und Filmmusikeditionen seit 1999 zwischen 2,2 und 2,5 Prozent und ging nach einer Statistik der GfK Panel Services im Vorjahr sogar auf 1,6 Prozent zurück. Ein durchwachsenes Bild zeichnen denn auch zwei wichtige deutsche Independent-Anbieter. Das Nürnberger Label Colosseum hat die Erfahrung gemacht, dass nicht jeder deutsche Kinoknüller auch einen Soundtrackhit mit sich bringt. «Der Verkaufserfolg von Soundtracks ist nicht zwangsläufig an die Besucherzahlen geknüpft», sagt Eva Herrmann von Colosseum.
Colosseum bringt neben vielen CDs des internationalen Mainstream-Bereichs auch deutsche Filmsoundtracks wie zum Beispiel den zum Erfolgsfilm «Der Untergang» heraus. Im ersten Halbjahr 2005 waren es zwei deutsche Soundtracks, im gesamten Jahr 2004 sechs. Die größten kommerziellen Hoffnungen knüpft Herrmann an den aktuellen Soundtrack zu dem deutschen Roadmovie «SommerHundeSöhne». Der bestverkaufte deutsche Titel im Soundtrack-Katalog ist der Tonträger zu der TV-Serie «Captain Future», die hierzulande mehr als 50 000 Mal über den Ladentisch ging.
Stefan Werner, Gründer und Ko-Geschäftsführer des kleinen Bonner Labels Normal Records, sagt sogar: «Im Vergleich zum Gesamtmarkt ist jeder deutsche Soundtrack eigentlich ein Nischenprodukt.» Das Label hat sich auf Soundtracks von anspruchsvollen deutschen und internationalen Kinofilmen spezialisiert und erwirtschaftet damit inzwischen 90 Prozent seines Umsatzes. Werner, der ursprünglich Platten aus dem Alternativ-Rock-Segment veröffentlichte, setzt auch weiter auf seine Spürnase für neue Trends: «Wir haben immer davon gelebt, dass wir etwas Neues entdeckt haben.»
Im Unterschied zu größeren Konkurrenten, die oft von Cross-Promotion-Effekten profitierten, sei Normal Records dank seiner schlanken Struktur sehr reaktionsschnell: «Beim Soundtrack zu der Kinokomödie \'Siegfried\' sind wir erst vier Wochen vor Kinostart gefragt worden und waren trotzdem rechtzeitig auf dem Markt.»
Normal Records deckt dabei ein breites Spektrum ab, das von der Doppel-CD mit dem Director\'s Cut von Fatih Akins Berlinale-Gewinner «Gegen die Wand» bis zur mongolischen Musik-Zusammenstellung zum exotischen Doku-Drama «Die Höhle des gelben Hundes» reicht.
Auch die Nachfrage differiert stark: Während der Soundtrack zu einem Nachwuchsfilm 500 Mal abgesetzt werden konnte, und die Firma damit den Break Even verfehlte, lief es für die Musik-CD zum Kinohit «Alles auf Zucker!» von Dani Levy besser, die bisher mehr als 2 000 Käufer fand.
Zu Verkaufsrennern entwickelten sich vor allem die Musik-CDs zu einigen Bollywood-Filmen. Der Soundtrack zum rührseligen indischen Familiendrama «Sometimes Happy, Sometimes Sad», das auf RTL 2 unter dem quotentreibenden Titel «In guten wie in schweren Tagen» lief und ein Millionenpublikum anlockte, ist für Werner sogar «die Mutter aller Soundtracks», ohne dass er diesen Erfolg in Zahlen konkretisieren möchte.
Reinhard Kleber