Hauptrubrik
Banner Full-Size

Ein neues «Blaues Wunder»?

Publikationsdatum
Body

Dresden (ddp-lsc). Im Januar könnte der Streit um die Waldschlößchenbrücke in Dresden Geschichte sein. Auch wenn nach den seit Monaten anhaltenden Querelen niemand mehr daran glauben mag.

Womöglich markiert die Frist, die das sächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) Bautzen den Beteiligten Anfang November setzte, den Schlusspunkt in einem Konflikt, der in diesem Jahr weite Kreise zog - bis nach Vilnius, Paris und Berlin.
Bevor die Richter in Bautzen am 8. November den Beteiligten eine außergerichtliche Einigung empfahlen, hatte der Streit längst den Bundestag erreicht. Dessen Vize-Präsident Wolfgang Thierse (SPD) sprach von einer «Schande», wenn die umstrittene Brücke in Dresden gebaut würde. Thierse tat das, weil das Welterbe-Komitee der UNESCO für diesen Fall den Verlust des Weltkulturerbetitels angedroht hatte, der dem Dresdner Elbtal im Juli 2004 zuerkannt worden war. Aus Sicht des Komitees wäre die Waldschlößchenbrücke wegen ihrer Ausmaße und ihrer Lage mitten im Welterbe ein erheblicher Eingriff in das geschützte Elbtal.
Schon im Herbst 2005 waren die Bedenken der UNESCO bekannt geworden. Der Direktor des UNESCO-Welterbezentrums in Paris, Francesco Bandarin, mahnte damals konkrete Informationen über das Projekt an. Hintergrund war eine angeblich falsche Angabe über die Entfernung der Brücke von der Innenstadt in einem Expertengutachten für die UNESCO.
Dresdens damaliger Oberbürgermeister Ingolf Roßberg (FDP) bemühte sich um Schadensbegrenzung und kündigte im Januar nach einem Treffen mit Bandarin in Paris an, auf den für März angesetzten Baubeginn zu verzichten. Anfang April stellte er ein von der UNESCO gefordertes Gutachten vor und sah darin den Beleg, dass das Bauwerk nicht anders aussehe, als bei der UNESCO angemeldet worden sei.
Die Reaktion des Welterbekomitees war ein Paukenschlag: Auf seiner Sitzung am 11. Juli in der litauischen Hauptstadt Vilnius setzte es das Elbtal wegen des geplanten Brückenbaus auf die Rote Liste der gefährdeten Weltkulturgüter. Der Dresdner Stadtrat, in dem die Gegner der Brücke die Mehrheit haben, nahm dies zum Anlass, den Baubeginn im Sommer zu verhindern. Dazu wurden mehrmals Sondersitzungen des Stadtparlaments anberaumt und Abstimmungen angesetzt - immer mit dem selben Ergebnis zugunsten der Brückengegner.
Daraufhin griff das Dresdner Regierungspräsidium als Aufsichtsbehörde ein und ordnete anstelle des Stadtrats den Baustart an. Es berief sich dabei auch auf einen Bürgerentscheid im Februar 2005, bei dem sich die Dresdner mit großer Mehrheit für den Bau der Brücke ausgesprochen hatten. Die Stadtratsmehrheit konterte indes, dass die Landeshauptstädter damals noch nicht wissen konnten, dass ihr Ja zur Brücke zugleich ein Nein zum Welterbetitel heißen würde.
Was folgte, war ein Rechtsstreit zwischen Stadt und Regierungspräsidium. Auf Antrag der Kommune stoppte das Verwaltungsgericht Ende August schließlich die Auftragsvergabe für den Brückenbau. Das Regierungspräsidium legte daraufhin Beschwerde beim OVG ein, das schließlich jene außergerichtliche Einigung forderte.
Dazu wurde auf Anraten der Richter eine aus fünf Experten bestehende Mediatorengruppe eingerichtet. Diese hat noch bis Mitte Januar Zeit für eine Lösung. Wie könnte diese aussehen? Der Vorsitzende des Dresdner Kuratoriums Welterbe, Ingo Zimmermann, sprach sich kürzlich für einen neuen Brückenentwurf aus, eine zeitgemäße Adaption des «Blauen Wunders». Die berühmte, 1893 errichtete Stahlhängebrücke ist ein Wahrzeichen Dresdens und befindet sich wenige Kilometer von dem Standort der geplanten Waldschlößchenbrücke entfernt. Gibt es keine Einigung, will das OVG Ende Januar einen Beschluss fassen.