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Lübeck (ddp-nrd). Zum Abschluss des ersten Treffens der «Lübecker Gruppe 05» geben Günter Grass und weitere Schriftsteller heute (19.30 Uhr) eine öffentliche Lesung im Buddenbrook-Haus der Hansestadt.
Nach dem Vorbild der legendären «Gruppe 47» hatte der 78-jährige Literaturnobelpreisträger die Nachwuchsautoren Thomas Brussig, Michael Kumpfmüller, Katja Lange-Müller, Benjamin Lebert, Eva Menasse, Matthias Politycki, Tilmann Spengler und Burkhard Spinnen zu einem zweitägigen Austausch versammelt.
Wie Grass im Vorfeld mitteilte, will er den «Stafettenstab» des engagierten Schriftstellers an eine jüngere Generation übergeben. Außerdem sollen die Treffen den Schriftstellern helfen, aus der «Verstreuung» über das ganze Land herauszukommen.
Die «Gruppe 47» organisierte in der Nachkriegszeit regelmäßige Zusammenkünfte deutschsprachiger Schriftsteller, die zum festen Bestandteil des bundesdeutschen Literaturbetriebs wurden.
Der Schriftsteller Jürgen Becker (73) hält die Treffen seines Kollegen Günter Grass mit jungen deutschen Schriftstellern hingegen für reine Provokation. Im Deutschlandradiokultur sagte er am Montag, Grass ärgere sich schon lange über die politische Gleichgültigkeit der jungen Autoren. Mit der «Lübecker Gruppe 05» wolle er dies offenbar ändern.
Becker betrachtet solche Pläne allerdings mit Skepsis. Jeder Schriftsteller sollte für sich selbst entscheiden und sich nicht einer Gruppendynamik anpassen, dies habe ihn bereits an der «Gruppe 47» gestört. «Unpolitische Autoren wurden politisiert über das schlechte Gewissen und weil man ihnen einredete, Du hast Dich politisch zu engagieren.» Er hoffe sehr, dass dies nicht die Intention von Grass ist, wenn er sich jetzt mit jungen Schriftstellern in Lübeck trifft. Ein Wiederaufleben der «Gruppe 47»
wäre etwas Anachronistisches.