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Karl-Sczuka-Preis 2005 an Hanna Hartman vergeben

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Baden-Baden (ots) - Donaueschingen/Baden-Baden. Die schwedische Klangkünstlerin Hanna Hartman hat gestern (Samstag, 15.10.2005) den vom Südwestrundfunk gestifteten und mit 12.500 Euro dotierten Karl-Sczuka-Preis für Hörspiel als Radiokunst in Donaueschingen entgegengenommen. Ausgezeichnet wurde Hartman für ihr Hörstück „Att fälla grova träd är förknippat med risker“ („Das Fällen hoher Bäume ist mit Risiken verbunden“).


Überreicht wurde der Preis durch SWR Hörfunkdirektor Bernhard Hermann im Rahmen einer öffentlichen Preisverleihung während der Donaueschinger Musiktage. Eröffnet wurde die Verleihungsfeier von Kulturstaatsministerin Dr. Christina Weiss mit einer Rede zum 50-jährigen Jubiläum des Preises. Die Laudatio hielt der Medienkritiker und Jurymitglied Frank Kaspar. Der mit 5000 Euro dotierte Karl-Sczuka-Förderpreis ging in diesem Jahr an die Autorin und Hörspielmacherin Antje Vowinckel für ihre
Autorenproduktion „Call Me Yesterday“.

Christina Weiss, die selbst von 1994 bis 2002 Mitglied der Jury des Karl-Sczuka-Preises war und sich stets für den Karl-Sczuka-Preis und die Donaueschinger Musiktage eingesetzt hat, nutzte die Gelegenheit, um öffentlich ihren Abschied aus dem Amt als Staatsministerin für Kultur und Medien zu bestätigen: „Sie werden mir glauben, dass es für mich keinen reizvolleren Zufall geben konnte, als dort aufzuhören, wo vor drei Jahren ein Weg endete und ein neuer anfing. Als Jurymitglied beim Karl-Sczuka-Preis hielt ich im Herbst 2002 die Laudatio, nur wenig später war ich Staatsministerin. In der Zwischenzeit ist es mir gelungen, die Donaueschinger Musiktage in die feste Finanzierung der Kulturstiftung des Bundes zu übernehmen.“ In ihrer Rede zum fünfzigjährigen Bestehen des Karl-Sczuka-Preises kritisierte Weiss, dass „die Begriffe Radio und Kunst […] den meisten Menschen im Zeitalter des durchhörbaren Formatradios als geradezu gegensätzlich“ erscheinen. Allerdings habe sie auch festgestellt, dass es eine „oft genug unbewusste Sehnsucht nach dem Abenteuer des Hörens“ gebe. Dafür müsse es Angebote geben: „Die Schule des Hörens gehört mit zum Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und damit natürlich auch zur kulturpolitischen Aufgabe des Staates. Wir brauchen die Spielräume der Wahrnehmungsschulung, um kreativ nutzbringend und kontrolliert mit den Medien umgehen zu können. Die Mündigkeit des Radiohörens lässt sich auf spielerische Weise über die künstlerischen Angebote üben.“ Den Karl-Sczuka-Preis lobte Weiss als äußerst lebendigen Beweis dafür, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der die Kunstgattung Hörspiel geschaffen hat, „sein Geschöpf noch immer liebt, es fördert und Freude an ihm hat.“ Dem Karl-Sczuka-Preis bescheinigte Weiss: „Er ist nunmehr einer der beiden ältesten deutschen Medienpreise, doch er sieht gar nicht alt aus.“

SWR-Hörfunkdirektor Bernhard Hermann dankte der Kulturstaatsministerin für ihre unermüdliche Unterstützung des kulturellen Engagements des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: In einer Zeit des Schwindens nicht nur finanzieller sondern auch argumentativer Unterstützung habe Sie „ganz andere Zeichen gesetzt“. In seiner Rede zur Verleihung des Karl-Sczuka-Preises erklärte Hermann, dass es nach den „von der Politik erzwungenen Budgetkürzungen“ große Anstrengung und Kraft gekostet habe, an den Donaueschinger Musiktagen und am Karl-Sczuka-Preis festzuhalten: „... und [es] bedarf auch für die Zukunft einer Begründung, denn es geht um mehr als um die Fortschreibung von Traditionen, auf die wir stolz sind. Es geht um die Nachhaltigkeit einer Kulturförderung. Um Naheliegendes ebenso, wie um eine Förderung auf weite Sicht. Denn auch was heute über die unmittelbaren Programmaufgaben hinausgeht, kann morgen oder übermorgen programmliche Normalität werden.“ An die Adresse der Kritiker des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erklärte Hermann: „Demokratisch-vielfältig und kulturell-kreativ, so hat sich der Rundfunk seit seiner öffentlich-rechtlichen Neubegründung in der Nachkriegszeit begriffen. […] Und er kann auch heute wichtige Impulse geben: Sollten in unserer modernen Gesellschaft etwa nur Konsumbereitschaft, Egozentrik der Interessen und Gleichgültigkeit gegen alle öffentlichen Belange das letzte Wort behalten? Dann wäre die – allenthalben geforderte – Privatisierung auch mental vollzogen. Unsere Programmarbeit setzt andere Akzente.“

In seiner Laudatio auf Hanna Hartman ging Frank Kaspar (Medienkritiker und Jurymitglied) auf das Werk der Preisträgerin ein: „Es ist eine Kunst der Andeutung, des Auf- und Abblendens und […] der angehaltenen Bewegung, die an kein Ende kommt, sich nicht rundet zu einer konkreten Gestalt oder Geschichte, die immer rechtzeitig abreißt oder in einer unerwarteten Wendung sich fortsetzt, bevor sie zu eindeutige Assoziationen herausfordern würde, bevor die Vorstellungskraft festen Halt finden könnte. Darin liegt Hanna Hartmans Genauigkeit ohne Worte. Die Sprache ihrer Klänge folgt einer Poetik des Sich-Entziehens und des kontrollierten Entgleitens. Damit ist sie der Wahrnehmung ihrer Zuhörer immer schon einen Hakenschlag voraus. Die Unschärfe entsteht im Kopf des Hörers. Das ist eine bemerkenswerte Erfahrung, die man mit Hanna Hartmans Stück machen kann: auf die Unzuverlässigkeit der eigenen Wahrnehmung gestoßen zu werden durch eine Komposition von größter Präzision und Klarheit.“

Der 1955 vom Südwestfunk Baden-Baden gestiftete und erstmals vergebene Karl-Sczuka-Preis ist benannt nach dem SWF-Hauskomponisten der ersten Nachkriegsjahre und gilt als eine der international wichtigsten Auszeichnungen für Akustische Kunst. Laut Satzung prämiert er die „beste Produktion eines Hörwerks, das in akustischen Spielformen musikalische Materialien und Strukturen benutzt“. In diesem Jahr hatte die Jury 63 Werke zu beurteilen, die von 86 Bewerbern aus 18 Nationen eingereicht worden waren. Neben Auftragsproduktionen für Radiosender waren unter den Einreichungen 19 freie Autorenproduktionen. Wie schon in den vergangenen Jahren ist die Zahl junger Bewerber gestiegen: 40 Prozent der Einreichenden sind nach 1960 geboren.

Das Preiswerk und Ausschnitte der Verleihung werden am 25. Oktober ab 21.03 Uhr in SWR2 RADIOART: HÖRSPIEL-STUDIO gesendet. In der Sendung „Das Hörspiel vom Hörspiel“ präsentiert Jurymitglied Monika Lichtenfeld am 8. November ab 23.00 Uhr Werke aus dem Wettbewerb. Zusätzlich zur Preisverleihung stellen Hanna Hartman und Antje Vowinckel ihre Preiswerke am 17.10. ab 20 Uhr in der Veranstaltung SWR2 HörBar im Alten Wiehrebahnhof in Freiburg vor.

Weitere Informationen über den Karl-Sczuka-Preis und die diesjährigen Preisträgerinnen sowie die Preiswerke als audio-files im Internet unter www.swr2.de/sczuka Dort finden Sie auch die vollständigen Texte der Rede von Kulturstaatsministerin Dr. Christina Weiss, der Verleihungsrede von SWR-Hörfunkdirektor Bernhard Hermann und der Laudatio von Frank Kaspar.