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«Der Wandel betrifft alle Lebensbereiche» - Deutsch-amerikanischer Komponist Hakenberg schreibt erste Oper über die Klimaveränderung
Ingolstadt (ddp-bay). Der deutsch-amerikanische Komponist Stefan Hakenberg hat die erste Oper über den Klimawandel geschrieben. Das einaktige Werk soll im Rahmen der Audi-Sommerkonzerte am Donnerstag (12. Juli) in Ingolstadt uraufgeführt werden. «Der Klimawandel ist eines der ganz großen Probleme unserer Zeit. Man muss dies wissen und sich künstlerisch damit auseinandersetzen», sagt Hakenberg der Nachrichtenagentur ddp. «In meiner Oper geht es mir vor allem um die Darstellung des Wandels, der alle Lebensbereiche betrifft», erläutert der 46-Jährige. Der gebürtige Wuppertaler Hakenberg ist Schüler von Hans Werner Henze und lebt in Alaska.
Die Kammeroper trägt den Titel «The Egg Musher» und besteht aus zwei ineinander verschachtelten Ebenen. Auf der ersten, die Ende des 19. Jahrhunderts zur Zeit des Klondike-Goldrausches spielt, wird das abenteuerliche Leben der Egg-Mushers beschrieben. Das waren hartgesottene Männer, die per Schiff und Hundeschlitten Hühnereier von San Francisco nach Dawson City an der Mündung des Klondike River in den Yukon brachten, um sie dort gegen Gold zu verkaufen. Eier waren sehr nahrhaft. Sie gehörten für die Goldgräber und deren Anhang zur Frühstückskultur; Hühner konnten wegen der Kälte am Klondike nicht gehalten werden.
Die zweite Ebene der Oper spielt im Jahre 2050. Der Bürgermeister von Dawson enthüllt ein Denkmal für den letzten Egg-Musher. Der Klimawandel ist schon weit fortgeschritten und die Erdgaspipelines, die zur Zeit quer durch Alaska und Kanada geplant werden, dienen dazu, Wasser von den schmelzenden Gletschern in den Süden der USA zu bringen, wo Wassermangel herrscht. «In der Oper geht es vor allem um den Verlust von Landschaft, Raumgefühl, Heimat. So vieles auch an Kultur wird mit dem Klimawandel verloren gehen. Aber auch Neues wird entstehen, wenn etwa Klimaflüchtlingen aus anderen Teilen der Welt die höheren Regionen besiedeln.»
In Alaska könne man den Klimawandel schon heute hautnah erleben, sagt Hakenberg. Selbst hoch im Norden schmelzen die Gletscher. Außerdem sei die Küste der Erosion ausgesetzt, seit das Meer nicht mehr so stark zufriere. Auch das traditionelle Schlittenhundrennen, der «Iditarod», das alljährlich im März von Anchorage nach Nome führt, sei durch mangelnden Schnee beeinträchtigt. In der Politik sei das Thema sehr umstritten, sagt Hakenberg, weil Alaska etwa 90 Prozent seiner Staatseinnahmen aus der Erdölförderung bezieht.
Hakenbergs Oper wird zusammen mit zwei weiteren Einaktern von Sabine E. Panzer und Stefano Taglietti von dem 1999 gegründeten Salzburger El Cimarrón Ensemble aufgeführt. Die Besetzung besteht aus Schlagzeug, Gitarre, Geige, Flöte sowie einer Bariton- und einer Sopranstimme. Der Bariton Robert Koller übernimmt die Rolle des Egg-Mushers und des Bürgermeisters von Dawson, während die Sopranistin Ran Seo der Natur eine Stimme gibt.
Das Textbuch schrieb Michael Kerstan, der seit 1983 ein enger Mitarbeiter von Hans Werner Henze bei mehreren musikpädagogischen Projekten war. Henze lebt hochbetagt in Italien. Er gilt als einer der wichtigsten zeitgenössischen Komponisten.
Dass die Klima-Oper ausgerechnet bei einem Autokonzern uraufgeführt wird, ist für Hakenberg eine «zweischneidige» Angelegenheit. Einerseits habe ihm die Kulturabteilung des Konzerns freie Hand bei seiner Oper gelassen. Andererseits sei die Tatsache, dass er quasi direkt einem Unternehmen zuarbeite, schon etwas anderes als ein privates Kultursponsering.
Hakenberg stammt aus Wuppertal und studierte zwischen 1985 und 1989 an der Kölner Musikhochschule bei Henze Komposition. 1992 schrieb er zusammen mit Schülern in Köln seine erste Oper «Der Kinderkreuzzug». 1994 übersiedelte er in die USA und promovierte an der renommierten Harvard Universität. Heute lebt er in Juneau, der Hauptstadt des US-Bundesstaates Alaska. Sein besonderes musikalisches Interesse gilt der Verschmelzung des klassischen europäischen Instrumentariums mit Instrumenten anderer Kulturen.