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Kunstkrimi um Cranach-Altar

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Bamberg/München (ddp-bay). Ein wahrer Schatz lagert derzeit in der Asservatenkammer des Landeskriminalamtes (LKA) in München. Dort befinden sich zwei wertvolle Altarflügel des Renaissance-Malers Lucas Cranach des Älteren.

Durch Zufall hatte ein Antiquitäten-Experte die beiden Tafelbilder vor wenigen Wochen im Schaufenster eines Bamberger Kunsthandels entdeckt. 27 Jahre nachdem sie zu DDR-Zeiten im Mai 1980 aus einer Pfarrkirche im sachsen-anhaltischen Klieken gestohlen worden waren.

Seit ihrer Beschlagnahmung lagern die Tafeln nun in München, während die LKA-Sonderermittler des Sachbereichs 623 (Fachbereich Kunst) den Weg der Kunstwerke bis zum Diebstahl zurückverfolgen, so LKA-Pressesprecherin Michaela Grob. Voraussichtlich kommende Woche wollen die Ermittler neue Details aus der bewegten Geschichte der beiden Tafeln präsentieren. So waren die Altarflügel Jahre nach dem Diebstahl unter anderem als Schranktüren für eine private Cocktail-Bar verwendet worden. Das erfuhr ddp auf Anfrage vom Bamberger Kunsthändler Matthias Wenzel, der die beiden Tafelbilder vor ihrer Beschlagung zuletzt für rund 100 000 Euro zum Verkauf angeboten hatte. Den Gesamtwert der beiden Tafeln in Kombination mit dem ursprünglichen Altar in Klieken schätzt das LKA auf rund eine Million Euro.

Gerade mal zwei Wochen, so schätzt der Bamberger Kunsthändler Matthias Wenzel, hatte er die «zwei Flügel eines Marienaltärchens», so die Bezeichnung der Verkaufsstücke, im Hauptschaufenster ausgestellt. Ein paar Anfragen hatte es zu den beiden kunstvoll bemalten Holztafeln aus dem 16. Jahrhundert zwar schon gegeben, zu einem konkreten Verkaufsgespräch war es jedoch noch nicht gekommen. Doch das sollte sich ändern. An diesem Montag, als ein kleinerer, freundlicher Herr das Kunsthandelsgeschäft von Matthias Wenzel in der Bamberger Altstadt betrat und sich nach den beiden Altarflügeln erkundigte. «Er hat mir gesagt, dass sich seine Frau sehr für Antiquitäten und die beiden Tafeln interessieren würde und er daher wissen wolle, ob man sie kaufen könne.»

Als Matthias Wenzel dies bejaht, verlässt der Mann kurz das Geschäft. Um wenige Augenblicke später zurückzukehren. Jedoch nicht mit seiner Ehefrau, sondern in Begleitung eines Kollegen der Kripo Bamberg. Im Auftrag des Landeskriminalamtes Bayern beschlagnahmen sie die zwei Altarflügel. «Für mich war das ein echter Schock», sagt Matthias Wenzel.

Erst im November 2006 hatte der 43-jährige Diplom-Kaufmann und Kunsthistoriker die Tafelbilder gemeinsam mit seinem Kollegen Walter Senger bei einem Bamberger Auktionshaus für 13 000 Euro gutgläubig ersteigert. Den Kaufpreis hatten sie sich geteilt, ebenso wie weitere rund 10 000 Euro, die für die Restaurierung, die Rahmung, Werbung und die Expertise eines Bamberger Kunsthistorikers anfielen, der sein Gutachten zu den Bildern exakt zwei Wochen vor der Beschlagnahmung der Tafelbilder durch die Polizei vorlegte.

In seiner dreiseitigen Expertise war der Kunsthistoriker Markus Hörsch bereits damals zu dem Ergebnis gekommen, dass die Altarflügel aus der Werkstatt Lucas Cranach des Älteren in Wittenberg um 1515 stammen müssen. Wahrscheinlich, so vermutet der Kunsthändler, wurden die Vorzeichnung der Figuren sowie die Gesichter Marias und des Engels vom Renaissance-Maler eigenhändig gestaltet. Die weiteren Bestandteile der Tafelbilder dürften Schüler der Cranach-Werkstatt gemalt haben.

Das Kunstwerk war nach seinem Diebstahl zu DDR-Zeiten zum ersten Mal 1993 bei einer Auktion in Bamberg wieder in der Öffentlichkeit aufgetaucht, wo es ein Bauingenieur aus Jena als «Dachboden-Fund» eingeliefert hatte, wie Matthias Wenzel erzählt. Zu diesem Zeitpunkt wurden die Gemälde noch dem Maler Hans von Kulmbach beziehungsweise später dem Dürer-Schüler Wolf Traut um das Jahr 1500 zugeschrieben. Ersteigert wurden die beidseitig bemalten Altarflügel von einer Malerwitwe, die sie in einen extra angefertigten Weichholz-Schrank einbauen ließ. «Soweit ich gehört habe, stand der Schrank im Party-Keller und diente als eine Art Cocktailbar», sagt Matthias Wenzel.

Nach dem Tod der Frau ließ deren Sohn den Partyschrank im November 2006 in einem weiteren Bamberger Auktionshaus versteigern, wo ihn Matthias Wenzel erwarb. Wer derzeit Eigentümer der Altarflügel ist, das muss jetzt die Polizei klären. Da der Bamberger Auktionator nicht öffentlich bestellt und vereidigt war, so der Fachterminus, gilt Matthias Wenzel nur als Besitzer, das Eigentum konnte er nicht erwerben.

Ob sich der Diebstahl nach 27 Jahren durch das LKA noch aufklären lässt, bleibt fraglich. Sicher ist dagegen: Ebenso wie die Pfarrkirche in Klieken wünscht sich auch Matthias Wenzel, dass die Cranach-Kunstwerke als «echtes Kulturgut» möglichst rasch wieder an ihren ursprünglichen Bestimmungsort gelangen. An den Kliekener Altar, wo sie sich bis zu ihrem Diebstahl am 17. Mai 1980 weit über 450 Jahre lang befunden hatten.