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Leander Haußmann inszeniert Shakespeare am BE - Thalbach als Puck

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Viel Theater, nämlich reichliche vier Stunden, bietet das Berliner Ensemble (BE) mit seiner neuen Produktion. Shakespeares "Sommernachtstraum" hatte dort am Mittwoch Premiere. Regie führte Leander Haußmann - was allein natürlich schon ein ausverkauftes Haus garantierte

Berlin (ddp-bln). Das Publikum wirkte vor der Pause streckenweise begeistert und ließ sich sogar zu Szenenbeifall hinreißen. Die zweite Hälfte jedoch zog sich in die Länge und war denn auch eher etwas zum Absitzen.

Im "Sommernachtstraum" probt eine Handwerkertruppe die theatralische Umsetzung der traurigen Geschichte von Pyramus und Thisbe. Bei Haußmann erscheinen da die abgerissensten Gestalten, die man sich vorstellen kann. Besonders aber hat es ihm der Regisseur angetan, dessen Figur er am abgerundesten zeichnet. Diese Figur ist zugleich Künstler und Sozialarbeiter, hat sich um die handfesten organisatorischen Probleme ebenso zu kümmern wie um den leicht zu beeinträchtigenden Seelenfrieden der Mitstreiter. Er muss der Kreative sein, der Einheizer, der Vermittler, der Motivator, der Besessene. Er ist es auch, der die größte Angst vor der Premiere hat. Haußmann lässt ihn rufen: "Aber ich will doch nicht scheitern."

Wenn Haußmann solche Ängste auch kennen sollte, dann hat er sie für seine "Sommernachtstraum"-Inszenierung in Produktivität zu verwandeln vermocht. Besonders der erste Teil besticht durch Abwechslungs- und Ideenreichtum. Haußmann entführt das Publikum in eine Märchenwelt, in der sich der Wald dreht und die Vögel zwitschern (Bühne: Paul Lerchbaumer), in der phantasievolle Leichtigkeit und Humor zu Hause sind. Zwischen Borken und Wurzeln stolpern die Pärchen herum, unbefriedigt, weil sich die einen nicht kriegen dürfen und bei den anderen die Gefühle zu ungleich verteilt sind. Während bis hierher noch der Haußmann der "Sonnenallee" Regie führte, wurde die kreative Verantwortlichkeit nach der Pause an den Volksbühnenbesucher Haußmann übergeben. Die von Pucks Zaubermitteln angezettelte kleine Lustorgie wird dann ausführlich breit gewalzt. Die Darsteller fallen aus den Rollen, werden ganz "authentisch" und benutzen Gegenwartsslang. Mehr oder weniger bedeutungsschwere Sätze ("Man kann doch einfach mal verstehen wollen!") werden absichtsvoll wiederholt. Auf diese Weise hält also auch ein bisschen Castorf Einzug ins BE.

Haußmann hat ein sehr gutes Ensemble versammelt, das dem Treiben auf der Bühne Leben verleiht, bis es das dann nicht mehr darf. Allen voran ist Katharina Thalbach als Puck eine wirklich fulminante Bühnenerscheinung. Dieser ewig brabbelnde, Chaos verbreitende Gnom erscheint wundersamerweise als ein Wesen von äußerster Liebenswürdigkeit. Auch die jungen Liebespärchen geben den am Ende gut ausgehenden Shakespeareschen Gefühlsverwirrungen überzeugenden Ausdruck: Annika Kuhl und Katja Danowski als Helena und Hermia und Boris Jacoby und Matthias Walter als Lysander und Demetrius. Zur Premiere gab es lang andauernden Applaus für das Ensemble, Haussmann und sein Team.

Jens Bienioschek