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Paulhofer inszeniert "Macbeth" an der Berliner Schaubühne

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Im Repertoire des selbst ernannten "zeitgenössischen" Theaters am Lehniner Platz gibt es jetzt auch eine Shakespeare-Inszenierung: "Macbeth". Regie führte Christina Paulhofer.

Berlin (ddp-bln). Plötzlich begann das Pferd zu taumeln. Vor dem hoch gewachsenen Tier lag der im Scheinwerferlicht funkelnde Laufsteg aus Stahlgittern, rechts und links saß in dunklen, langen Reihen das Publikum, das einen Moment lang Angst hatte um den Reiter, ein blasses Kind. Ein richtiges Pferd für eine Theaterszene von ein paar Sekunden - das beweist, dass die Berliner Schaubühne für ihre neue Produktion jedenfalls keine Kosten gescheut hat. Nun gibt es also auch eine Shakespeare-Inszenierung im Repertoire des selbst ernannten "zeitgenössischen" Theaters am Lehniner Platz. "Macbeth" hatte am Dienstagabend Premiere.

Da lag Spannung von Anfang an in der Luft. Zum einen gab die junge Regisseurin Christina Paulhofer ihr Berlin-Debüt. Bisher ist Paulhofer, Jahrgang 1969, vor allem am Bochumer Schauspielhaus in Erscheinung getreten, aber auch in Zürich, Wien, Hamburg und Hannover, wo sie Stücke von Wedekind bis Rainald Goetz auf die Bühne brachte. Ihr erster Ausflug zu Shakespeare ist aber auch für die Schaubühne etwas Besonderes. Bisher hatte sich das junge Ensemble des Hauses mit Vorliebe an trashigen Stücken, meist mit familiärer Thematik, bewährt, manchmal etwas mehr ins Melancholische, manchmal auch in den Klamauk übergehend. Kurz: Die Stücke behandelten - natürlich in zugespitzter Form - Probleme, die offensichtlich im Ensemble gut bekannt sind. Die Rollen hatten deshalb recht viel mit Selbstdarstellung zu tun. Ob das bei "Macbeth" auch so nahe lag, war abzuwarten - und auch das schuf eine besondere Erwartung bei dieser Shakespeare-Premiere.

Paulhofers Inszenierung bevorzugt Theatermittel der brachialeren Art. Vom Laufgitter fliegt das Mobiliar in den Abgrund, das Blut spritzt, die Schüsse knallen, es wird sogar Feuer gespuckt und auch an Akrobaten mangelt es nicht. Nicht zu vergessen die im wahrsten Sinne nackte Leidenschaft, mit der Lady Macbeth den Gatten nach vollbrachter Bluttat zu belohnen gedenkt. Wenn Macbeth zur tödlich endenden Feier einlädt, ist es ein bisschen wie in einer Disco.

Aber: Der allgemeine Lärm, den die Inszenierung macht, lässt das Wichtige überhören, die Bilderflut lenkt vom Wesentlichen ab, die Hektik macht die handlungseigene Dynamik kaputt. Am deutlichsten wird das bei Lady Macbeth. Ihr Wunsch nach Gewalt klingt wie aufgesagt, ihre Freude am Blutvergießen wirkt unecht, zumal Karin Pfammatter die Lady immerfort zu einem naiv gackernden Teeny verflacht. Wenn der in Zerstörung umschlagende Ehrgeiz dieser Dame nicht wirklich erkennbar und auch fühlbar ist, erscheint der ganze Handlungszusammenhang unmotiviert. André Szymanskis Macbeth ist auch eher Hamlet als Macbeth. Wenn er seiner ihn bedrängenden Frau erklärt, es spanne sich "jede Faser seines Körpers" für die (erste) schreckliche Bluttat, so ist der Körperhaltung des Schauspielers diese Spannung keinesfalls anzumerken. Dafür wird das schlechte Gewissen danach hübsch mit einer Filmsequenz visualisiert, die später herannahende Rache durch einen dröhnenden Geräuschteppich und vieles mehr.

Schade, dass die Regisseurin ihre Energie für Nebensächlichkeiten wie Fechtkämpfe, spielende Kinder, festliche Tafeln oder eben auch den Einsatz des Pferdes verausgabt hat. Die eigentliche Arbeit an den Rollen ist dabei zu kurz gekommen. Der Premierenapplaus fiel höflich aus.

Jens Bienioschek