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Stärken und Schwächen der Dokumentarfilm-Ausbildung

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Eine hochrangig besetzte Diskussionsrunde bei dem dreitägigen Symposium «Der junge Dokumentarfilm - Zwischen Ausbildung und Markt» setzte sich zu dieser Thematik auseinander.

Köln (ddp). Anspruchsvolle Dokumentarfilme müssen sich in den deutschen Kinos in der Regel mit Nischen zufrieden geben, während ihnen im Fernsehen nur nächtliche Sendeplätze oder die Kulturkanäle bleiben. Ihren Lebensunterhalt verdienen die meisten Dokumentaristen daher mit Auftragsarbeiten und schnellen TV-Produktionen für den Tagesgebrauch. Wie wird der Nachwuchs auf diese Marktsituation vorbereitet? Welche Anregungen und wie viel Handwerkszeug vermitteln ihm die Filmhochschulen? Mit diesen Fragen setzte sich eine hochrangig besetzte Diskussionsrunde bei dem dreitägigen Symposium «Der junge Dokumentarfilm - Zwischen Ausbildung und Markt» auseinander, die am Freitag in Köln stattfand.

Auf dem Podium im Kölner Filmhaus setzten die beteiligten Dozenten rasch gegensätzliche Akzente. Klaus Schreyer von der Hochschule für Film und Fernsehen in München machte deutlich, dass er von seinen Studenten «Intellektualität und Kreativität» erwartet. Allerdings nicht im Sinne einer künstlerischen Elite im Elfenbeinturm, sondern mit einem «Erkenntnisvermögen» gegenüber der Gesellschaft.

Einen derartigen Intellektualismus fand sein Kollege Thomas Schadt von der Filmakademie Baden-Württemberg dagegen «nicht unproblematisch». Er gab sich da eher pragmatisch und verwies auf den «Spagat» der Hochschulen zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Diese müssten ihren Studenten vor allem die «Überlebensfähigkeit» im Mediengeschäft beibringen. Die Studierenden sollten lernen, «ihren eigenen Weg zu gehen und dadurch filmische Persönlichkeiten zu entwickeln». Dann könnten die Absolventen sich auch in populären TV-Formate betätigen, «ohne sich selbst zu verlieren».

Margit Eschenbach, Leiterin des Studienbereichs Film/Video an der Zürcher Hochschule für Gestaltung, betonte dagegen die Wichtigkeit des Erkenntnisinteresses angehender Dokumentarfilmer: «Was will ich wem wie erzählen?» Diese «Schärfe der Erkenntnis» müsse den Studierenden in der Ausbildung vermittelt werden.

Auch Simone Stewens, Geschäftsführerin der Kölner Filmschule, nannte die «Schulung der Wahrnehmung» als Schlüsselqualifikation. Außerdem müssten die Studierenden auf den spannenden Trend zum «Cross Over», also zu Mischformen zwischen dokumentarischen und fiktionalen Formen, vorbereitet werden. Der Direktor der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin, Reinhard Hauff, erinnerte daran, dass berühmte Filmemacher wie Alexander Sokurow, Wim Wenders und Werner Herzog souverän zwischen Spiel- und Dokumentarfilm wechselten. Im Übrigen «schreit jedes Thema nach einer Form», meinte Hauff.

Vor zu viel «Potpourri» warnte dagegen sein Kollege Hans Beller von der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM). «Eine Pizza ist heterogen, aber eine runde Sache», so Beller in einem kulinarischen Vergleich, «man darf jedoch nicht zu viel draufpacken.» Allerdings plädierte er durchaus für Experimente, die auch die KHM mit ihrem interdisziplinären Ansatz fördere: «Auch die Industrie muss schließlich experimentieren.» Inzwischen hätten die TV-Sender die Labore zur Entwicklung neuer Sendeformen aber weitgehend an die Filmhochschulen delegiert. Dafür kämen die Redakteure umso fleißiger zu den «Show Cases», den Präsentationen der Abschlussfilme der Studenten, um «Talente abzugreifen».

Eher ratlos schienen die Dozenten angesichts des «Lochs», in das viele Absolventen nach ihrem Erstlingsfilm zu fallen drohen. Während es für Debütanten jede Menge Fördermöglichkeiten gibt, könnten sich junge Absolventen danach in dieser «Haifischbranche», so Stewens, nur schwer gegen die harte Konkurrenz behaupten. Umso wichtiger sei es, die Studenten «bis zu einem gewissen Grad anpassungsresistent» zu machen, betonte Hauff. Die jungen Dokumentaristen sollten sich ruhig mit weniger angesehenen Nebentätigkeiten über Wasser halten, solange sie nicht «ihre Persönlichkeit und ihren Traum aufgeben». Viel schlimmer sei es, wenn sie innerlich vor dem TV-Kommerz kapitulieren und «im Serien-Einerlei versinken».

Reinhard Kleber