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Uraufführung des ersten verbotenen Defa-Films nach 45 Jahren

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Auch wenn es die DDR-Filmproduktionsfirma Defa nicht mehr gibt, kann sie in diesem Monat die Uraufführung eines ihrer Filme feiern. 45 Jahre nach der Produktion wird "Die Schönste" im Berliner Filmkunsthaus Babylon doch noch der Öffentlichkeit vorgestellt - und das in gleich zwei Fassungen.

Berlin (ddp). Der Filmjournalist Ralf Schenk hat in Zusammenarbeit mit der Defa-Stiftung und dem Bundesfilmarchiv in umfangreicher liebevoller Kleinarbeit die Geschichte des Filmes recherchiert und seine Original- und die Schnittfassung rekonstruiert.

"Die Schönste" von Regisseur Ernesto Remani (eigentlicher Name Ernst Rechenmacher), der aus Südtirol stammt und lange Jahre als Produktionsleiter für die Bavaria in München arbeitete, erzählt die Geschichte der Freunde Thomas und Hannes im Berlin der 50er Jahre. Der eine ist der Sohn eines Industriellen, der Vater des anderen Kfz-Meister. Die Jungs kommen eines Tages auf die Idee, herauszufinden, ob ihre Mütter auch ohne Schmuck schön aussehen. Wobei es sich klassengemäß um ein teures Kollier und um eine Goldbrosche handelt. Das Verschwinden des Schmucks löst in der Industriellen-Familie eine Beinahe-Katastrophe aus, weil - nach DDR-Ideologie - im Kapitalismus der Schein die Realität ersetzt.

Die Urfassung von 1957, ein kleiner spießiger Unterhaltungsfilm nach dem Geschmack jener Zeit, wie Schenk betont, kam nie in die Kinos: "Zu versöhnlerisch" und mit einem "grundsätzlichen ideologischen Mangel" behaftet, entschieden die SED-Oberen. Die Arbeiterfamilie des Kfz-Meisters (die Ostberliner Bühnenschauspieler Gisela May und Gerhard Bienert) war zu wenig proletarisch und klassenkämpferisch dargestellt. Da störten auch Details wie die Apfelsinen und Bananen auf einem Teller in der Küche der Arbeiterwohnung. In der Schnittfassung wurden sie durch einen Brotteller ersetzt. Beide Jungs flüchten auf der Suche nach dem Kollier über die Grenze nach Hamburg. Auch das fehlt in der zweiten Fassung komplett.

Schenk hat bei seinen Recherchen im Bundesfilmarchiv 320 Filmdosen entdeckt: "Positiv- und Negativmaterial, Schnittreste, Musikbänder, Probeaufnahmen lagen darin kunterbunt durcheinander. Es waren Szenen vorhanden, die es laut Drehbuch überhaupt nicht gab. So kam ich darauf, dass es 1959 den Versuch der Rettung des Films durch eine zweite Fassung gegeben hatte." Doch kein Agit-Prop-Song gegen das Wirtschaftswunder (Sänger Manfred Krug) und die ideologische Aufpäppelung durch eine neue eingeführte Rahmenhandlung halfen. Regisseur Walter Beck und Autor Heinz Kahlau bemühten sich vergeblich. Weder die 90-minütige Ur- noch die um eine halbe Stunde kürzere Schnittfassung erreichten ein Publikum.

45 Jahre später ist der Defa-Stiftung und dem Bundesfilmarchiv die Rekonstruktion des Filmes rund 35 000 Euro wert. Für Schenk ist der Vergleich beider Fassungen besonders spannend. "Es gibt keinen weiteren Film, bei dem man das Denken und die Zensur jener Zeit belegen kann. \'Die Schönste\' ist der erste von rund 30 verbotenen Defa-Filmen. Sie mussten aus politischen Gründen der Kritik an der eigenen Gesellschaft in die Archive. \'Die Schönste\' wurde eher aus Gründen der kleinbürgerlichen Herkunft verboten. Filme wie \'Sonnensucher\' von Konrad Wolf oder \'Spur der Steine\' von Frank Beyer hatten politisch und ästhetisch eine andere Dimension.

Für Schenk ist die Rekonstruktion von "Die Schönste" auch eine Reminiszenz an große Schauspieler und Filmleute. Willy A. Kleinau, er spielt den Industriellen Bernsdorf, verunglückte kurz nach dem Dreh tödlich mit seinem Auto. Auch für den Kameramann Robert Baberske war es der letzte Film, denn er starb danach. Baberske hat unter anderen mit Fritz Lang gearbeitet und gilt als einer der großen Stummfilm-Kameramänner. Für den bekannten Szenenbildner und Ausstatter Alfred Hirschmeier war "Die Schönste" einer der ersten Filme.

(Die Uraufführung beider Fassungen findet am 24. Mai um 19.00 Uhr im Berliner Kino Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz statt. Zu sehen ist "Die Schönste" auch am 25. und 26. Mai um 20.00 Uhr ebenfalls im Babylon.