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Product Placement und zwölf Minuten Werbung - EU-Kommission billigt Entwurf für neue Fernsehrichtlinie - Kritik und Lob aus Deutschland
Brüssel/Berlin (ddp). Die EU-Kommission tritt für eine weitgehende Liberalisierung des europäischen TV-Marktes und damit auch der Fernsehwerbung ein. Die Kommission verabschiedete am Dienstag in Straßburg einen Entwurf von Medien-Kommissarin Viviane Reding zur Neuregelung der Europäischen Fernsehrichtlinie von 1989. Damit wolle sie «weltweit modernste und flexibelste Rahmenbedingungen» schaffen, um zum Wachstum der audiovisuellen Medien in Europa beizutragen, erklärte Reding.
Im Kern will die Neuregelung nationale Vorschriften etwa zum Jugendschutz und Schleichwerbung EU-weit bei allen audiovisuellen Medien vereinheitlichen, unabhängig von der Übertragungstechnik über Satellit, Kabel, DSL oder Internet. Bei der TV-Werbung müssten «flexiblere Vorschriften für neue Formen der Werbung» sowie eine stärkere Selbstregulierung der Sender gelten. So sollen die Programmanbieter selbst entscheiden, in welchem Abstand sie Werbeblöcke bringen. Die maximale Dauer von Werbung je Stunde bleibt bei zwölf Minuten.
Ferner würden mit der Novelle, die noch vom EU-Parlament verabschiedet werden muss, geteilte Bildschirme für Werbung und die Produktplatzierung in Unterhaltungssendungen möglich - beides ist in Deutschland verboten. Damit dies nicht als Schleichwerbung gilt, müssten die Anbieter zu Beginn der Sendung auf die Produkte hinweisen. Product Placement würde zusätzliche Finanzierungsquellen erschließen und die Wettbewerbsfähigkeit der audiovisuellen Medien in Europa stärken, argumentierte Reding.
Erstmals erfasst werden mit der Richtlinie Internet-Angebote, deren Hauptziel die Verbreitung audiovisueller Inhalte ist. Für Video-on-Demand-Angebote sollen ebenfalls die Regeln etwa zum Jugendschutz und zur Werbung gelten.
Heftige Kritik an der Novelle übte der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV). «Wer die klare Trennung von Werbung und Programm aufhebt, führt die Mediennutzer in die Irre», erklärte er. Ein Hinweis zu Beginn der Sendung reiche mit Blick auf das Zapping-Verhalten der Zuschauer nicht aus. Die Zeitungsverleger befürchten, dass sich der Verlust an Glaubwürdigkeit auf alle Medien auswirke. Auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) warnte vor einer Gefährdung der redaktionellen Unabhängigkeit. Zudem werde mit einem legalen Product Placement das Problem der illegalen Schleichwerbung nicht gelöst.
Dem Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) geht der Entwurf Redings dagegen nicht weit genug. Das Beharren auf Detailregelungen werde den europäischen Medienunternehmen keinen Wachstumsimpuls verleihen, kritisierte VPRT-Präsident Jürgen Doetz. Positiv bewertete er die Aufgabe der Abstandsregelung bei der Werbung und die Lockerung beim Product Placement.
Dagegen begrüßte der Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, Ministerpräsident Kurt Beck (SPD), den Entwurf. Im Detail sei er aber noch «ausbaufähig». Beck warnte zugleich, die Debatte dürfe nicht auf Product Placement verkürzt werden. Wichtiger sei, dass in der Richtlinie Grundwerte für alle Medien verankert seien. Dafür hätte er sich eine völlige Freigabe der Werbezeiten im Fernsehen gewünscht. Die Zuschauer seien mündig genug, mit der Fernbedienung zu entscheiden, wenn zuviel Werbung gezeigt werde, betonte Beck.