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(nmz/Red. Leipzig) Leipziger Bürger um die drei Leipziger Richard-Wagner-Vereine sorgen sich um die künftige Ausrichtung der Oper Leipzig. Bereits im August wandten sich die Verbandsvorsitzenden in einem offenen Brief an die Stadtverwaltung und forderten diese auf, mit der Berufung eines neuen Intendanten die Neuordnung der Oper zu initiieren.
Dabei ist rein juristisch noch nicht einmal klar, ob die Stadt überhaupt berechtigt ist, eine Intendantenstelle für das städtische Opernhaus neu auszuschreiben. Denn Henri Maier wurde offenbar nur beurlaubt. Eine Beurlaubung macht die Stelle eben nicht frei und blockiert so die Neuausschreibung. Einer Kündigung hätte der Leipziger Stadtrat zustimmen müssen. Das sieht die Sächsische Gemeindeordnung nach § 28 Abs. 3 Satz 1 zwingend vor. Der Stadtrat wurde aber beim Rausschmiss Henri Maiers übergangen. Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) und Kulturbeigeordneter Georg Girardet sprachen ohne Wissen des Rates die Suspendierung Maiers aus.Jung räumte vergangene Woche im Stadtrat völlig überraschend ein: „Erst wenn die Stelle frei wird, kann sie ausgeschrieben werden.“ Und frei wird sie nach derzeitigem Stand erst, wenn der Vertrag mit Maier ausläuft, im Jahr 2011. Interims-Intendant und Geschäftsführender Direktor der Oper Leipzig, Alexander von Maravic, muss sich vielleicht auf eine lange Amtszeit einrichten und die Vorschläge der kulturinteressierten sowie traditionsbewußten Leipziger Bürger werden wohl Wunschträume bleiben. Visionen wird von Maravic schon auf Grund seines Arbeitspensums nicht entwickeln können. Denn mit der Spielzeit 2009/2010 verläßt auch Christoph Meyer, Künstlerischer Betriebsdirektor an der Oper, die Musikstadt Leipzig, um die Generalintendanz an der Deutschen Oper in Düsseldorf und Duisburg zu übernehmen.
Hier ist der Wortlaut des offenen Briefes der drei Verbandsvorsitzenden:
Richard Wagner Verband International - Ortsverband Leipzig e. V.
Richard-Wagner-Gesellschaft Leipzig 2013 e. V.
Verein Wagner Denkmal e. V.
Offener Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Leipzig, Herrn Burkhard Jung
an die Bürgermeister der Stadt Leipzig
an die Vorsitzenden der Fraktionen des Stadtrates Leipzig
an den Fachausschuss für Kultur des Stadtrates Leipzig
Leipzig, am 13. August 2007
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren Fraktionsvorsitzende,
sehr geehrte Damen und Herren des Fachausschusses für Kultur
Die plötzliche, ohne Angabe von Gründen erfolgte fristlose Entlassung des Opernintendanten Henri Maier im ersten Jahr der Verlängerung seines Vertrages nach fünf künstlerisch wenig ertragreichen Jahren und die eilige Berufung einer Findungskommission bestärken unsere Auffassung, dass dringender Handlungsbedarf für die zukünftige Ausrichtung der Oper Leipzig besteht. Es ist geboten, die Chance einer Neuordnung zu ergreifen und eine der künstlerischen Tradition Leipzigs angemessene Konzeption für die Oper zu entwickeln.
Wir sind der Meinung, dass eine Neuausrichtung nicht allein durch die Berufung eines von einer Findungskommission vorgeschlagenen Intendanten geleistet werden kann. Es ist dringend erforderlich, dass vor der Berufung die Stadtverwaltung und die Stadträte klare Vorstellungen entwickeln, wie das Profil der Oper künftig ausgeprägt werden soll. Wir meinen, die Oper müsste vorrangig für die Opernbesucher der Stadt und der Region Leipzig wirken, und zwar auf hohem künstlerischen Niveau wie es in jüngerer Zeit unter Leitung von Joachim Herz und Udo Zimmermann erreicht wurde. Dann werden auch kurzfristige Besucher der Stadt und Touristen von der Oper angezogen.
Die Gestaltung des Spielplanes müsste von den Traditionen Leipzigs ausgehen, die mit Georg Philipp Telemann beginnen, über Johann Adam Hiller im 19. Jahrhundert Höhepunkte mit Weber, Marschner, Lortzing und Wagner erreichten und im 20. Jahrhundert Uraufführungen wie "Jonny spielt auf" von Ernst Krenek, "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" von Bertolt Brecht und Kurt Weill, "Dienstag" und "Freitag" aus dem Zyklus "Licht" von Karlheinz Stockhausen aufzuweisen haben. Zu diesen Traditionen gehören auch bedeutsame Aufführungen italienischer, französischer, russischer, tschechischer und anderer Länder Meister wie die deutsche Erstaufführung der Oper "Krieg und Frieden" von Sergej Prokofjew.
Mit dem Blick auf den 200. Geburtstag des am 22. Mai 1813 in Leipzig geborenen, in aller Welt gewürdigten Musikdramatikers Richard Wagner verlangt dessen Werk beim Aufbau eines Repertoires besondere Aufmerksamkeit. Dazu gehört ein klares Bekenntnis der Stadtverwaltung und des Stadtrates zu Richard Wagner und seinem Werk. Mit der einseitigen Orientierung der Musikstadt Leipzig auf Johann Sebastian Bach, dessen Größe und Bedeutung außer Zweifel stehen, kann die Stadt anderen großen mit Leipzig verbundenen Künstlern wie Wagner, Mendelssohn, Schumann, Reger, Schein nicht gerecht werden.
Wagners Hauptwerk "Der Ring des Nibelungen", das Leipzig 1878, zwei Jahre nach der Uraufführung in Bayreuth als erste Bühne mit eigenem Ensemble aufführte und 1973/76 in einer bahnbrechenden neuen Gestaltung vorstellte, müsste 2013 im Zentrum des aufzuführenden Gesamtwerkes stehen. Doch für die Verwirklichung dieses wichtigen Jubiläumsprojektes sah sich der bisherige Intendant und sieht der auch als Generalmusikdirektor der Oper wirkende Gewandhauskapellmeister Riccardo Chailly auf Grund ihrer bis 2011 bzw. 2010 abgeschlossenen Verträge nicht verantwortlich. (Dass neben Richard Wagners Werk auch das des im gleichen Jahr 1813 geborenen Giuseppe Verdi gebührend bedacht wird, halten wir für selbstverständlich.)
Deshalb müsste schnell ein neuer Intendant berufen werden, der willens ist, die Leipziger Oper ihren Traditionen entsprechend mit dem Blick nach vorn zu führen. Der müsste im gegenseitigen Einvernehmen mit der Stadt, die Eigentümer der Oper ist und deren Arbeit weitgehend aus Steuermitteln der Leipziger Bürger finanziert, einen klaren Auftrag erhalten. Für die Berufung eines neuen Intendanten dürfte der Stadtrat sich aber nicht auf nur eine Findungskommission verlassen. Er müsste auch die Meinung mit Leipzig verbundener Künstler wie Joachim Herz, Ehrenmitglied der Oper Leipzig, von Fachwissenschaftlern und nicht zuletzt der Opernbesucher sorgfältig beachten.
Die vom Stadtrat beschlossene Bildung eines Richard-Wagner-Kuratoriums mit dem Oberbürgermeister an der Spitze unterstützen wir vorbehaltlos. Es wird aber die Bildung eines Arbeitsgremiums notwendig sein, das für die Gestaltung einer würdigen Richard-Wagner-Ehrung im Jahr 2013 verantwortlich ist.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Werner Wolf, Vorsitzender des Richard-Wagner-Verbandes Leipzig
Philipp J. Neumann, Vorsitzender der Richard-Wagner-Gesellschaft Leipzig 2013
Dr. Markus Käbisch, Vorsitzender des Vereins Wagner Denkmal